Rocker haben von Razzia gewusst

 

Do, 31. Mai. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / Aus aller Welt / Seite 6

Rocker haben von Razzia gewusst

Gewalt, Waffen, Drogen: Berlin hat die Hells Angels verboten. Spezialeinheiten durchsuchen Clubräume. Doch die Rocker waren auf den Polizeieinsatz vorbereitet. Sind Informationen im Vorfeld durchgesickert?

Von Julian Mieth

Berlin. Es sollte ein großer Schlag gegen die Berliner Rockerszene werden. Hunderte Polizisten waren am Mittwoch ausgerückt, um das Verbot der berüchtigten Hells-Angels-Untergruppe Berlin City durchzusetzen. Daraus wurde nichts. Der Rockerclub wusste von dem Plan und löste sich kurzerhand selbst auf. Die Polizei steht blamiert da und sucht nun nach der undichten Stelle – auch in den eigenen Reihen. „Es wurden Ermittlungen wegen Geheimnisverrats gegen Unbekannt eingeleitet“, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf.

Das Berliner Informationsleck ist kein Einzelfall. Bundesweit gab es wiederholt ähnliche Probleme. Experten gehen davon aus, dass die Rocker über gute Kontakte bei der Polizei und in den Verwaltungen verfügen. Im Kampf gegen kriminelle Rockerclubs bedeutet das gegebenenfalls herbe Rückschläge. Ermittler und Behörden sind alarmiert.

In Berlin hatte die Polizei jahrelang ermittelt, um genügend Beweise für ein Verbot zu sammeln. In der Zwischenzeit lieferte sich die Rockerszene Machtkämpfe, bei denen es um Drogen- und Waffengeschäfte, Zuhälterei und Türsteherposten ging. Es gab Tote und Verletzte, auch Unbeteiligte traf es.

In der vergangenen Woche war es schließlich soweit: Innensenator Frank Henkel (CDU) unterzeichnete die Verfügung, am Mittwoch sollte das Verbot durchgesetzt werden. In der Zwischenzeit sickerten die brisanten Einsatzdetails durch. Die mächtige Hells-Angels-Gang Berlin City um den ehemaligen Bandidos-Mann Kadir P. zog ihre Kutten aus, bevor die Polizisten anrückten. Um überhaupt noch etwas zu finden, schlugen die Ermittler schon am Vorabend zu.

„Bei bevorstehenden Einsätzen wird der Kreis der Eingeweihten in der Regel sehr klein gehalten“, sagt Bernd Carstensen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Dennoch könnten Informationen nach außen dringen, sagt der Kriminalexperte. „Gewisse Sympathien von einzelnen Beamten zum Rockermilieu lassen sich nicht ausschließen.“

Kontakte zu Beamten knüpfen

Auch in Berlin wussten nur wenige Ermittler Bescheid. Im Landeskriminalamt (LKA) befassen sich zwei Fachkommissariate mit der Rockerkriminalität. Darum beschränkt sich der Verdächtigenkreis wohl zunächst auf diese Gruppe. Die Polizei will aber auch Informanten in der Verwaltung nicht ausschließen. Geprüft werde auch, ob die Rocker aus den Medien von dem bevorstehenden Schlag erfahren haben.

Ermittlern zufolge versuchen Hells Angels und andere Rockergruppen gezielt, Kontakte zu Beamten herzustellen. Und die Anknüpfungspunkte sind oft einfacher als man denkt. Auch bei der Polizei gibt es Motorrad-Freaks, die zwar in harmlosen Clubs organisiert sind, zwangsläufig aber auch mit den „Outlaws“, den Gesetzeslosen, in Kontakt kommen. Wegen der unliebsamen Nähe zu den kriminellen Bikern gilt bei Berlins Polizei seit Jahren die interne Anweisung, sich von Rockergruppierungen fernzuhalten.

Fotogalerie und Video im Netz:

az-web.de und an-online.de

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