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Di, 24. Jul. 2012 Aus der Wallfahrt wird eine Demo gegen das NS-Regime Vor 75 Jahren: Die Aachener Protest-Heiligtumsfahrt im Jahr 1937. Hunderttausende Gläubige kommen, und die Nazis hetzen. Von Georg Dünnwald Aachen. Unüberschaubar war die Menschenmenge, die im Juli vor 75 Jahren auf dem Katschhof stand. Die alte Kaiserstadt platzte aus allen Nähten. Die Rede ist von 800 000 bis über einer Million Wallfahrern, die während der Heiligtumsfahrt vom 10. bis 25. Juli 1937 Aachen besuchten. Es waren weitaus mehr Pilger zu der alle sieben Jahre stattfindenden Wallfahrt gekommen als vorher angenommen worden war. Für die Busse, die die Pilger nach Aachen brachten, war in der Stadt überhaupt kein Platz mehr. „Das war eine beeindruckende Demonstration gegen den Nationalsozialismus, ein stummer Protest gewissermaßen gegen das Nazi-Regime“, ist der Aachener Domkapitular August Peters überzeugt. Heikle Situation Die Situation war durchaus heikel. Am Palmsonntag, 21. März 1937, war von den Kanzeln aller katholischer Kirchen die in deutscher Sprache verfasste Enzyklika von Papst Pius XI. „mit brennender Sorge“ verlesen worden, in der er kritisch zur Politik und Ideologie des Nationalsozialismus Stellung nahm. Generalstabmäßig und völlig geheim hatte die katholische Kirche es geschafft, zigtausend Exemplare des Papstwortes drucken und in den Kirchen auslegen zu lassen. Eine Schmach für das NS-Regime. Die Quittung folgte rasch. Den Kirchenzeitungen wurde verboten, die Enzyklika abzudrucken. Viele Druckereien, die an dem Coup beteiligt waren, wurden geschlossen. Wegen der politischen Lage war den deutschen Bischöfen die Wallfahrt zu heikel, „sie wollten sie eigentlich absagen“, sagt Domkapitular Peters. Jedoch habe der Bischof des erst 1930 gegründeten Bistums Aachen, Joseph Vogt, entschieden, dass die Heiligtumsfahrt stattfindet. Auch vor diesem Hintergrund war den Nazis die Heiligtumsfahrt nicht geheuer. Ihnen war mulmig bei dem Gedanken an eine öffentliche Machtdemonstration, die nicht von ihnen gesteuert werden konnte. Allerdings wussten sie auch, dass viele Ausländer kommen wollten. Und die brachten dringend benötigte Devisen ins Reich. Also beschränkten sich die Nazis zunächst auf Hetzkampagnen in ihren einschlägigen Presseerzeugnissen wie „Der SA-Mann“. „Sommerschlussverkauf in Aachen“ war ein Hetzartikel überschrieben, in dem sich der anonyme Verfasser über die Heiligtümer mokiert. Besonders die Windeln Jesu müssten „aus gutem Stoff verfestigt sein, wenn sie nach der Benutzung, der in Ausgiebigkeit die Wunderkraft sicher erhöht, fast 2000 Jahre überstanden haben“, konnten die fanatischen SA-Männer in ihrer Hauspostille lesen. Obwohl die SA die Heiligtumsfahrt als „Heilige Knochensammlung“ und „der Knochenkult ist Fetischismus“ diffamierte, ließen sich die Hunderttausenden von Katholiken nicht beirren. An vielen Prozessionen nahmen sie teil. Aus den Prozessionen wurden Demonstrationen. „Ausschließlich Männer waren zugelassen“, erzählt Peters. Die Frauen hätten an den Straßenrändern dicht an dicht gestanden, für Nazi-Provokateure sei es unmöglich gewesen, einzugreifen. An der Schlussprozession nahmen mehr als 20 000 Männer teil. Darunter waren gewiss auch Nazi-Mitläufer. Denen hatte die Partei verboten, Uniformen oder Parteiabzeichen zu tragen. Gestapo schrieb die Predigt mit Während der Heiligtumsfahrt predigte der Trierer Bischof Bornewasser auch in der Aachener Kirche St. Adalbert, seine Worte wurden fleißig von Gestapo-Schergen notiert. Denn der Geistliche hatte sich den Unmut des Regimes zugezogen. Später äußerte er sich öffentlich wie sein Münsteraner Kollege Graf Galen zu den Morden an körperlich und geistig behinderten Menschen, der sogenannten Euthanasie. „Die Kirche war schon Stunden, bevor das Pontifikalamt begann, bis zum Bersten gefüllt“, sagt Peters. Der gesamte Kaiserplatz sei übervoll mit Menschen gewesen, auch der Steffensplatz, durch die Wilhelmstraße sei kein Durchkommen mehr möglich gewesen. „Wir wollen Bischof Bornewasser sehen“, skandierten die Menschen, denen wegen Überfüllung der Stiftskirche der Zugang verwehrt war. Der hohe Kleriker tat den Leuten den Gefallen. Vom Adalbertsberg, auf dem die Kirche stand, segnete er sie mit den Worten: „Ich darf zwar nicht mehr außerhalb der Kirchen predigen, Euch segnen darf ich aber.“ Und er forderte die vielen Gläubigen auf: „Behaltet diese Treue.“ |
Als Öcher ,,Jakobiner“ möchte ich noch ergänzen, dass außer Bischof Bornewasser auch der Bischof von Münster Graf v. Galen in der St. Jakobskirche predigte, u. A. gegen die Euthanasie, die auf dessen Betreiben diese im Nachhinein auch eingestellt wurde. Die Bekundungen des katholischen Volkes
waren hierbei ähnlich wie die in St. Adalbert. Ich habe damals als Neunjähriger den Menschenauflauf u. die berittene Polizei im Jakosviertel mit erlebt und beabsichtige ,demnächst im Aachener ,,Senio-Magazin“ über die Geschehnisse 1937 zu berichten.
mit freundlichen Grüßen, Heinz Amian, Aachen, (87 Jahre)