Ukraine: Weniger Emotionen, mehr Realismus

Nach dem Raketenangriff auf dir Ukraine am 9.10.2022 und den damit verbundenen hässlichen Bildern wird es meiner Ansicht Zeit, einmal Luft zu holen und klar zu denken.
Was ist passiert: Laut ukrainischem Generalstab wurden 75 Raketen auf Zivileinrichtungen der Ukraine abgefeuert, davon wurden 43 Raketen abgefangen.
Wer sich die veröffentlichten Bilder genau ansieht, wird feststellen, dass die meisten der restlichen 32 Raketen ganz offensichtlich keine wichtigen Ziele getroffen haben. Es waren Kindergärten und Straßen darunter, aber nur wenige wichtige Gebäude, bei denen nachhaltiger Schaden verursacht wurde. Ja, auch ein paar Stromleitungen wurden getroffen.
Dies ist auch kein Wunder, denn Russland gehen schon seit Wochen, wie bekannt, die Raketen aus. Von daher wird oft mit S 300 Flugabwehrraketen geschossen, die weder einen besonders großen Sprengkopf noch eine besondere Präzision gegen Bodenziele aufweisen. Da Russland schon auf Grund des Chips Mangels keinen wesentlichen Nachschub an Raketen mehr liefern kann, ist diese Maßnahme abgesehen von ein paar hässlichen Bildern und dem Wissen, dass man nach wie vor Landesweit Städte mit Raketen theoretisch treffen kann, militärisch schlicht sinnlos.
Kadhjrow und vielen Russen mögen die Bilder gefallen, moralisch pervers wie sie nun mal veranlagt sind. Militärisch ändert sich die Lage nicht. Es erinnert eher an den Beschuss GB mit V1 und V2 Raketen von 1943 – 1945. Es weckte starke Emotionen in Dt, haben aber in keiner Form militärisch der Wehrmacht geholfen.
Im Gegenteil. Der Westen wird nun noch schneller Flugabwehrsysteme senden, um die Abfangrate der Raketen zu erhöhen, um solche Bilder zu unterbinden.
Und wie sieht es an der Front aus? Im Bereich Cherson (Südfront) werden die Russen westlich des Dnjepr immer weiter zusammengedrängt, sie verlieren immer mehr Gerät, insbesondere Luftabwehr und Artillerie. Für letzteres gibt es keinen Nachschub mehr über dem Dnjepr. Die beiden Brücken über den Dnjepr belieb unter Beschuss, sind teilweise zerstört und können für die Versorgung von ca. 20 – 25.000 Mann fast nicht genutzt werden. Hin und wieder kommt eine Fähre über den Fluss. Die Versorgungswege nach Cherson gehen über die Brücke von Kersch, die aktuell bekannter Maßen nun nur noch zu 50 % nutzt werden kann oder über Meltitopol, in dem Partisanen sehr aktiv sind und die Bahngleise in weiten Bereichen im Einzugsbereich der HIMARS liegen. Die Versorgung der Truppen um Cherson ist extrem aufwendig und verlustreich. Daher hat Kiew nur ein bedingtes Interesse an der Eroberung Chersons.
In Cherson sind zahlreiche Eliteeinheiten der Russen stationiert, der russ. Generalstab wollte schon vor Wochen Diese Truppen zurückziehen. Putin verweigerte dies. Bisher hat Putin nur einen militärischen Vorteil errungen, den Landweg zur Krim, die ohne diesen Landweg selbst mit der Brücke von Kertsch kaum zu versorgen ist. Insbesondere die Wasserversorgung der Krim kommt aus einer Talsperre des Dnjepr. Wenn die Truppen von Cherson zerschlagen werden, ist für die Ukraine der Weg in die Krim und nach Melitopol offen.
Nordfront: Wer sich für die Details interessiert, dem ist aufgefallen, dass im Norden der Ukraine, östlich von Charkow, laut ISW keine russ Kampf Bataillone stehen, im Gegensatz zu den Gebiete ca ab Bachmuth in Richtung Westen / Cherson. Die Ukraine rücken dort Stück für Stück östlich weiter vor und unterbrechen nach und nach die Bahnverbindungen. Mangels LKW ist die russ Armee existenziell auf diese Bahnverbindungen angewiesen. Die nächste militärische Katastrophe zeichnet sich hier ab. Aus diesen Gründen ist Irpin und Lyman an die Ukraine gefallen.
Noch versuchen die Russen mit aller Gewalt bei Bachmuth vorzustoßen. Wenn die Verbindungslinien nördlich getrennt werden, werden die Folgen für die ca. 80 russ Kampf Bataillone von bis zu 2000 Mann gravierend sein, und damit für das Gro des Restes des russ Heeres.
Ein Wort zur russ Luftwaffe. Sie hatte nie eine völlige Luftüberlegenheit. Ganz offensichtlich ist sie weder für Masseneinsätze trainiert noch mag sie Dogfights mit den technisch unterlegenen Ukrainern. Die Zahl der Luftwaffeneinsätze der Ukrainer auch zur Unterstützung der Bodentruppen steigt ständig, die Vernichtung der russ Flugabwehr u.a. durch Anti Radar Raketen der USA steigt ebenfalls massiv. Russ ist mehr und mehr der ukrainischen Luftwaffe ausgeliefert.
Das wesentliche in diesem Krieg ist die Moral. Sie ist nicht zahlenmäßig oder objektiv messbar. Wenn ich mir die „Militärexperten“ der ersten Tage anhöre, Bsp. General Vaß, der militärische Berater von Merkel oder Prof. Matula der BW-Uni in München, so stellt man eines fest, dass sie überdurchschnittlich falsch lagen. Insbesondere Merkels Schoßhündchen Vaß hat bis heute noch nie eine zutreffende Aussage getätigt. Wen wundert dies!
Viele Militärs zählen gerne Panzer und anderes Kriegsgerät. Mit dem Nahen Osten haben sie sich in der Regel offensichtlich alle nie beschäftigt. Hätten sie dies getan, wüssten Sie, dass die IDF zwischen 1 zu 3 bis 1 zu 20 in Sachen Rüstungsgütern den Arabern immer unterlegen waren. Entscheidend, ganz besonders 1948 und 1973 war die Moral und die Bereitschaft, zu kämpfen. Und hier haben wir die Parallele zur Ukraine. Dies ist bis heute keinem der Experten wirklich aufgefallen.
Ach ja, in der ersten Kriegswoche habe ich zu einigen Freunden, die sich bis heute daran erinnern, gesagt: Im Herbst, ca. August, kommt die ukrainische Gegenoffensive, und bis Weihnachten ist der Krieg militärisch entschieden, muss aber dann noch nicht vorbei sein. Am 30. August begann die Gegenoffensive bei Charkow! Ich freue mich auf das Weihnachtsfest und warte auf den Putsch im Kreml.
Aachen, den 11.10.2022
A. E. Weyermann