Diesmal trafen die Schüsse ein Wohnhaus

Fr, 21. Jun. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 13

Diesmal trafen die Schüsse ein Wohnhaus

Gezielte Attacke auf die elterliche Wohnung eines ausgestiegenen Neonazis? Behörden sehen zurzeit keinen politischen Hintergrund. Zwei Leichtverletzte.

Von Heiner Hautermans

Aachen. Schon wieder eine Schießerei in Aachen. Nachdem am Montagabend Schüsse auf eine Gruppe junger Männer im Bereich Jülicher Straße/Metzgerstraße abgegeben wurden und durch glückliche Umstände nur zwei von ihnen leicht verletzt wurden, fielen in der Nacht zum Donnerstag kurz vor 4 Uhr mehrere Schüsse in einem Wohngebiet in Richterich. Sie wurden abgefeuert auf ein Mehrfamilienhaus an der Paul-Gerhardt-Straße, in dem vor einiger Zeit ein 19-jähriger Neonazi in der Wohnung seiner Eltern lebte. Zwei Kugeln durchschlugen den Rolladen und die Fensterscheibe, durch Splitter trugen innen nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwei Personen leichte Verletzungen davon.

Die Wohnung im Erdgeschoss wurde im September 2010 durchsucht, weil die Berliner Staatsanwaltschaft dem jungen Mann und einem 25-jährigen Mittäter die Vorbereitung eines Sprengstoff-Verbrechens zur Last legte. Beide hatten sechs Silvesterknaller mit Glasscherben präpariert und zu einer Demonstration von Rechten am 1. Mai nach Berlin mitgenommen, um Polizisten und Gegendemonstranten zu verletzen. Zu dem Aufmarsch waren Neonazis aus dem Dreiländereck gemeinsam von einem Parkplatz am Tivoli aus losgefahren. Angesichts starker Vorkontrollen am Prenzlauer Berg in Berlin waren die scharf gemachten Böller aber weggeworfen worden, an ihnen wurden dann die DNA der beiden jungen Aachener entdeckt. Sie gaben später auch zu, die Bomben, die bei Menschen schwere Verletzungen hervorgerufen hätten, gebastelt zu haben.

Beide jungen Männer wurden im Februar 2012 zu zwei Jahren Bewährungsstrafe verurteilt. Der Prozess fand seinerzeit schon unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen statt, um die geständigen Täter vor Übergriffen aus dem Nazi-Umfeld zu schützen, unter anderem war vor dem Aachener Landgericht eine Polizeihundertschaft eingesetzt. Verurteilt wurden beide auch wegen rechtsextremistischer Schmierereien am jüdischen Friedhof und den Parteibüros linker Parteien sowie wegen des Versuchs, das „Autonome Zentrum“ in Brand zu stecken.

Der 19-Jährige, der sich seit seinem 15. Lebensjahr in der rechtsradikalen Szene bewegt hatte und mehrfach verurteilt wurde, erhielt zur Auflage, ein Aussteigerprogramm zu absolvieren. Fühlten sich jetzt seine ehemaligen Kameraden verraten und feuerten deshalb auf das Kinderzimmer des 19-Jährigen? Der junge Mann sitzt zurzeit allerdings eine Haftstrafe von drei Jahren ab und war nicht in der Wohnung.

Die Behörden wollen diesen Zusammenhang nicht bestätigen. Staatsanwalt Jost Schützeberg: „Wir ermitteln in alle Richtungen. Derzeit liegen uns keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein politisch motivierter Hintergrund existiert. Das Motiv ist noch unbekannt.“ Die Ermittlungen werden geführt wegen eines versuchten Tötungsdelikts, zwei Kugeln durchschlugen kurz vor 4 Uhr einen Rollladen und eine Fensterscheibe, eine blieb im Mauerwerk stecken.

Auf dem gepflasterten Weg vor dem Haus sind fünf Stellen markiert, möglicherweise lagen dort Hülsen, in der Hauswand sind jedoch nur drei Stellen markiert. Polizisten rückten am Vormittag noch einmal in zwei Mannschaftswagen an, zehn Männer und Frauen suchten, teilweise mit schusssicheren Westen gewappnet, die direkte und weitere Umgebung des Hauses nach Beweismitteln ab. Sie wurden aber offenbar nicht fündig.

Ein Nachbar im Gebiet Schönauer Friede, der seinen Hund ausführt, zeigt sich von der Entwicklung nicht überrascht: „Das war ja lange zu erwarten.“ Schon häufiger habe es in der Straße Polizeieinsätze gegeben. Die Täter hätten sich offenbar genau ausgekannt: „Die wussten, dass die Kinderzimmer nach vorne heraus liegen. Die wussten genau Bescheid.“

Zur Tatwaffe wollten die Fahnder keine Angaben machen, es habe sich aber um eine scharfe Waffe gehandelt.

Versuchter Mord

Auch die Schüsse am Montagabend waren aus einer scharfen Waffe abgegeben worden. Zwei 24 und 36 Jahre alte Männer, die eine Stunde nach der Schießerei von einem SEK-Kommando festgenommen worden waren, sitzen jetzt wegen des Verdachts des versuchten Mordes in Untersuchungshaft, ein dritter ist flüchtig. Beide Gruppierungen werden der Türsteherszene zugerechnet und sympathisieren mit dem Rockermilieu.

„Wir ermitteln in alle Richtungen. Das Motiv der
Tat ist noch unbekannt.“

Dr. Jost schützeberg

Staatsanwalt

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