Bundeswehr fasst in Afghanistan einen ranghohen Taliban

 

Mi, 24. Okt. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / AN Politik / Seite 4

Bundeswehr fasst in Afghanistan einen ranghohen Taliban

Mullah Abdul Rahman soll am Angriff auf deutsche Soldaten am Karfreitag 2010 beteiligt gewesen sein. Er ist „Schatten-Gouverneur“.

Von Can Merey

Neu Delhi. Zwei besonders traumatische Ereignisse prägen den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch. An beiden war der Taliban-Kommandeur Mullah Abdul Rahman nach Darstellung der Polizei in der nordafghanischen Provinz Kundus maßgeblich beteiligt. Er war demnach für den Angriff auf die Bundeswehr am Karfreitag 2010 verantwortlich, bei dem drei deutsche Soldaten starben. Und er soll die Entführung von zwei Tanklastzügen befohlen haben, die die Bundeswehr danach bombardieren ließ – dabei starben im September 2009 Dutzende Zivilisten.

Am Dienstag bestätigte die Polizei, dass Abdul Rahman gefasst wurde. An dem Einsatz war nach Angaben der Provinzregierung das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr beteiligt. Die Festnahme hat demnach bereits am Freitag stattgefunden.

Abdul Rahman war eine zentrale Figur der Taliban in der Provinz, in der die Bundeswehr die meisten ihrer Gefallenen in Afghanistan zu beklagen hat. Der Aufständische hatte sein Alter bei einem konspirativen Treffen mit „Spiegel“-Reportern kurz nach dem Luftschlag auf die Tanklastzüge im Herbst 2009 mit 35 angegeben. Er bombte sich seinen Weg in der Taliban-Hierarchie nach oben.

Abdul Rahman trat zunächst als Kommandeur der Aufständischen in Char Darah in Erscheinung, dem damals gefährlichsten der sieben Distrikte der Provinz Kundus. In Char Darah kam es 2009 zu dem Debakel mit den Tanklastzügen, das wegen der zivilen Opfer bei dem Luftschlag ganz Deutschland erschütterte. Ebenfalls in Char Darah organisierte Abdul Rahman den Hinterhalt vom Karfreitag 2010, der die bislang schwersten Gefechte in der Geschichte der Bundeswehr zur Folge hatten. Um diese Zeit herum stieg der Distrikt-Kommandeur zum „Schatten-Gouverneur“ der Taliban für die ganze Provinz auf. Die Taliban behaupten, in allen 34 Provinzen mit ihren „Schatten-Gouverneuren“ Parallelstrukturen zur Regierung installiert zu haben.

Ersatz ist schnell gefunden

Die „Schatten-Gouverneure“ führen alle Aktivitäten der Taliban in den jeweiligen Provinzen und haben entsprechende Macht. Doch ihr Job ist ungemein gefährlich. Sie sind regelmäßig Ziel von Operationen. Westliche Diplomaten spotten, die „Amtszeit“ der „Schatten-Gouverneure“ werde durch Spezialkräfte vor allem der Amerikaner im Schnitt auf wenige Monate begrenzt.

Allerdings: So schnell die Taliban-Anführer aus dem Verkehr gezogen werden, so schnell finden die Aufständischen auch wieder Ersatz. Und von den Nachrückern heißt es immer wieder, dass sie ihre Vorgänger an Gewalt noch überböten. Außerdem: Auch wenn Taliban-Kommandeure festgenommen werden, heißt das nicht, dass sie damit für immer vom Schlachtfeld verschwinden.

Im Mai 2009 war es dem KSK nach langer Verfolgungsjagd gelungen, einen mutmaßlichen Anführer der Aufständischen zu fassen. Der Mann namens Abdul Rasik stand wie nun Abdul Rahman im Verdacht, Drahtzieher von Anschlägen gegen die Bundeswehr gewesen zu sein. Wie nun auch Abdul Rahman wurde Abdul Rasik an die afghanischen Behörden übergeben. Dann verliert sich Abdul Rasiks Spur.

Von einem Verfahren oder einer Verurteilung durch ein Gericht wurde nie etwas bekannt. Recherchen wurden von afghanischen Behörden abgeblockt. Deutsche Stellen konnten oder wollten keine Auskunft geben. Möglicherweise landete Abdul Rasik in einem Geheimgefängnis. In der Vergangenheit wurden aber auch Fälle bekannt, in denen sich Taliban mit Schmiergeld freikauften.

Oder den Aufständischen gelingt die Flucht. Im südafghanischen Kandahar stürmten Aufständische 2008 das Gefängnis, sie befreiten rund 1000 Häftlinge, darunter Hunderte Mitkämpfer. Und im vergangenen Jahr gruben gefangene Aufständische im selben Gefängnis einfach einen Tunnel in die Freiheit. Fast 500 Taliban-Kämpfern gelang die Flucht.(dpa)

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