Versteckspiel um Steuern in Griechenland

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10.08.2017

 

Die Abgabenlast in diesem Land ist so hoch wie nie zuvor. Entsprechend wächst die „Kreativität“ bei Betrügern wie Fahndern.

Von Alexia Angelopoulou

Athen. Griechenlandfreunde müssen in diesem Sommer ein neues Wort lernen: „Loukéto“ (Vorhängeschloss). Loukéto bedeutet, dass ein Geschäft für mindestens 48 Stunden geschlossen wird, wenn der Besitzer Steuern hinterzogen oder Schwarzarbeiter beschäftigt hat. Vor allem Tavernen, Bars, Cafés und Nachtclubs sind betroffen und damit in erster Linie touristische Regionen.

Hitliste der Sünder

Schon jetzt auf der Hitliste der Steuersünder 2017: Vier illegale Strandbars auf der östlichen Ägäis-Insel Gaidouronisi. Alle Registrierkassen waren dort programmiert, gefälschte Belege auszugeben – auf diese Weise wurden mehr als
22 000 für die Staatskasse wertlose Zettel verteilt, wie Steuerfahnder Anfang Juli ermittelten.

Ganz vorne mit dabei ist auch ein Imbiss auf Chrysi südöstlich von Kreta. Der Besitzer operierte mit der Steuernummer eines seit Jahren geschlossenen Souvlaki-Ladens und gab unter diesen Angaben mehr als 16 500 ungültige Belege aus. Übertroffen wird er nur von einem großen Nachtclub auf der Touristeninsel Santorini – dort konnte der Inhaber nicht einmal eine Registrierkasse vorweisen.

Von Ostern bis Anfang Juli seien mehr als 200 Betriebe temporär geschlossen worden, heißt es bei der griechischen Steuerbehörde. Bei 270 Ermittlungen habe die Betrugsquote 66 Prozent betragen.

Der Chef der griechischen Steuerfahnder, Giorgos Pitsilis, zeigt sich optimistisch. „Wir haben für dieses Jahr einen umfassenden Aktionsplan und werden die Prüfungen mit aller Intensität durchführen.“ Dazu gehöre, mit der Zeit zu gehen. „Wir sind klüger geworden“, sagt er. So mischen sich mittlerweile Fahnder in Bermudas und Badehose unter die Touristen. Denn gerade auf den Inseln gibt es längst Vorwarnsysteme: Steigen die Beamten mitten im Sommer im Anzug und mit Aktentasche von Bord, laufen die Telefone zwischen den Betrieben heiß. Manchmal beziehen die Fahnder gar Prügel. Pitsilis betont, wie wichtig es sei, dass die Bürger beim Kampf gegen Steuersünder helfen und so Steuerpflicht selbstverständlich wird. Das aber hat für die Griechen etwas Denunziatorisches. Die Behörde will daher den Bürgern die Jagd spielerisch schmackhaft machen. So soll eine App auf den Markt kommen, die Quittungen auf ihre Legalität prüft.

Als unfair empfinden viele Griechen den Betrug durchaus. Auch, weil zahlreiche Betriebe sehr wohl ordnungsgemäß abrechnen. Tankstellen achten darauf, dass der Kunde die Quittung mitnimmt, weil sonst Kunde wie Tankwart dran sind. Kioske drucken für jeden Kaugummi ein Zettelchen aus und pochen darauf, dass der Käufer es einsteckt. Selbst auf dem Markt hackt der Händler die 50 Cent für ein Kilo Melone in seine kleine Kasse und stopft den Zettel in die Tüte.

Das Katz-und-Maus-Spiel mag lustig anmuten. Etwa, wenn vor den Augen verdutzter Touristen der illegal beschäftigte Kellner ins Wasser springt und so tut, als würde er baden, weil Fahnder die Taverne betreten. Doch für viele Selbstständige ist die Situation bitterernst. Die Steuer- und Abgabenlast liegt nach den unzähligen Erhöhungen der vergangenen Jahre bei bis zu 70 Prozent. „Würde ich meine Bücher vollständig legal führen, müsste ich spätestens bei den fälligen Vorauszahlungen am Ende der Saison draufzahlen. Gearbeitet hätte ich umsonst“, sagt ein Wirt. Und so nimmt die kreative Buchführung kein Ende. Mal ist der offizielle Ladenbesitzer längst gestorben, ein anderes Mal lebt er als Mönch im Kloster. Mal werden alte Quittungen vom Geschäft nebenan ausgegeben, mal Quittungen vom Vorjahr. Und dann war da der Barbesitzer auf Mykonos, der den Fahndern den Zutritt verwehrte: „Hier ist alles rechtens.“ Davon ließen sich die Beamten nicht überzeugen. Anschließend hatte er fünf Tage Zeit, seine Umsatzsteuererklärung nachzureichen – oder seinen Laden für bis zu 30 Tage zu schließen.

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