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Mi, 6. Feb. 2013 Verboten, verunsichert. Aber nicht verschwunden. Fünf Monate nach dem Verbot der „Kameradschaft Aachener Land“ mehren sich die Hinweise, dass der Kern der Gruppierung immer noch aktiv ist von Michael Klarmann Aachen. Es war ein provokativer Auftritt am 25. August 2012. Mit einer Kundgebung in der Dürener Fußgängerzone warben rund 35 Neonazis für einen rechten Aufmarsch in Dortmund. Als Moderator und Anmelder fungierte der ehemalige „Kameradschaftsführer“ der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL), René L. Zwei Tage zuvor war die KAL verboten worden, die Polizei hatte 48 Wohnungen oder Haftzellen der Mitglieder durchsucht und dabei auch 77 Waffen oder gefährliche, waffenähnliche Gegenstände beschlagnahmt. Obschon das Thema der Versammlung nicht das KAL-Verbot war, konnte der grobschlächtige Neonazi-Glatzkopf sich einen rhetorischen Seitenhieb auf Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) nicht verkneifen. An diesen gerichtet sagte Laube: „Trotz Verbot sind wir nicht tot!“ Erheblich geschwächt Das Verbot der „Kameradschaft Aachener Land“ durch Jäger ist nun rund fünf Monate her. Personen aus dem Umfeld der Gruppe oder ideologisch weniger gefestigte Mitglieder wurden durch die Aktion verunsichert. Sie zogen sich zurück ins Privatleben oder werden sogar durch das Aussteiger-Programm des Landesinnenministeriums betreut. Doch schon damals wies die Polizei darauf hin, dass ein Verbot zwar die Lage beruhigt, die Razzia Neonazis verunsichert und deren Organisationsstrukturen erhebliche schwächt. Jedoch werde der harte Kern aktiv bleiben, sich vielleicht umstrukturieren. Unterdessen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass dies längst geschehen ist. So soll seit dem Wochenende die neonazistisch geprägte Splitterpartei „Die Rechte“ mit eigenen Kreisverbänden in Aachen und Heinsberg aktiv geworden sein. Obschon die Partei mit ihrem Namen andeuten will, keinen neonazistischen Hintergrund zu haben und sie sich angeblich politisch zwischen der rechtsradikalen Splitterpartei „Pro NRW“ und der rechtsextremen NPD positionieren will, gehören ihr in Nordrhein-Westfalen maßgeblich Mitglieder verbotener Neonazi-Gruppen an. Auch im Raum Aachen prägen ehemalige Mitglieder der verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) oder Personen aus deren engstem Umfeld die neuen Verbände. Die Partei „Die Rechte“ wurde an Pfingstsonntag 2012 in Hamburg durch ehemalige Mitglieder der rechtsextremen, fremdenfeindlichen Partei DVU und Neonazis rund um Christian Worch gegründet. Worch, ein bundesweit bekannter Neonazi, der wiederholt auch bei den fremdenfeindlichen Aufmärschen in Stolberg als (Mit-)Organisator und Redner fungierte, ist zugleich Parteichef. In NRW gründeten sich seit Ende vergangenen Jahres sowohl ein Landesverband als auch verschiedene Kreisverbände von „Die Rechte“. Geprägt sind jene Kreisverbände und auch der Landesverband durch Neonazis und „Autonome Nationalisten“ (AN) aus dem militanten Spektrum. Führungskader der am 23. August 2012 neben der KAL zudem verbotenen Gruppen „Nationaler Widerstand Dortmund“ und „Kameradschaft Hamm“ bilden teilweise auch die Führungsgremien in den verschiedenen Gliederungen der „Rechten“ in NRW. So stellte Ende Januar 2013 der Landesverfassungsschutz denn auch fest, im NRW-Landesverband der Partei würden sich die Neonazis verbotener Gruppierungen neu sammeln. Vermutlich handele es sich bei der Organisation auch nicht um eine echte Partei, sagte Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier Ende Januar im Innenausschuss des Landtags. Es bestehe daher der Verdacht, dass das Parteienprivileg bewusst missbraucht werde. Das NRW-Innenministerium prüft nun rechtliche Maßnahmen. So wird etwa auch geprüft, ob die Partei eine verbotene Ersatzorganisation der früheren Neonazi-Banden ist. Der Landesverfassungsschutz schätzt, dass die Splitterpartei derzeit 130 Mitglieder in NRW hat. Schon im November 2012 gab es deutliche Hinweise darauf, dass der harte Kern der KAL weiter aktiv ist. So kursierte seinerzeit ein Flyer im Internet, mit dem für Anfang Dezember 2012 zu einer Geburtstagsfeier einer Seniorin, die der KAL zugerechnet wurde, eingeladen wurde. Die Rentnerin wurde auf dem unserer Zeitung vorliegenden Szene-Flyer, der in seiner Optik und in Textpassagen früheren KAL-Flyern ähnelte, als „Mutter der Kompanie“ bezeichnet. Als Ort für die konspirativ vorbereitete Feier wurde das „Aachener Land“ angegeben, fast so, als wollten die Produzenten, nämlich ehemalige KAL-Kader, provokativ darauf hinweisen, weiter aktiv zu sein. Auch die Gründung der Kreisverbände von „Die Rechte“ arbeitet mit solchen, wenn auch eher versteckten Provokationen und Botschaften. Laut Parteiveröffentlichungen wollen sich die beiden Kreisverbände, die eng kooperieren und gemeinsame Internet-Auftritte nutzen, am 2. Februar bei einer Versammlung gegründet haben. Während der Kreisverband in Heinsberg für das dortige Kreisgebiet zuständig sein soll, soll der Kreisverband Aachen ein Zusammenschluss von Mitgliedern aus dem Raum Aachen und Düren sein. Die KAL war seinerzeit in drei „Sektionen“ unterteilt: Aachen, Düren und Heinsberg. Eine Reihe ehemaliger Mitglieder Auf Anfrage bestätigte das Kommissariat „Rechts motivierte Kriminalität“ (Remok) des Polizeipräsidiums Aachen, dass bei der Versammlung unter den rund 30 Besuchern eine Reihe ehemaliger Mitglieder der verbotenen KAL anwesend war. Die Polizei hat das Treffen in einem von den Neonazis angemieteten Versammlungsraum im Raum Nörvenich beobachtet und einige der Besucher kontrolliert. Kaum zufällig dürfte dabei auch der Termin für den „Gründungsparteitag“ (Zitat „Die Rechte“) gewesen sein: Die im August 2012 verbotene KAL hatte sich nach eigenen Angaben am 1. Februar 2002 gegründet – elf Jahre später formieren sich ausgerechnet jene beiden regional aktiven Kreisverbände von „Die Rechte“, in der auch ehemalige KAL-Leute aktiv sind, an einem 2. Februar. Presserechtlich verantwortlich für die Homepages der beiden neuen Verbände ist zudem ein ehemaliges KAL-Mitglied aus Aachen. Höhnisch und drohend hatte die Neonazi-Bande sich wenige Stunden nach ihrem Verbot am 23. August 2012 schon auf ihrer Internetseite geäußert: „Wir sind verboten. Na und?“ Man bleibe auch ohne Gruppenstatus weiter aktiv und werde „viele Aktionsformen“ nutzen. Die Mitglieder würden nun „alle schön verstreut“ und „versprengt“ aktiv sein, „und niemand hat mehr die Kontrolle über die einzelnen Akteure. […] Willkommen im Chaos. Viel Spaß damit!“ |