Weißer Rauch auch über Jerusalem

 

Fr, 15. Mär. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / AN Politik / Seite 4

Weißer Rauch auch über Jerusalem

Die rechte Koalition von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu steht – zumindest theoretisch

Von Uwe Ronneburger

Tel Aviv. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu hat seine Mitte-Rechts-Regierung beisammen – zumindest theoretisch. Gestern Abend sollte die Koalitionsvereinbarung der vier Parteien besiegelt werden. Doch kurz vor der Unterzeichnung gab es plötzlich Streit über die Frage, wer den symbolischen Titel des israelischen Vize-Regierungschefs bekleiden soll. Möglicherweise wird die neue Koalition jetzt erst kommenden Monat offiziell vorgestellt.

Nicht jedem ist wohl angesichts der neuen Mannschaft. Die rechten Kräfte hätten stark an Einfluss gewonnen und könnten Israel durch den forcierten Ausbau der Siedlungen weiter in die internationale Isolation treiben, warnte die linksliberale Zeitung „Haaretz“.

Die dicken Brocken für das neue Bündnis aus vier Parteien mit 68 von 120 Parlamentssitzen werden in der Innenpolitik liegen. Die Koalitionäre haben sich demnach Forderungen der israelischen Mittelschicht auf die Fahnen geschrieben: Wehrpflicht auch für die bisher freigestellten Ultraorthodoxen, bezahlbarer Wohnraum, eine Bildungsreform sowie die Änderung des Wahlrechts.

Aber auch unpopuläre Aufgaben wie die Sanierung des Haushalts stehen an. Und da würde künftig der neue Star der Mittelschicht, der frühere TV-Moderator Jahir Lapid, als Finanzminister in der Pflicht stehen. Er geht damit ein großes Risiko ein, denn die Einschnitte dürften vor allem zu Lasten seiner Wähler gehen, die schon jetzt unter den hohen Lebenshaltungskosten stöhnen. In jedem Fall wird Israel auf absehbare Zeit sehr mit sich selbst beschäftigt sein.

Die außenpolitischen Themen, die der internationalen Gemeinschaft unter den Nägeln brennen, standen hingegen weder im Wahlkampf noch bei den Koalitionsverhandlungen im Mittelpunkt des Interesses. Gemeint sind der Friedensprozess mit den Palästinensern, Israels Beziehungen zu den arabischen Nachbarn und der Atomkonflikt mit dem Iran. Die Außen- und Verteidigungspolitik und damit auch der Iran-Konflikt soll in den Händen der Likud-Beitenu bleiben. Obama wird sich bei seinem Besuch Medienberichten zufolge vor allem bemühen, Israel von einem Präventivschlag gegen den Iran abzuhalten.

Für den Friedensprozess mit den Palästinensern soll Ex-Außenministerin Zipi Livni zuständig sein. Sie hat jedoch mit sechs Sitzen nur wenig Gewicht. Im Koalitionsvertrag ist das Ziel der Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwar festgehalten. Aber dass es Livni gelingen könnte, gegen den Widerstand des weit nach rechts gedrifteten Likud und der noch rechteren Siedlerpartei von Naftali Bennett die für einen Friedensschluss notwendigen israelischen Zugeständnisse durchzuboxen, gilt vielen als unwahrscheinlich.

Bei Likud-Beitenu und in Bennetts Partei fährt der Zug in die andere Richtung: Sie wollen große Teile des Westjordanlandes annektieren. Selbst Lapid ist gegen einen Siedlungsstopp und eine Teilung Jerusalems.

Hier lauert womöglich der gefährlichste Sprengsatz für Netanjahus dritte Koalitionsregierung. Obama könnte von Netanjahu als Gegenleistung für ein militärisches Vorgehen der USA gegen den Iran Zugeständnisse an die Palästinenser verlangen, spekulierte das US-Magazin „The Daily Beast“. Sollte es Livni gelingen, auch nur ein Interimsabkommen mit den Palästinensern auszuhandeln, könnte Bennett aus Protest die Koalition verlassen. Die sozialdemokratische Arbeitspartei von Schelly Jachimowich, die Netanjahu bisher die kalte Schulter zeigt, hat schon angekündigt, dass sie in einem solchen Fall bereit wäre, in die Regierung einzutreten. (dpa)

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