Oskar Lafontaine auf dem „Pegida“-Trip

Mo, 19. Jan. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Blickpunkt / Seite 2

Oskar Lafontaine auf dem „Pegida“-Trip

Der Ex-Linken-Chef spielt mal wieder mit Kampfbegriffen der Nazis und heutiger Rechter

Von Werner Kolhoff

Berlin. Er hat es wieder getan. In der Zeitung „Junge Welt“ schreibt Oskar Lafontaine dieser Tage über „die Mainstreammedien und die Systemparteien SPD und Grüne“. Im Oktober hatte er in einem anderen Zeitungsbeitrag den „Systemparteien CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen im Verein mit den deutschen Medien“ vorgeworfen, die Linke wegen ihres außenpolitisches Kurses anzugreifen.

Der frühere Vorsitzende der Linkspartei benutzt damit sehr systematisch einen Begriff, der bei den „Pegida“-Demonstrationen wieder in Mode gekommen ist und wie etliche andere eine höchst problematische Vorgeschichte hat. „Systemparteien“ war die zentrale, abwertende Bezeichnung der Nationalsozialisten für die demokratischen Parteien der Weimarer Republik, das Wort „Systemzeit“ stand für die Zeit vor der Machtergreifung. Man darf annehmen, dass Lafontaine das sehr genau weiß.

„Systempresse“ gehörte damals auch zum Nazi-Wortschatz. Daraus ist bei „Pegida“ heute die „Lügenpresse“ geworden – das Unwort des Jahres. Die Tatsache, dass Lafontaine in seinen aktuellen Texten stets den Begriff „Systemparteien“ mit den Medien verbindet, zeigt, wie nahe er diesem Denken ist.

Allerdings benutzt er selbst den Begriff „Lügenpresse“ nicht. 1993, als er im Mittelpunkt eines persönlichen Skandals stand, sagte er stattdessen „Schweinejournalismus“. Jetzt – im Aufsatz der „Jungen Welt“ – nennt er die Presse „Mainstreammedien“. Er will offenbar unterstellen, dass fast alle Journalisten wie an einem Gängelband einer Hauptströmung, dem System, folgen – ohne eigenes Denken.

Ein anderes Nazi-Wort ist „Fremdarbeiter“. Das benutzte der Lafontaine im Jahr 2005 ebenfalls, als es gegen die Agenda-Reformen und um die neuen EU-Mitglieder aus Ost-Europa ging. „Der Staat ist verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter ihnen zu Billiglöhnen die Arbeitsplätze wegnehmen.“ Damals schrieb er auch: „Die forcierte Zuwanderung wird in Deutschland einzig von den oberen Zehntausend gefordert.“ Die, so Lafontaine weiter, „schicken ihre Kinder auch nicht auf Grundschulen, in denen die Zahl der Ausländerkinder überwiegt“. Das alles würde jeder in Dresden heute unterschreiben, selbst wenn es dort kaum Ausländerkinder gibt.

Mit der AfD und vielen „Pegida“-Demonstranten ist sich Lafontaine auch in weiteren Punkten weitgehend einig: Er will den Euro abschaffen und die nationalen Währungen wiederhaben. Und in der Ukraine war es aus seiner Sicht der „Wortbruch des Westens“, die „einseitige Osterweiterung der Nato“, die zu der Krise geführt hat. Kein Wort von der Krim-Annexion.

Zum Vergleich: Im Dezember kritisierte „Pegida“-Initiator Lutz Bachmann unter dem Beifall der Demonstranten in Dresden „die Kriegstreiberei unserer Regierung, wie das aktuelle Beispiel Russland zeigt“. Auf Plakaten war damals unter anderem „Weg mit der Kriegstreiber-Regierung“ und „Putin, hilf uns!“ zu lesen. Lafontaine kann sich trösten: Er wäre, siehe Horst Mahler, der ehemalige Anwalt von RAF-Terroristen, nicht der erste Linke, der sich beim Versuch noch größerer Radikalität ins andere Extrem verirrt hätte.

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