Lieutenant Robert G. Fenstermacher kehrt heim

 

Do, 23. Aug. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / Die Seite Drei / Seite 3

Chronologie

Lieutenant Robert G. Fenstermacher kehrt heim

Vor 67 Jahren wurde der US-Soldat über Roetgen abgeschossen. Ein Bergungsteam hat nun seine Geschichte freigelegt und den Ehering des Piloten gefunden.

Von René Benden

Sehr geehrter Herr,
als Antwort auf Ihren Brief vom 27. November 1945 bitte ich Sie, alle persönlichen Gegenstände von Robert G. Fenstermacher an diese Adresse zu senden. Die aktuelle Adresse ist: (…)

Hochachtungsvoll Mae Fenstermacher

Aachen. Als Mae Fenstermacher diesen Brief im Januar 1946 an die amerikanischen Behörden schrieb, hofften sie und ihre Schwiegertochter Edna inständig, möglichst bald die Erinnerungsstücke an den Sohn und Ehemann Robert in Händen halten zu können. Robert G. Fenstermacher war schon seit über einem Jahr tot. Gefallen im Zweiten Weltkrieg. Abgeschossen über der Eifelgemeinde Roetgen. Seine Leiche wurde nicht geborgen, weshalb er offiziell als vermisst gemeldet wurde. Doch weder Mae noch Edna sollten den Tag erleben, an dem die amerikanischen Behörden ihrem Wunsch vollständig nachkommen konnten. Denn erst heute, über 67 nach dem Tod Fenstermachers ist der letzte persönliche Gegenstand des amerikanischen Piloten geborgen worden: sein Ehering.

Mark Noah müht sich, aber findet keinen festen Stand. Seine Arme, seine Hose, sein Hemd sind bedeckt mit sandfarbenem Schlamm, der schnell in der Sonne trocknet. Der lehmige Boden am Rande des Hohen Venns hält Marks Gummistiefel in Knöchelhöhe fest umschlossen. Hier unten im Straßengraben von Petergensfeld liegt der Motorblock von Robert Fenstermachers Jagdbomber. Als er am zweiten Weihnachtsfeiertag 1944 abgeschossen wurde, grub sich der schwere turboaufgeladene Sternmotor seiner P47 Thunderbolt zwei Meter tief ins Erdreich. Noah befestigt den Block mit einer Kette an der Schaufel eines Baggers. Mit einem schmatzenden Geräusch gibt die Erde das Triebwerk des Kampfflugzeuges wieder frei.

Aluminium und Munition

Noah und sein Team haben eine Woche lang einen Garten in Petergensfeld bei Roetgen systematisch durchgegraben. Jeder Kubikmeter Erde wurde gesiebt und ausgewaschen. Stück für Stück haben sie ans Tageslicht gefördert, was von Fenstermachers letztem Flug übriggeblieben ist. Schrauben, Fetzen von Aluminium, Munition, Knochensplitter, Zähne und nicht zuletzt Fenstermachers Ehering. „Das Schicksal von Robert Fenstermacher ist nun eindeutig geklärt. Wir werden seine sterblichen Überreste in die Vereinigten Staaten überführen und nach Angehörigen suchen, denen wir seinen Ring aushändigen können. Unser Job ist hier getan“, sagt Noah. Er sieht zufrieden aus.

Mark Noah, kräftig, das dunkelblonde Haar unter einer Kappe verborgen, sieht in seiner Arbeitskleidung wie ein Mann aus der Straßenkolonne aus. Der US-Amerikaner ist Historiker und Pilot mit einer besonderen Schwäche für Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg. Er rief die Stiftung History Flight ins Leben. Noah und sein Team halten Kampfflugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg flugfähig, bieten Flüge und Flugtrainings an. Die gesellschaftlich bemerkenswertere Arbeit, die History Flight jedoch leistet, ist die Suche nach amerikanischen Soldaten, die während des Zweiten Weltkrieges im Einsatz starben und noch als vermisst gemeldet sind. „Bringing our missing servicemen back home“ (Wir bringen unsere vermissten Soldaten nach Hause) lautet die Devise von History Flight. Das klingt nach sehr viel Pathos. Doch wer die Akribie sieht, mit der Noah und sein Team vorgehen, bekommt eine Vorstellung davon, mit wie viel Respekt die US-Amerikaner die Toten d es Krieges behandeln.

„Rund 78 000 US-Soldaten des Zweiten Weltkrieges sind noch als vermisst gemeldet“, sagt Noah. „Wir wollen so viele wie möglich finden und zurückbringen.“ Und so reist er über die Schlachtfelder dieses Krieges. Eine dieser Reisen führte ihn 2011 in die Eifel. In Roetgen gab es noch genug Augenzeugen, die ihm davon berichten konnten, wie ein amerikanisches Kampfflugzeug am 26. Dezember 1944 abgeschossen wurde und in Petergensfeld niederging. Dabei wurde ein Wohnhaus völlig zerstört. Die Bewohner überlebten wie durch ein Wunder.

Heute steht Klaus Löhrers Haus dort, wo Robert Fenstermacher sein Leben verlor. Löhrer war die Geschichte seines Grundstücks nicht unbekannt. Als Mark Noah schon bei ersten oberflächlichen Untersuchungen im Winter 2011 erste Flugzeugtrümmer in Löhrers Garten fand, einigten sich die beiden Männer darauf, dass im August 2012 in großem Stil gegraben wird. Was die Männer dort in den vergangenen Tagen fanden, war nicht nur ein Flugzeugwrack. Sie öffneten ein Zeitfenster in eine immer noch junge Vergangenheit, die von Tod und Krieg geprägt war.

Als sich Robert Fenstermacher am Morgen des 26. Dezember auf den Pilotensitz schnallt, ist der Himmel gerade aufgeklart. Die kurzen Phasen mit guter Sicht sind für die US-Streitkräfte strategisch wichtig. Ihr Vormarsch am Boden ist in den winterlichen Ardennen und der Eifel ins Stocken geraten. Deshalb versuchen sie, sobald es das Wetter zulässt, ihre Luftüberlegenheit auszunutzen, um die deutschen Streitkräfte aus der Luft anzugreifen. Fenstermachers Befehl ist, das Terrain aufzuklären und Gelegenheitsziele zu bekämpfen. Das bedeutet, er patrouilliert hinter den feindlichen Linien und bekämpft Ziele, die er als deutsche Stellungen identifizieren kann. Zwar ist die deutsche Luftwaffe zu diesem Zeitpunkt schon stark geschwächt, doch diese Einsätze sind für die US-Piloten gefährlich, weil sie im Tiefflug absolviert werden. Wird eine Maschine getroffen, hat der Pilot kaum noch eine Chance, genügend Flughöhe zu gewinnen, um mit dem Falls chirm aussteigen zu können.

Fenstermacher sitzt am Steuer einer P47-Thunderbolt. Die als Jagdflugzeug konzipierte Maschine wird von den US-Streitkräften immer häufiger als Jagdbomber eingesetzt, weil sie groß, robust und fähig ist, schwere Außenlasten wie Bomben zu transportieren. Die Piloten schätzen die P47, weil sie auch mal einen Treffer wegstecken kann. Eine Eigenschaft, die Robert Fenstermacher an diesem Dezembertag 1944 aber nicht das Leben retten wird.

Fataler Irrtum

Als Fenstermacher mit seinen Staffelkameraden Roetgen überfliegt, erkennt er eine verdächtige Fahrzeugkolonne. Die US-Kampfflieger sind überzeugt, dass es sich dabei um deutsche Soldaten handeln muss. Ein Irrtum. Dort, am Boden der Eifel, sind bereits amerikanische Einheiten vorgerückt. Doch davon ahnen die Piloten in der Luft nichts. Sie entscheiden sich für einen Angriff. Im ersten Anflug gelingt es den Piloten nicht, ihr Ziel zu zerstören. Sie starten einen zweiten Anflug. Die US-Soldaten am Boden sind in einer verzweifelten Lage. Sie wissen, dass sie von der eigenen Luftwaffe angegriffen werden. Sie wissen auch, dass sie ihr Leben verlieren, wenn sie sich nicht wehren. Also nehmen sie die eigenen Kameraden mit Flugabwehrgeschützen unter Beschuss. Fenstermacher wird getroffen. Seine mit drei Bomben noch voll aufmunitionierte P47 stürzt ab und explodiert beim Aufschlag. Zwar erkunden die amerikanischen Bodentruppen die Absturzstelle, doch fü r eine Bergung bleibt keine Zeit. Sie nehmen nur Fenstermachers Erkennungsmarke mit. Danach planieren sie die Absturzstelle zu.

Trümmer in der Garage

67 Jahre später liegt das, was von Fenstermachers P47 übriggeblieben ist, in Klaus Löhrers Garage. Er steigt über kleine Stücke aus zerfetztem Aluminium. In einer Ecke liegt ein verstümmeltes Rotorblatt, ein paar Meter weiter vier verbogene Browning Maschinengewehre Kaliber 50 – die Bordwaffen der P47. Mark Noahs Team hat alle Fundstücke hier zusammengetragen. „Manche Teile taugen vielleicht noch für ein Museum, das meiste aber ist nur noch Schrott“, sagt Löhrer. Er will ein Mahnmal für Robert Fenstermacher vor seinem Haus errichten.

In einer kleinen unscheinbaren Plastikbox auf dem hölzernen Klapptisch in der Garage liegt der eigentliche Grund für Mark Noahs Arbeit in Deutschland: die sterblichen Überreste Robert Fenstermachers. Lediglich Splitter seiner Knochen, ein paar Backenzähne mit Füllungen, anhand derer die Identität Fenstermachers eindeutig geklärt wurde, sind übrig. Und – verpackt in einer kleinen Tüte – sein Ehering. „Wir wissen, dass er mit Edna Fenstermacher aus Brooklyn verheiratet war, wir wissen, dass Edna 2000 gestorben ist. Wir wissen, dass sie einen Sohn hatte“, sagt Noah, und fügt an: „Wir wissen nicht, ob es der gemeinsame Sohn dieser Ehe ist.“ Das will Noah nun rausfinden, um den Ring seinem rechtmäßigen Besitzer geben zu können. Robert Fenstermacher hat seine letzte Reise angetreten.

Das Thema: Bergung eines abgeschossenen US-Piloten

Letzte Stunden

E 26. Dezember, 12 Uhr: Die Wolkendecke über der Westfront ist aufgerissen. Für Lieutenant Robert G. Fenstermacher und seine 506. Fighter Squadron sind diese Wetterverhältnisse immer das Zeichen für einen Angriff. Fenstermacher startet vom vorgezogenen amerikanischen Feldstützpunkt A92C. Fenstermacher ist ein erfahrener und ausgezeichneter Pilot. Für ihn ist es bereits der 54. Feindflug.

E 13 Uhr: Fenstermacher beobachtet in Roetgen eine verdächtige Fahrzeugkolonne. Er denkt, dass es sich dabei um deutsche Einheiten handeln muss. Ein Irrtum, denn das unter ihm sind amerikanische Soldaten, die nach Roetgen vorgerückt sind. Doch das erkennt Fenstermacher nicht. Mit seinem Flügelmann Lieutenant Kenneth Cobb startet er einen Angriff auf die Kolonne. Cobb wirft zwei Bomben, Fenstermacher schießt vermutlich mit seinen Maschinengewehren.

E 13:10 Uhr: Cobb bemerkt, dass Fenstermacher beim ersten Angriff keine seiner drei Bomben abgeworfen hat. Fenstermacher teilt ihm über Funk mit, dass er erneut angreifen will. Cobb dreht ab, um ein anderes Ziel anzugreifen. Er sieht seinen Kameraden Robert Fenstermacher nie wieder.

E 13:12 Uhr: Die amerikanischen Soldaten am Boden erkennen, dass sie erneut von einem eigenen Jagdbomber angegriffen werden. Es gibt keinen Kontakt zu dem Piloten, um ihn auf das fatale Missverständnis aufmerksam zu machen. Sie sehen ihre einzige Überlebenschance darin, den eigenen Jagdflieger abzuschießen. Sie eröffnen das Feuer mit ihren Flugabwehrgeschützen.

E 13:13 Uhr: Fenstermachers P47 wird schwer getroffen. Sie stürzt ab.

E 13:15 Uhr: Zahlreiche Einwohner Roetgens haben den Kampf zwischen den amerikanischen Soldaten beobachtet und sehen, wie Fenstermachers Maschine auf ein Grundstück in Petergensfeld stürzt und explodiert. Das Haus auf dem Grundstück fängt sofort Feuer und brennt total aus. Zum Zeitpunkt des Unglücks befinden sich zwei junge Frauen im Keller des Hauses. Beide überleben.

E 14:00 Uhr: US-Soldat Lieutenant Carroll Ross hat den Absturz beobachtet und erreicht die Absturzstelle, während die Trümmer von Fenstermachers Maschine noch brennen. Die Trümmer sind über ein Fläche von fast einem Hektar verteilt. Carroll ist sich sicher, dass der Pilot den Absturz nicht hat überleben können. Er hat keinen Fallschirm gesehen. In den Trümmern findet er einige Kleidungsstücke von Fenstermacher, wenige Körperteile und die Erkennungsmarke des Piloten. Er nimmt die Erkennungsmarke und einige Fetzen Kleidung Fenstermachers an sich und übergibt sie dem kommandierenden General der 78. Infanterie-Division. In seiner Zeugenaussage vom 30. März 1944 gibt er an, sicher zu sein, dass die sterblichen Überreste des Piloten in den Flammen der Maschine verbrannt sein müssen.

„Rund 78000 US-Soldaten des Zweiten Weltkrieges sind noch als vermisst gemeldet. Wir wollen so viele wie möglich finden und zurückbringen.“

Mark Noah, Begründer der Stiftung History Flight

3 Gedanken zu „Lieutenant Robert G. Fenstermacher kehrt heim

  1. ich habe bei den Baggerarbeiten zugeschaut ,das an dieser stelle ein US Pilot ums Leben gekommen ist berührt einen.Persönlich es sind nur trümmer übrig geblieben von diesen schönen Flugzeug. ich interessiere mich für alte Flugzeuge aus dem 2 Weltkrieg es liegen bestimt noch viele Maschinen in der Erde ,doch leider ist es schwer diese zu finden ohne Zeitzeugen
    ich finde es sehr gut wenn nach vermissten Piloten gesucht wird einfach Super
    für mich ist es nich ganz begreifflich das erst nach über 67 Jahren damit begonnen wurde . dafür habe ich keine erklärung..
    ich Wünsche dem US Team viel erfolg bei ihren nächten ausgrabungen. ..
    seid schön vorsichtig beim graben teilweise kann noch Scharfe Munition bei den trümern liegen. die ist mit grosser Vorsicht zu behandeln.
    Gruss Georg

  2. I am a grandson of Mae Fenstermacher and nephew of Robert Fenstermacher, who died in the war before I was born. My mother, Lois Mae Fenstermacher Carroll, His sister, passed away earlier this year. She was the last of the siblings to die. There are many other nephews and neices who would like to know any more information about finding the remains of Robert Fenstermacher

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