Di, 23. Jul. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / AN Politik / Seite 4
Brüssel setzt Hisbollah auf die Terrorliste
Die Miliz hat den Libanon im Griff, entscheidet mit ihren Kämpfern Schlachten in Syrien und unterhält ein weltweites Netz für Geldwäsche und Anschläge
Von Gregor Mayer
Kairo/Brüssel. Mit ihrer Miliz und ihren internationalen Geschäftsverflechtungen ist die schiitische Hisbollah ein – wenn auch schattenhafter – Player in der Weltarena. „Sie verfügt über einen Kader an Agenten für Terror-Aufgaben, der größer und besser ausgebildet ist als alles, was die Al-Kaida je hatte“, schrieb das US-Strategieinstitut Stratfor in einem Bericht im Jahr 2010.
Die Erleichterung mancher Teilnehmer über den Ächtungsbeschluss der EU-Außenminister am Montag ist nachvollziehbar. „Es ist gut, dass die EU entschieden hat, die Hisbollah als das zu bezeichnen, was sie ist: eine terroristische Organisation“, erklärte der niederländische Außenminister Frans Timmermans. „So begrenzen wir ihre Handlungsfähigkeit.“
Brüssel hatte den Schritt lange hinausgezögert. Erwägungen mit Blick auf die Stabilität des Libanons spielten ebenso eine Rolle wie die Schwierigkeit, für bestimmte Terroranschläge die Urheberschaft der Hisbollah eindeutig nachzuweisen. Nun will die EU dem militärischen Flügel der Hisbollah den Geldhahn zudrehen – das wird mit der Aufnahme auf die Terrorliste möglich. Was das für Personen oder Unternehmen mit Hisbollah-Bezug bedeutet, blieb am Montag in Brüssel allerdings zunächst unklar.
Terror ist kein Selbstzweck
Insgesamt ist die Maßnahme eher symbolischer Natur. Die Hisbollah wird sie überleben. Wie der Stratfor-Bericht darlegt, hat sie ihre robustesten Auslandsstrukturen in Lateinamerika. Über libanesische Emigranten hat sie dort starke Positionen im Drogen- und Waffenhandel ebenso aufgebaut wie in der legalen Wirtschaft. Aber anders als die Al-Kaida lechzt sie nicht danach, den USA einen großen Terrorschlag zuzufügen.
Denn Terror ist für sie kein Selbstzweck, sondern ein Mittel in der Durchsetzung von Interessen – ihrer eigenen und der des Irans, ihres Patrons, Ausbilders und Waffenlieferanten. Ihre eigenen Interessen liegen im Libanon, wo sie als Sachwalter ihrer schiitischen Klientel die Vorherrschaft anstrebt. Die Gebiete, die sie dort kontrolliert – den Süden mit der Grenze zu Israel, die östliche Bekaa-Ebene, den Süden von Beirut – sind der ohnehin schwachen staatlichen Zentralgewalt entzogen.
Tausende Kämpfer in Syrien
Als Klient Teherans ist sie aber wiederum in dessen Pflicht. Die Entsendung Tausender Kämpfer nach Syrien machte im Juni die Rückeroberung der strategisch wichtigen Stadt Al-Kusair durch die Truppen des Assad-Regimes überhaupt erst möglich. Zugleich dürften Hisbollah-Agenten gelegentlich die Ausführenden von Terroranschlägen sein, mit denen der Iran seinen „schmutzigen“ Krieg gegen Israel führt. Der Anschlag 2012 im bulgarischen Burgas, bei dem fünf israelische Touristen und ein Bulgare starben, kann als eine Antwort Teherans auf die Mordanschläge gegen iranische Atomwissenschaftler durch israelische Agenten gedeutet werden.
Israel will 80 Häftlinge freilassen
Zur Unterstützung der verabredeten neuen Runde von Nahost-Friedensgesprächen will die israelische Regierung rund 80 palästinensische Langzeithäftlinge freilassen. Dies teilte ein Regierungsvertreter gestern mit, wobei jedoch Einzelheiten offenbar noch offiziell beschlossen werden müssen. Die Europäische Union (EU) will die von den USA vermittelte Friedensinitiative zwischen Israelis und Palästinensern unterstützen. (afp)