Der Ukrainekonflikt

Nach dem Zusammenbruch der Sowjet Union glaubte der Westen, das verbliebene Russland würde sich zu einer Demokratie mit westlichem Wertemuster hin entwickeln.
Dieser naive Glaube wird bis heute von zahlreichen politischen Repräsentanten insbesondere in Deutschland vertreten. In diesem Sinne wurde Russland in zahlreichen Aktionen geholfen, bis hin in die Aufnahme der G9.
Russland hatte in diesem Kreise nie etwas zu suchen, denn es ist und bleibt ein Schwellenland, während die anderen Staaten Industrienationen sind. Der Wert aller russischen Aktien ist nicht einmal so viel Wert wie die Appel Aktien, um einen einfachen Vergleich zu bringen.
Ausschließlich der Besitz von zahlreichen Atomwaffen hebt Russland von den anderen Schwellenländern ab.
Nun hat ein ehemaliger KGB Agent Putin aus der Zeit des kalten Krieges die Macht in Russland übernommen und alle wesentlichen Merkmale einer Demokratie wie freie Wahlen, Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Justiz bis hin zur freien Nutzung des Internets abgeschafft.
Auf der anderen Seite, im Westen, stehen demokratische Staaten mit Gewaltenteilung, Pressefreiheit und demokratischen Wahlen sowie freiem Zugang zum Internet.
Während im Westen man bestrebt ist, die Souveränität der Staaten zu respektieren und Konflikte friedlich durch Verhandlungen zu lösen, strebt Russlands Präsident und ehemaliger KGB Mann Putin an, die alte Sowjet Union wieder auferstehen zu lassen, und dies mit den Mitteln und Wegen der UDSSR. Schwächere Staaten werden militärisch unter Druck gesetzt bis hin zur militärischen Unterstützung von Aufständischen bis zum verdeckten Einmarsch. Beispiele wie Moldawien und Abchasien zeigen, dass dies schon seit Jahrzehnten der Fall ist.
Der Westen hat sich, mit der naiven Hoffnung, Russland schwenke schon irgendwann auf das westliche Wertesystem ein, diesbezüglich immer auf Verhandlungen beschränkt und den einzelnen souveränen Staaten nicht die Möglichkeit gegeben, gegen von Russland ausgerüsteten und zum Teil auch mit russischen Soldaten aufgestellten und unterstützten Rebelleneinheiten vorzugehen. Man wolle Russland nicht provozieren, heißt es immer.
Es stellt sich die Frage, wer provoziert hier eigentlich wen?
Nun hat es ein Land, die Ukraine, gewagt, den eigenen politischen Weg zu gehen, und nicht mehr auf den wirtschaftlich – militärischen Druck Moskaus zu reagieren. Dies ist das Recht eines jeden souveränen Staates nach unserem, dem westlichen Wertemodell. Und dann kamen sie, die „grünen Männchen“, wie sie im Nato Jargon heißen. Russische Soldaten mit ihrem Kriegsgerät nur ohne Hoheitsabzeichen und besetzten und annektierten die Krim, ganz nach dem russischen Wertemodel.
Dies ist zum einen ein klarer Bruch internationaler Verträge, zudem ist dies ein klarer kriegerischer Akt. Russland hat 1994 im Vertrag von Sofia die Souveränität und die Grenzen der Ukraine garantiert, genauso wie die USA und Großbritannien. Die Ukraine hat im Gegenzug seine Atomwaffen abgegeben.
Die nach der Besetzung erfolgten Volksabstimmung auf der Krim, die keinerlei Maßstäben einer freien Wahl darstellte, kann diese Aggression und den Bruch des Völkerrechtes nicht aufheben.
Nach der Annektion der Krim kämpfen nun russische Soldaten für die Separatisten in der Ost -Ukraine, ausgerüstet mit den modernsten russischen Waffen. Ob diese nun direkt oder indirekt von Moskau kommandiert werden, ist zweitrangig. Diese Soldaten Russlands kämpfen in der Ost-Ukraine mit Wissen und Unterstützung des Kremls. Man möge sich mal vorstellen, tausende deutscher Soldaten würden im Urlaub für Kiew kämpfen, ausgerüstet von den USA und der Bundeswehr!
Was sind die russischen Ziele? Was will Putin?
Man kennt Putins Ziel, will es im Westen aber nicht wahr haben! Putin hat den Zusammenbruch der UDSSR als die größte geopolitische Katastrophe der Neuzeit bezeichnet. Von daher ist sein Ziel klar: Die Wiedererrichtung des russischen Imperiums, der russischen Hegemonialmacht in weiten Bereichen der Welt.
Wie Putin dies erzielen will, hat er vorgeführt. Wirtschaftlicher Druck, Beispiel Gaslieferungen, politischer Druck, Unterstützung von Separatisten bis hin zu militärischem Eingreifen durch Entsendung von Militär, das Beispiel Krim und die Ukraine sind dafür jüngste Beispiele.
Letzteres ist der Einsatz militärischer Mittel, und diesen Einsatz nennt man Krieg.
Putin führt, zur Erreichung seiner Ziele, auch Krieg, ohne irgendwelche moralischen Skrupel.
Wer die russische Geschichte studiert, wird feststellen, dass Russland die meisten militärischen Konflikte und Kriege, die es geführt hat, auch begonnen hat.
Erinnern wir uns an 1953 Niederschlagung des Aufstandes in der DDR, 1956 Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn, 1967 Niederschlagung des Aufstandes in der CSSR, 1979 Einmarsch in Afghanistan.
Hitler hat Polen erst angegriffen, nachdem er sich mit Stalin über die Aufteilung Europas geeinigt hatte, vorher hat Hitler dies nicht gewagt. Nach dem Angriff der Wehrmacht griff Russland 10 Tage später Ostpolen an und tötete u.a. ca. 10.400 gefangen polnische Soldaten und Zivilisten in Katyn. Das durch Russlands Aggression gegenüber Polen eroberte Gebiet wurde nach dem Krieg durch Russland von Polen gesäubert und dem Staatsgebiet der Ukraine zugeschlagen. Im Rahmen der Teilung Europas (Molotow – Ribbentrop Abkommen 1939) griff Russland auch u.a. auch Finnland und die baltischen Staaten an.
Putin hat einen ganz andere Werteskala als der Westen!
Er will die Übernahme des westlichen Wertemodels in anderen Staaten verhindern. Statt dessen will er sein Wertemodell der „gelenkten Demokratie“ nach dem Führerprinzip durchsetzen, im Kombination mit der Hegemonialmacht Russland. Man kann dieses Model auch einfach Diktatur nennen.
Von daher stimmt der Satz Poroschenkows: „Die Ukraine verteidigt den Westen!“ Und Putin hat Erfolg. Er herrscht in Russland ohne wenn und aber, die klare Mehrheit der Russen stehen hinter Ihm und auch hinter seinen Militäraktionen. Die westlichen Sanktionen treffen die Russen nicht ausreichend, um Putin und die Russen zum Einlenken zu bewegen. Die fast einhellige Unterstützung der russischen Bevölkerung hat er erreicht, weil er Krieg zur Erreichung seiner Ziele einsetzt.
Und wie verhält sich der Westen, was ist sein Ziel?
Der Westen möchte u.a. die Souveränität der Staaten und den Frieden erhalten, so wie es die EU seit Jahrzehnten vormacht. Nichts anderes wollen die Ukrainer auch. Zum Wertemodell des Westens gehören Verhandlungen, aber nicht in erster Linie der Einsatz militärischer Gewalt zur Konfliktbehebung.
Nun hat der Westen, allen voran Frau Merkel, eines nicht verstanden: Die Erhaltung westlicher Werte und zugleich Frieden ist nur dann möglich, wenn die andere Seite ebenfalls auf den Einsatz militärischer Gewalt verzichtet.
Wenn zehn Parteien an einen Tisch sitzen, und eine Partei beginnt einen Krieg, dann ist Krieg, egal was die anderen Parteien wollen.
Im Jugoslawienkonflikt haben wir das ganze schon einmal erlebt. Alle Verhandlungen und alle Drohungen haben den Konflikt nicht beendet. Die UN Truppen sahen zu, als in Srebrenica ca. 10.000 unbewaffnete Moslems ermordet wurden, unter den Augen der niederländischen UN Soldaten, die zum Teil sogar den Serben noch behilflich waren.
Als der Westen ohne UN Mandat eingriff, haben selbst die Grünen verstanden, dass die Sätze „nie wieder Krieg“ und „nie wieder Ausschwitz“ nicht gleichbedeutend sind, und das ein UN Mandat dann nicht nötig ist, wenn westliche Werte wie Massenmord zu verhindern sind.
Als der Westen eingriff, sagte ein junger CDU Abgeordneter namens Schwarz: „Wir wissen heute genauso viel wie 100.000 Tote vorher“. Ja, diese 100.000 Tote gab es, weil der Westen nicht bereit war, militärisch zu handeln und seine Werte zu verteidigen.
Nun bekennt sich ein Land, die Ukraine, nach demokratischen Wahlen mit einer klaren Mehrheit zum Westen und wird militärisch angegriffen von Russland.
Was macht der Westen? Er verhängt Sanktionen, die Putin auf Grund seiner anderen Wertewelt nicht besonders treffen. Militärische Stärke und Gewalt zählen in der russischen Bevölkerung mehr als die Folgen von Sanktionen.
Was ist seitens des Westens zu tun?
Wenn es das westliche Ziel ist, die Souveränität der einzelnen Staaten zu garantieren, um Kriege zu verhindern, dann muss eines klar werden: Wer einen Krieg beginnt, um seine Einflußsphäre zu vergrößern, muss diesen Krieg verlieren.
Wirtschaftlich – moralischer Druck allein auf Russland hat den notwendigen Druck nicht aufgebaut. Um zum Ziel zu kommen, Russland zum Abzug aus der Ostukraine inklusive Krim zu bewegen, muss zum einen Russland wirtschaftlich zum Kollaps gebracht werden. Erste wenn der einzelne Russe den Preis spürt, den dieser Krieg kostet, wird er zum Rückzug bereit sein. Dieser Weg wurde begonnen, muss jedoch verstärkt werden. Dies wird auch nur mittelfristig helfen.
Zur Zeit machen die ostukrainischen Russen/Rebellen massive Geländegewinne. Die Ukraine muss militärisch in die Lage versetzt werden, sich effektiv verteidigen zu können.
Die Ukraine wird nie in der Lage sein, Russland militärisch zu besiegen, dies ist auch nicht notwendig. Dies haben die Mujaheddin in Afghanistan auch nicht gekonnt. Aber die Mujaheddin haben die russischen Verluste so hoch getrieben, dass die glorreiche unbesiegbare russische Armee geschlagen abzog. Dies war der einzige Weg, die russische Armee aus Afghanistan zu vertreiben. Die Politik hat dies nicht geschafft!
Und genauso muss es in der Ostukraine geschehen. Die russischen Verluste müssen so hoch werden, dass Russland sich den Krieg nicht mehr leisten kann. Das dies möglich ist, hat Afghanistan gezeigt.
Es geht nicht nur um wirtschaftlichen Druck oder nur um militärische Hilfe, dies muss sowohl als auch erfolgen. Wer eine von beiden Wegen ausschließt, verliert. Denn der andere wird genau diesen Weg gehen, wie wir in der Ost-Ukraine sehen.
Das Szenario der Gegner der militärischen Hilfe für die Ukraine, dass dies zu einem Weltkrieg führe, ist falsch. Russland kann einen solchen Krieg nur verlieren, es besitzt nicht einmal im Ansatz die Industriekapazitäten und das militärische Mittel und das Know How, einen solchen Krieg mit Aussicht auf Erfolg zu führen. Zudem hat Afghanistan gezeigt, dass Russland auch bei der massiven Lieferung moderner Waffen seitens des Westens an die Mujaheddin sich ruhig verhalten hat. Und offiziell ist Russland nach Putins Worten ja auch in den Konflikt nicht involviert.
Der Weg des Westens, der Weg von Frau Merkel und Frau von der Leyen, die militärische Komponente auszuschließen, wird sich als Fehler erweisen. Dieser Fehler führt zu einem Glaubwürdigkeitsverlust des Westens zu einer Verlängerung des Krieges und damit zu mehr Toten.
Nicht der gute Wille führt zum Erfolg, den Krieg zu beenden und die westlichen Werte zu erhalten, nur Taten, und zu diesem gehört auch der Einsatz militärischer Mittel als letztes Mittel.
Die von mir hoch geschätzte Frau Merkel begeht hier den größten bisherigen Fehler ihre politischen Laufbahn. Sie mag es gut meinen, aber die Illusion ersetzt nicht die Realität, und dieser Realitätsverlust wird tausenden von Menschen zusätzlich das Leben kosten, so wie das Münchener Abkommen 1938 den Weltkrieg massiv förderte. Appeasement ist immer der falsche Weg!

Aachen, den 08.02.2015
A.E. Weyermann

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