Mo, 16. Dez. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokales / Seite 28
Entsetzen über Urteil gegen Hotelbesitzerin
Zeugenaussagen nicht berücksichtigt. 71-Jährige zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt.
Von Wolfgang Schumacher
Aachen. Verblüffte bis entsetzte Gesichter nahmen das Urteil von Richterin Andrea Rösch im Fall der wegen angeblicher Falschbeschuldigungen von zwei Polizistinnen angeklagten Hotelbesitzerin zur Kenntnis. Im Gerichtssaal am Amtsgericht breitete sich Sprachlosigkeit aus.
Zuvor hatte die Richterin ein Ja-Aber-Urteil verkündet. Ja, die Staatsanwaltschaft habe mit dem Strafbefehl gegen die Angeklagte Doris Schmitz-Kück recht, stellte sie fest und verurteilte die Angeklagte im anhängigen Gerichtsverfahren zu einer Geldstrafe von 6400 Euro. Die Strafe wurde allerdings – das ist das „Aber“ – zur Bewährung ausgesetzt.
Die Hotelbetreiberin Schmitz-Kück habe sich zwar subjektiv berechtigt gefühlt, nach dem aus dem Ruder gelaufenen Vorfall im Juli 2012 in der Bahnhofstraße eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen zwei Polizistinnen zu stellen, argumentierte Rösch. Die hatten damals veranlasst, dass die bislang unbescholtene Frau festgenommen und in Handschellen abgeführt wurde.
Doch in dieser Dienstaufsichtsbeschwerde habe die Angeklagte dann wissentlich falsche Aussagen gemacht und den Beamtinnen rechtswidriges Verhalten vorgeworfen, stellte die Richterin fest. Zeugenaussagen, die eindeutig die Version der Angeklagten bestätigten, blieben unberücksichtigt.
Um der nicht vorbestraften 71-Jährigen entgegenzukommen, setzte das Gericht die Strafe zur Bewährung aus, die Verurteilte würde allerdings trotzdem auf den Prozess- wie den Anwaltskosten sitzenbleiben. Schmitz-Kück selbst folgte der teils hektisch vorgetragenen Urteilsbegründung mit staunendem Kopfschütteln.
In ihrem letzten Wort hatte die Betreiberin des „Hotels am Bahnhof“ auf die zerstörerischen Folgen des Verfahrens hingewiesen: „Ich werde nie mehr Zivilcourage zeigen, weil ich dafür im Nachhinein bestraft werde“, sagte sie nach den Plädoyers.
Ihr Anwalt Peter Schäfer hatte Freispruch gefordert, auch weil er beim besten Willen keinen Vorsatz bei seiner Mandantin sah, die Polizistinnen quasi als Rache zu Unrecht belastet zu haben. Schäfer war einigermaßen ratlos, keines seiner Entlastungsargumente sei zuletzt in das Urteil eingeflossen.
Schon die Vorgeschichte dieses Verfahrens ist einigermaßen merkwürdig. Die Sache nahm im Juli 2012 ihren Anfang, weil ein mutmaßlich betrunkener Bewohner des Übergangswohnheimes größere Gegenstände auf die Fahrbahn warf und dabei randalierte. Die Polizei wurde gerufen und sollte das unterbinden. Das tat sie aber nicht, stattdessen warteten die Polizistinnen auf Verstärkung.
Die Hotelbesitzerin von nebenan forderte die Beamtinnen sehr deutlich auf, die Randale endlich zu unterbinden. Daraufhin jedoch legte man der „Störerin“ unten auf der Straße schmerzhaft Handschellen an und schaffte sie im Polizeiwagen weg, ließ sie dann am Elisenbrunnen wieder laufen. Zumindest das Anlegen der Handschellen, so hatte Anwalt Schäfer empört moniert, sei völlig unverhältnismäßig und gegen die Vorschriften.
„Handschmuck“ nicht erwähnt
Doch auch das kümmerte die Richterin wenig, sie erwähnte den „Handschmuck“ überhaupt nicht. Stattdessen folgte sie Staatsanwalt Dennis Becker, der die Staatsmacht durch Doris Schmitz-Kück behindert sah. Schmitz-Kück rettete sich in Sarkasmus, als sie nach dem Verfahren feststellte: „Im Ostviertel laufen sie weg, und mich mit meinen 70 Jahren führen sie in Handschellen ab.“ Sie wird Berufung beim Landgericht einlegen.