Twitter in der Türkei gesperrt

Sa, 22. Mär. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / AN Politik / Seite 4

Twitter in der Türkei gesperrt

Internet-Kurznachrichtendienst ist Erdogan schon lange ein Dorn im Auge

Ankara. Zehn Tage vor der Kommunalwahl in der Türkei hat die Telekommunikationsbehörde den Kurznachrichtendienst Twitter blockiert. Die Sperre des auch als Enthüllungsplattform genutzten Dienstes trat in der Nacht zum Freitag in Kraft – wenige Stunden nachdem Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seine Drohungen gegen soziale Medien drastisch verschärft hatte. „Twitter und solche Sachen werden wir mit der Wurzel ausreißen. Was dazu die internationale Gemeinschaft sagt, interessiert mich überhaupt nicht“, sagte Erdogan vor Anhängern. EU und Bundesregierung kritisierten das Vorgehen. Und auch der türkische Präsident Abdullah Gül übte scharfe Kritik: „Eine vollständige Schließung der Plattformen sozialer Medien kann nicht gebilligt werden.“

Stimmungstest am 30. März

Die Wahl am 30. März gilt als wichtiger Stimmungstest. Durch eine Reihe von Korruptionsvorwürfen in Bedrängnis gebracht, kämpft Erdogan um den Erhalt seiner Macht.

Regierungsgegner hatten Twitter immer wieder zur Organisation von Protesten genutzt. Zudem laden seit Wochen unbekannte Widersacher Erdogans belastende Telefonmitschnitte im Netz hoch, die Zugangslinks werden auch über Twitter verbreitet. Der Kurznachrichtendienst hat in der Türkei schätzungsweise rund zwölf Millionen Nutzer.

Die Türkei ist Kandidat für einen EU-Beitritt. „Das Verbot löst ernste Sorge aus und stellt die von der Türkei erklärte Unterstützung für europäische Werte und Normen infrage“, hieß es in einer Erklärung von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle zu der Twitter-Sperre. „Die Bürger müssen frei in ihrer Wahl der Kommunikationsmittel sein. Das schließt ganz offenkundig das Internet ein.“ Auch die Bundesregierung kritisierte die Blockade. Sie entspreche nicht dem, „was wir unter freier Kommunikation in Deutschland verstehen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz in Berlin.

Erdogans Pressestelle bezeichnete die Sperre laut der Nachrichtenagentur Anadolu als letztes Mittel, um eine unfaire Behandlung türkischer Bürger abzuwenden. Die Plattform sei verpflichtet gewesen, bestimmte Links aufgrund von Beschwerden zu entfernen.

Erdogan hatte bereits angekündigt, nach der Kommunalwahl Ende März gegen soziale Medien vorzugehen. Seine Worte hatte er dann zunächst wieder abgeschwächt, nachdem Präsident Gül ihm in die Parade gefahren war.

Auch in Deutschland setzten Politiker Zeichen gegen die Sperre. Der türkischstämmige Schwabe und Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, wurde am Freitag zum ersten Mal selbst als Autor in dem Kurznachrichtendienst aktiv. „Zeit war es längst. Heute ist ein guter Tag mit twittern zu beginnen.“ (dpa)

Die Sperrung von Internetseiten lässt sich relativ leicht umgehen

Der Kurznachrichtendienst Twitter, über den man kurze Nachrichten schreiben, Videos empfehlen oder Fotos verschicken kann, ist von der Türkei aus seit gestern nicht mehr zu erreichen. Damit entzieht Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seinen Gegnern eines ihrer wichtigsten Kommunikationsmittel. Twitter habe sich geweigert, Entscheidungen türkischer Gerichte zu befolgen, hieß es.

Eine Website lässt sich relativ einfach blockieren. Das erfolgt zum Beispiel durch eine sogenannte DNS-Sperre. DNS steht für „Domain Name System“, das ist gewissermaßen das Adressbuch des Internets. Bei einer Sperre des Servers wird die vom Nutzer eingetippte Internet­adresse nicht mehr in die IP-Adresse, eine lange Zahlenfolge, übersetzt. Dann wird die Seite wird nicht mehr gefunden.

Die Netzsperren lassen sich jedoch auch schnell umgehen. Twitter selbst rät den Nutzern in der Türkei, ihre Tweets (Kurznachrichten) per SMS abzusetzen. Über VPN-Zugänge oder Anonymisierungsdienste wie TOR können Nutzer zudem ihren Standort verbergen. So ist nicht mehr erkennbar, ob sie sich aus einem bestimmten Land, etwa der Türkei, oder von außerhalb einwählen. Die Sperre greift dann nicht mehr. (dpa)

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