Do, 7. Mai. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Blickpunkt / Seite 2
Was fest steht und was noch unklar ist
Von Suchmerkmalen und Ablehnungslisten: In der Spionageaffäre ist bisher wenig belegt
Von Jörg Blank
Berlin. In der Spionageaffäre ist bisher wenig belegt, viel ist Vermutung. Ein Überblick:
Das steht fest: An der früher vom US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) betriebenen BND-Abhörstation im bayerischen Bad Aibling wird nach Angaben des deutschen Auslandsgeheimdienstes internationale Satellitenkommunikation überwacht. Der Bundesnachrichtendienst (BND) nennt als Ziele Krisenregionen wie Afghanistan oder Somalia, wo auch deutsche Soldaten im Einsatz sind und geschützt werden sollen.
Nach einer Vereinbarung aus dem Jahr 2002 übermitteln die Amerikaner dem BND Suchmerkmale (sogenannte Selektoren), nach denen die Datenströme durchsucht werden. Das können E-Mail-Adressen, IP-Adressen von Computern oder Telefonnummern sein, aber auch Suchbegriffe. Ursprünglich war die Kooperation nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zur Terrorbekämpfung gedacht.
Zusammenarbeit mit der NSA ist deutschen Spionen nur erlaubt, wenn sie sicherstellen, dass die Rechte deutscher Bürger sowie deutsche und europäische Interessen nicht verletzt werden. Der BND darf weder EU-Partnerländer noch EU-Institutionen ausspionieren. Der BND hat seit 2008 aus diesem Grund etwa 40 000 der übermittelten Suchmerkmale aussortiert. Mindestens 2000 davon kamen bei einer Prüfung zusammen, die nach Veröffentlichungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden angeordnet wurde.
Das ist unklar: Laut „Spiegel“ sollen vom BND 2013 zunächst 12 000 Selektoren entdeckt worden sein, die in der aktiven Suche eingespeist waren. Demnach zielten sie auf Diplomaten, Behörden und Regierungen in Europa ab. Offiziell bestätigt ist dies jedoch noch nicht. Auch die Liste der abgelehnten Suchbegriffe ist selbst den für die BND-Kontrolle zuständigen Abgeordneten nicht bekannt.
Unklar ist auch, ob die während der Datenschnüffelei eingesetzten Suchmerkmale Ergebnisse gebracht haben – und ob diese an die NSA übermittelt wurden. Kritiker mutmaßen, der BND habe sich zum willfährigen Handlanger der NSA gemacht – dessen Präsident Gerhard Schindler hat dies jedoch als Unterstellung zurückgewiesen.
Ebenso unklar ist, ob französische Spitzenbeamte und die EU-Kommission tatsächlich ausspioniert wurden.
Zudem steht der Verdacht im Raum, der BND habe Beihilfe zur Wirtschaftsspionage geleistet (siehe Kasten). Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat laut Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) den Verdacht ihm gegenüber verneint.
Generalbundesanwalt will Infos vom Kanzleramt
Generalbundesanwalt Harald Range will Informationen vom Bundeskanzleramt. Er habe ein Erkenntnisersuchen ans Kanzleramt gestellt, sagte Range nach Teilnehmerangaben gestern im Rechtsausschuss des Bundestags. Dabei gehe es um die Listen aussortierter Suchkriterien des US-Geheimdienstes NSA für Datenausspähungen des BND. Als möglicher Straftatbestand komme staatlich gelenkte Wirtschaftsspionage infrage.
Auf der Liste von 2000 NSA-Spionagezielen, die der BND 2013 nach den Enthüllungen durch Edward Snowdon aussortiert hat, steht angeblich kein Unternehmen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur gestern nach einer Sitzung der Geheimdienstkontrolleure des Bundestages. Das könnte ein Hinweis dafür sein, dass das Ausmaß von möglicher Wirtschaftsspionage durch den US-Geheimdienst NSA mit Hilfe des BND geringer war als befürchtet.