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Mo, 11. Mär. 2013 Campusbahn: Große Angst vor neuen Projekten Stimmen nach der Abstimmung: „Bittere Stunde“ für AVV-Chef Hans Joachim Sistenich. FDP jubelt. CDU-Abweichler Egbert Form lobt Sachverstand. Von Wolfgang Schumacher Aachen. Es gab sie, die Sieger und Verlierer im Krönungssaal. Vom deutlichen Ergebnis kontra Campusbahn waren einige im Rathaus sichtlich betroffen. Direkt daneben standen die haushohen „Gewinner“, die eine satte Zweidrittel-Mehrheit verbuchten. So sorgte der Ratsbürgerentscheid etwa bei Bürgermeisterin Hilde Scheidt (Grüne) für „bittere Enttäuschung“. Das Warum sah sie in einer großen Angst und Sorge der Bürger vor zu hohen und eventuell explodierenden Kosten. „Diese Angst haben wir nicht zerstören können“, meinte Scheidt, man müsse das Misstrauen künftig bekämpfen. Trotz allem sei der Bürgerentscheid richtig, man müsse das nur öfter machen und dann darin Routine entwickeln. Unternehmer Wolfgang (Tim) Hammer meinte enttäuscht: „Das muss man einfach akzeptieren.“ Trotzdem befürchtete der Spediteur, die Tragweite der gestrigen Entscheidung gegen die Stadtbahn werde „man noch zu spüren bekommen“. Experte Prof. Dirk Vallée (RWTH, Stadtbauwesen und Stadtverkehr) äußerte Respekt vor der Entscheidung. Jetzt gehe es darum, „einen Plan B zu entwickeln“, der etwa auch neue Buslinien und neue Konzepte beinhalten müsse. Denn der „Long Wajong“ etwa könne bei steigenden Fahrgastzahlen nicht auf allen Linien fahren. Die Alternative reiner Busverkehr sei im Übrigen ähnlich teuer wie „der städtische Anteil“ an der abgelehnten Campusbahn. Für AVV-Geschäftsführer Hans Joachim Sistenich war die Ablehnung ein harter Schlag: „Das ist bitter. Wir haben fünf Jahre Arbeit da hineingesteckt.“ Die künftigen Anforderung an das Busnetz „kosten auch eine Menge Geld“, meinte Sistenich, dazu würden positive bauliche Nebeneffekte, etwa beim Trassenbau am Adalbertsteinweg, wegfallen. Aachens Kämmerin Annekathrin Grehling wollte auf die Frage, ob ihr denn kostenmäßig ein Stein vom Herzen gefallen sei, keine rechte Antwort geben: „Es war ein ordentlicher und fairer Bürgerentscheid, trotz der Leidenschaft ist es im Ganzen doch sehr sachlich geblieben“, meinte die Dezernentin und verwies im Übrigen an „den Chef“, OB Marcel Philipp. Baudezernentin Gisela Nacken dagegen machte aus ihrer großen Enttäuschung keinen Hehl. „Das wird uns bei den NRW-Förderanträgen zurückwerfen“, sagte sie: „Das ist ein landesweiter Image-Schaden.“ Die Kapazitäten des ÖPNV in Aachen und auch die Luftreinhaltung „bleiben ein großes Problem“, meinte Nacken weiter. Sieg der Vernunft Für einen Teil der Gewinner stellte FDP-Ratsfrau Sigrid Moselage erfreut fest: „Das ist eine klare Entscheidung der Bürgerschaft.“ Di Bürger hätten genau gerechnet und sich nicht mit „dubiosen Rechnungen“ ins Bockshorn jagen lassen. Auch Kontra-Kämpfer Ratsherr Peter Blum (FDP) stellte einen Sieg „der Demokratie und der Vernunft“ fest. Die Bürger hätten jedenfalls mehr Vernunft „als die Mehrheitsfraktionen“ bewiesen. Jetzt gehe es darum, den „Busplan 2015+“ weiter zu entwickeln. Für die Grünen, bekundete Sprecherin Ulla Griepentrog ihre große Enttäuschung. „Hier zeigt sich eine große Angst vor neuen Projekten und auch eine deutliche Verdrossenheit.“ Und das, obwohl die Campusbahn-Gegner „keine Alternativen aufgezeigt haben, um die Probleme zu lösen“, meinte sie resigniert. Auch für die Ratsfrau Ellen Begolli (Linke) zeigt sich eine deutliche Angst vor „den verkorksten Großprojekten“, auch wenn das nicht mit Aachen vergleichbar sei. „Das ist traurig“, meinte Begolli. Für Aseag-Chef Michael Carmincke habe auch in Aachen „die Ängste vor Großprojekten überwogen“. Jetzt müsse ein „Plan B“ her, der einen „zukunftsorientierten ÖPNV und eine attraktive Anbindung des Campus Melaten“ mit dem Bus zum Ziel haben müsse. Dabei könne das Busnetz-Gutachten 2015+ eine gute Rolle spielen. SPD-Verkehrsexperte Michael Servos stellte fest, „dass die Menschen uns nicht geglaubt haben.“ Es bestehe „großes Misstrauen“ gegen die Planung von Großprojekten“. Jetzt heiße es, ab morgen den „zweitbesten Plan“ umzusetzen. Der aus der CDU-Fraktionsdisziplin ausgescherte Ratsherr Egbert Form freute sich über den Zuspruch, „den ich durch mein Sondervotum“ – es wurde im städtischen Abstimmungsheft veröffentlicht – „bekommen habe.“ Dank zollte er der Bürgerinitiative. Es zeige sich wieder, dass gerade bei den Bürgern „mehr Sachverstand anzutreffen ist als manches Mal in der Verwaltung“. Für die Entwicklung eines Schienennetzes, so der Ingenieur, sei es „in Aachen bereits zu spät“, solche Projekte würden auch regelmäßig „doppelt so teuer wie geplant“. Für Aachens bekannten Kabarettisten Wendelin Haverkamp waren „die Regeln in diesem Bürgerentscheid nicht fair, die Verwaltung nicht neutral“. „So geht das nicht“, meinte der sonstige Spaßmacher dieses Mal todernst. Kommentar: Da sollten sich mal die Ratsfrauen – /herrn, die für die Kampusbahn gestimmt haben, überlegen, wen Sie noch vertreten? 66 % der Aachener Bevölkerung in einer wesentlichen, existenziellen Frage für die Stadt jedenfalls nicht!
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