Eine Frage von Krieg und Frieden?

Sa, 22. Mär. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Blickpunkt / Seite 2

Eine Frage von Krieg und Frieden?

Der schwere Konflikt mit Russland schweißt die EU-Staaten zusammen. Auf ihrem Gipfel in Brüssel einigen sich die Staats- und Regierungschef darauf, wie mit Moskau künftig umgegangen werden soll.

Von Thomas Lanig und
Ulf Mauder

Brüssel. Dieser EU-Gipfel war anders, jedenfalls ganz anders als geplant. Eigentlich sollte es um die Wirtschaftsentwicklung in der Europäischen Union gehen, um Energie und Klima, um weitere Aufräumarbeiten in der Eurokrise. Klar, dass der schwere Konflikt mit Russland nach der Annexion der Krim das alles über den Haufen geworfen hat. Aber anders war diesmal auch die Gemütslage der Teilnehmer. Statt Streit ums Kleingedruckte, wie so oft, herrschte ernste Einmütigkeit.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beschwor die Solidarität der 28 Mitglieder. Dabei sind deren Interessen gegenüber Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin keineswegs einheitlich: Polen und die baltischen Staaten fürchten aus historischen Gründen russische Machtansprüche besonders intensiv, die Finnen mahnen zur Zurückhaltung, Zypern sorgt sich um das russische Geld in seinen Banken, London um seinen Finanzplatz.

Und die Deutschen in einer Rolle zwischendrin, mit komplizierten und widersprüchlichen Gefühlen gegenüber Russland. Für die deutsche Industrie geht es um Milliardengeschäfte. Aber plötzlich steht Europa anders da als in der Schuldenkrise, nämlich ziemlich einig. Merkel beschwor den Dreiklang des Krisenmanagements: Gespräche mit Moskau suchen, Sanktionen verhängen und weitere androhen, Hilfe für die Ukraine, politisch und vor allem finanziell. Es gab keinen Widerspruch.

„Historische Herausforderung“

So schweißt die Krim-Krise nicht nur die große Koalition in Berlin zusammen, sondern auch die notorisch uneinigen EU-Mitglieder. Immer wieder war von einer historischen Herausforderung die Rede, Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) bemühte sogar die Begriffe Krieg und Frieden. „Wir sind alle etwas ernster geworden“, sagte er. Krieg sei lange kein Thema mehr gewesen. Aber „Schlafwandler“ wie 1914 dürften die europäischen Staaten nicht sein, um nicht in einen Krieg zu stürzen.

Unterdessen sieht Kremlchef Wladimir Putin seine Mission Krim erfüllt: 60 Jahre nach ihrer Übergabe an die Ukraine ist die Schwarzmeer-Halbinsel nach Moskauer Recht nun wieder Russisch. Zur Feier des historischen Tages ordnete Putin Salutschüsse in Moskau, in Sewastopol, dem Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte seit Zaren-Zeiten, sowie in der Krim-Hauptstadt Simferopol an. Schon bald soll es neue Landkarten des um die Halbinsel gewachsenen Riesenreiches geben. Eine neue Atom-U-Boot-Flotte gründet sich. Der in die Jahre gekommene Hafen in Sewastopol soll der Stolz der russischen Kriegsmarine werden. Dass aber weder der Westen noch die Ukraine, der die Krim 1954 quasi durch ein Geschenk von Kremlchef Nikita Chruschtschow zufiel, die neuen Staatsgrenzen anerkennen, beachtet Putin erst gar nicht.

Und die Sanktionen der USA und der EU gegen russische Funktionäre und Oligarchen? Kein Drama, heißt es in Moskau. Putin hatte die Vertreter der Moskauer Elite in den vergangenen Monaten immer wieder davor gewarnt, im Ausland noch Besitz zu haben. Wer dort Konten oder Grundstücke hat, so lautet die Devise, hat selber Schuld.

Wohl auch deshalb überbieten sich Putins Vertraute mit hämischen Frotzeleien gen USA und Europa, sie empfänden solche „Ächtungen“ doch als „Ehre“ und offizielle Anerkennung als russische Patrioten. Demonstrativ kündigt auch Putin an, er wolle schon am Montag bei der von den USA mit Sanktionen belegten Bank Rossija ein Konto eröffnen. Sein Gehalt möge nun dort eingehen, sagt er in Moskau.

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