Junge Rechtsradikale haben sich mit dem urbanen Lebensstil angefreundet – und das birgt Gefahren. Ihr Name: Nazi-Hipster, kurz „Nipster“.
Von Jonas-Erik Schmidt
Berlin. Vollbart, Jutebeutel – und rechtsextrem. Vegan, umweltbewusst – und rechtsextrem. Wer sich zurzeit mit der politisch rechten Szene beschäftigt, stößt auf scheinbare Widersprüche. Und einen neuen Typen: den „Nipster“.
Das Kunstwort setzt sich zusammen aus Nazi und Hipster, dem manchmal etwas abfällig genutzten Begriff für szenebewusste Großstadtbewohner. Gemeint sind junge Rechtsradikale, die so ganz anders auftreten als die kahlrasierten und Springerstiefel tragenden Neonazis früherer Jahre. Prominenz verschaffte den Nipstern jüngst das US-Magazin „Rolling Stone“ mit einer langen Reportage aus Deutschland („Heil Hipster“). Auch andere Medien griffen das Phänomen auf. Die grobe Charakterisierung: Nipster bedienen sich angesagter Modestile, wirken wie ein Teil der urbanen Subkultur und bewegen sich selbstverständlich in den sozialen Netzwerken. Die Frage dahinter: Wie gefährlich ist rechte Ideologie, wenn sie trendy verpackt wird?
Zumindest lässt sie sich von außen schwerer erkennen. Eine gefährliche Gesinnung drückt sich nicht mehr in kahlen Schädeln und Springerstiefeln aus. Neonazis könnte es damit auch deutlich leichter fallen, Zugang zu Jugendlichen zu finden, warnen Experten – weil sie zunächst gar nicht als so radikal wahrgenommen werden.
„Man schafft auf der einen Seite breitere Anschlussflächen“, sagt Nils Schuhmacher von der Hochschule Esslingen. Die Möglichkeiten hätten sich erweitert. Ob sich das für die Rechten tatsächlich auszahlt, ist für den Kriminologen allerdings noch offen. Gleichzeitig verliere die Szene nämlich für ihre Anhänger an Kontur.
Veganismus hätte man früher zumindest nicht per se zur Kultur der rechten Szene gezählt. Dass es den Verzicht auf tierische Produkte mittlerweile auch dort gibt, beweisen zwei junge Männer mit Sturmhauben, die als Beispiele für die neuen Nazis angesehen werden. In ihren Youtube-Videos kredenzen sie Gerichte wie „Gebräunte Auberginen“ und „Neuschwabenland Käsekuchen“. „Balaclava Küche“ nennen sie das – Balaclava ist ein anderer Name für Sturmhaube. Was in der Kochschule in den Topf kommt, könnte auch im Berliner Prenzlauer Berg oder im Hamburger Schanzenviertel Zuspruch finden. Ob die beiden das ernst meinen oder vielleicht als Satire sehen, wird nicht ganz klar. Eine politische Botschaft haben die Fleisch-Verächter jedenfalls: „Achtet auf die Herkunft der Sachen!“ Genauer: „Israel-Wixxe“ gehöre nicht in den Einkaufswagen. Hintergrund der Nipster-Bewegung bildet eine Entwicklung, die Experten sei Jahren beobachten. „Erscheinungsbilder des Rechtsextremismus haben sich dramatisch verändert – bis hin zu dem, was dann unter dem Etikett ,Nipster‘ firmiert“, sagt Thomas Pfeiffer, Lehrbeauftragter an der Uni Bochum zum Thema Rechtsextremismus und Referent im Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen. Klar: Es gebe immer noch jene, die den alten Germanen mimen – aber auch jeden zeitgenössischen Look. „Wenn sich Teile der Szene beim Hip-Hop bedienen, interessiert es sie offenbar nicht, ob das widerspruchsfrei mit Rassismus und Neonazismus in Einklang zu bringen ist.“
Früher war das anders. Lange prägten Skinheads das Gesicht der Szene und wurden zum Symbol für den hässlichen Deutschen. „Der Inhalt hat sich in vielen Teilen fast nicht verändert. Aber die Verpackung hat sich gewaltig gewandelt“, stellt Pfeiffer fest.
„In den vergangenen fünf bis zehn Jahren ist in der rechtsextremen Szene eine Zuwendung zur Popkultur deutlich geworden“, meint auch Karsten Wilke von der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus NRW, der oft an Schulen gerufen wird, wenn Jugendliche Kleidung rechter Szene-Marken tragen. Kriminologe Schuhmacher von der Hochschule Esslingen formuliert es so: „Der Skinhead als hegemoniale jugendkulturelle Figur des Rechtsextremismus hat abgedankt.“
„Man schafft
auf der einen Seite
breitere Anschlussflächen.“
Nils Schuhmacher,
Hochschule Esslingen
„Erscheinungsbilder des Rechtsextremismus haben sich dramatisch verändert.“
Thomas Pfeiffer, Referent
im Verfassungsschutz NRW