Afghanistan: Taliban sichern Vormachtstellung im Süden

Do, 10. Sep. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / AN Politik / Seite 4

Afghanistan: Taliban sichern Vormachtstellung im Süden

Rebellen haben Kontrolle über einen großen Teil der Unruheprovinz Helmand. Regierungstruppen geraten vielfach in die Defensive.

Von Subel Bhandari
und Mohammad Jawad

Kabul. Der Bezirksgouverneur von Musa Kala, Mohammad Sharif Khan, hatte seit Monaten Angst, dass seine Region in die Hände der Taliban fallen könnte. Im Mai wurde klar, dass die Taliban bereits drei Viertel des Bezirks in der südafghanischen Provinz Helmand kontrollierten. Im Sitz der Bezirksregierung, der gleichnamigen Stadt Musa Kala, gab es keine Beamten mehr. „Die Taliban haben eine bessere Ausrüstung als die Polizei. Wir haben viele Polizisten verloren. Im Sommer sind jede Woche ein oder zwei Polizeikontrollpunkte gefallen,“ sagte Khan.

Nach dem Fall von Musa Kala am 26. August floh Khan in die Provinzhauptstadt Lashkar Gah. Nach eigenen Angaben erhielt er keine Unterstützung von der Regierung, als Musa Kala fünf Tage lang belagert wurde. In ihrem 13-jährigen Kampfeinsatz hatten die Nato-geführten ausländischen Truppen ihre größten Verluste in Helmand erlitten. Seit Januar haben die afghanischen Sicherheitskräfte nach und nach die meisten der sechs Bezirke Nordhelmands an die Taliban verloren. Die Rebellen versuchen, ihr strategisches Zentrum in von ihnen kontrollierte, abgelegene Gegenden von Nordhelmand zu verlagern, vermuten afghanische und Nato-Beamte.

Der Bezirk Sangin fiel im März. Die afghanischen Sicherheitskräfte hatten nach einer siebenwöchigen Offensive den Sieg erklärt, aber die Taliban kehrten noch in derselben Woche zurück. In den folgenden Monaten fielen auch die Bezirke Gereshk und Naswad. „Musa Kala, Nawsad und Baghran sind jetzt alle unter der Kontrolle der Taliban,“ sagt Madschid Akhundsada von der Provinzregierung in Helmand.

„Es scheint, die Taliban versuchen in dieser Kampfsaison, ein größeres zusammenhängendes Gebiet zu erobern, besonders in Nordhelmand,“ sagt Graeme Smith, Afghanistanexperte der International Crisis Group (ICG). „Das wird den Taliban ermöglichen, sich als legitime Macht darzustellen.“ Für die Regierung werde es schwierig, die Provinzhauptstadt zu halten, meint auch ein Nato-Mitarbeiter.

Seit dem 22. August werde Musa Kala vom US-Militär bombardiert, sagt General Philip Breedlove, oberster Befehlshaber der Nato-Truppen in Europa. Hadschi Abdul Rasak, ein Stammesältester aus Musa Kala berichtet: „Der Bezirk ist die letzten beiden Wochen lang bombardiert worden. 150 Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt.“ Laut der Lokalpolitikerin Nasima Niasi sind schon mindestens 600 Familien von den Kämpfen vertrieben worden. „Die genaue Situation in Musa Kala kennen wir nicht, weil es nicht zugänglich ist, und Handys nicht funktionieren,“ sagt Niasi.

Razia Baluch vom Provinzrat sagt, dass sich eine große Zahl von Talibantruppen in den nördlichen Bezirken gesammelt hätten – mit genug Waffen und Munition, um monatelang weiter zu kämpfen. Die südlichen Ebenen und die Provinzhauptstadt seien gefährdet, wenn die Regierung Nordhelmand nicht zurückgewinnt. Das afghanische Militär hat 32 000 Soldaten in die Provinz entsandt, das sind rund 10 Prozent aller Truppen.

Experten zufolge konzentrieren sich die Guerillakämpfer auf diese Region, um den Drogenhandel zu kontrollieren. Helmand ist das Zentrum der Opiumproduktion. Ein Großteil von Anbau und Produktion findet im Norden statt.

Kommentar: Und hier liegen die Wurzeln der Flüchtlingswelle. Schuld sind auch diejenigen, die unbedingt für den Abzug aus Afghanistan waren. Pazifismus tötet!

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