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Vorerst keine Hilfe von Reul und Laschet
Probleme mit illegaler Migration an Westgrenze: Die Landesregierung sieht im Moment keinen Handlungsbedarf
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07.07.2018
Vorerst keine Hilfe von Reul und Laschet
Probleme mit illegaler Migration an Westgrenze: Die Landesregierung sieht im Moment keinen Handlungsbedarf
Von Marlon Gego
Aachen/Düsseldorf Das Land Nordrhein-Westfalen hat keine Pläne, die „enormen Probleme mit illegaler Migration an der Westgrenze“, von denen Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kürzlich sprach, zu lösen oder zu deren Lösung beizutragen. Das teilte gestern das Landesinnenministerium auf Anfrage unserer Zeitung mit. Minister Herbert Reul (CDU) war zu keiner persönlichen Stellungnahme bereit, auch Laschet wollte gestern zu diesem Thema keine Auskunft geben. Ein Sprecher des NRW-Innenministers erklärte, für die Grenze sei die Bundespolizei zuständig, nicht die Landespolizei. Gefragt sei also der Bund, nicht das Land,.
Verstärkte Schleierfahndung?
Aus internen Dokumenten der Bundespolizei, die unserer Zeitung vorliegen, geht hervor, dass im laufenden Jahr fast 50 Prozent mehr illegale Einreiseversuche an der belgisch-deutschen und der niederländisch-deutschen Grenze entlang Monschau, Aachen und Wassenberg festgestellt worden sind. Für die Sicherung dieser Grenzen ist die personell seit längerem ausgeblutete Bundespolizeiinspektion Aachen zuständig („Die vergessene Grenze an der A 44“, Ausgabe vom 5. Juli), der Kontrolldruck ist niedrig. Der Sprecher des NRW-Innenministeriums erklärte gestern, es sei „nicht belegt, dass sich die Situation an der Westgrenze geändert“ habe – obwohl die gestiegenen Zahlen der festgestellten illegalen Einreisen dokumentiert sind, ebenso wie die Tatsache, dass mittlerweile fast jeder vierte Asylantrag in Nordrhein-Westfalen gestellt wird.
Die große Koalition in Berlin hatte am Donnerstag unter anderem den „verstärkten Einsatz von Schleierfahndungen“ der Bundespolizei an den Grenzen beschlossen. Wie dieser verstärkte Einsatz an den Grenzen der Region, insbesondere an der belgisch-deutschen Grenze an der A 44, möglich sein soll, ist unklar. Das Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU), dem Dienstherrn der Bundespolizei, erklärte vor einigen Wochen auf Anfrage unserer Zeitung, dass „der personelle Auffüllungsgrad der Bundespolizeiinspektion Aachen (…) nach wie vor vergleichsweise eher niedrig“ sei. Bei der „Bemessung der Dienstpostenanzahl für eine Bundespolizeiinspektion“ seien jedoch „die Faktoren Urlaub, Krankheit und Fortbildung der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten (…) erhöhend berücksichtigt, um die Aufgaben (…) in der vorgesehenen Weise wahrnehmen zu können“.
Die im Moment nur etwa 170 Bundespolizisten der Inspektion Aachen sind für die Sicherheit von 204 Kilometern Grenze, von 44 Bahnhöfen und drei Flugplätzen in der Region zuständig. Doch nach Recherchen unserer Zeitung ist die Inspektion an manchen Tagen kaum in der Lage, auch nur einen einzigen Streifenwagen auf die Straße zu schicken. Größere Kontrollen wie vergangenes Wochenende sind im Wesentlichen nur dann möglich, wenn die Aachener Inspektion punktuelle Verstärkung aus anderen Inspektionen erhält. Das bestätigte 2017 auch Inspektionsleiter Roland Goerke.
Wie konnte es nur so weit kommen?
Unterstützung von der nordrhein-westfälischen Landespolizei, etwa vom Präsidium Aachen, kann die Bundespolizei im Moment nicht erwarten. Ein Sprecher von Innenminister Reul, Dienstherr der Landespolizei, sagte gestern, dass Schleierfahndung der Bundes-, nicht aber der NRW-Landespolizei erlaubt sei. Die geplante Novelle des Landespolizeigesetzes sehe lediglich „Strategische Fahndung“ vor, die jedoch „nur anlassbezogen erfolgen kann“, wohingegen es für die Schleierfahndung keines konkreten Anlasses bedarf. „Wenn die Landes- die Bundespolizei unterstützen soll, müssten dazu erst mal Vorschläge aus Berlin kommen“, sagte Reuls Sprecher. In Bayern hingegen wird die Bundespolizei seit Jahren von der Landespolizei unterstützt.
Dass es überhaupt so weit kommen konnte, dass der Personalbestand der Aachener Bundespolizei bis nahe an die Handlungsunfähigkeit reduziert wurde, ist nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) auch internem Versagen geschuldet. „Wenn das Bundespolizeipräsidium dem Bundesinnenministerium über Jahre meldet, dass alle Aufgaben erfüllt werden können, bekommt man eben auch kein neues Personal“, sagte Arnd Krummen, Mitglied im GdP-Vorstand NRW, diese Woche unserer Zeitung.
Mit einer leichten Besserung der Situation ist erst ab Frühjahr 2019 zu rechnen, wenn etwa 7000 zusätzliche Bundespolizisten ihren Dienst aufnehmen werden. Das Bundesinnenministerium teilte mit: „In die Überlegungen zur konkreten Zuordnung der auf der Grundlage der Planstellenzuwächse neu einzurichtenden Dienstposten zu einzelnen Dienststellen der Bundespolizei sind alle Dienststellen, auch die Bundespolizeiinspektion Aachen, einbezogen.“ Gewerkschafter Krummen befürchtet allerdings, dass die zusätzlichen Planstellen „kaum ausreichen werden, um die kommenden Pensionierungswellen abzufedern“.