„Natürlich ist das Ergebnis für mich eine Niederlage“

 

Mo, 11. Mär. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 23

„Natürlich ist das Ergebnis für mich eine Niederlage“

Oberbürgermeister Marcel Philipp will nicht nachkarten und die Bürger stärker in die Weiterentwicklung der Stadt einbeziehen

Aachen. Als Oberbürgermeister Marcel Philipp gestern Abend im Krönungssaal den ersten Trend kommentierte, war ihm klar, dass das Großprojekt gescheitert war. „Wirklich überrascht“ über den Ausgang der Abstimmung war Philipp nicht. Schon vor der Veröffentlichung der ersten Zahlen hatte er ein Ergebnis im Bereich 60:40 Prozent gegen die Campusbahn prognostiziert. Wie die Stadt mit diesem Ratsbürgerentscheid umgeht, erläuterte Philipp im Gespräch mit unserem Redakteur Achim Kaiser.

Wie beurteilen Sie das Abstimmungsergebnis, kommt es für Sie überraschend?

Philipp: Es hat mich nicht wirklich überrascht. Die negative Grundstimmung war auch bei den Veranstaltungen zu spüren. Das Ergebnis ist so eindeutig, dass es da auch kein Nachkarten gibt. Die Bürger wollten dieses Projekt in dieser Größenordnung nicht, insofern war es auch richtig, diesen Ratsbürgerentscheid durchzuführen. Es ist nicht gut für eine Stadt, so ein Projekt durchziehen zu wollen, wenn sie dann einige Jahre gegen die Mehrheit der Bevölkerung arbeiten muss. Jetzt herrscht Klarheit. Die Frage ist nun, wie wir trotzdem innovativ, trotzdem mit einer Campus-Erschließung, trotzdem mit einer guten Infrastruktur für E-Mobilität, trotzdem mit einer verbesserten Qualität des ÖPNV in den nächsten Jahren fortfahren wollen. Das wird auch nicht billig, aber das ist jetzt unser Auftrag.

Was bedeutet die Ablehnung der Campusbahn für den ÖPNV in Aachen?

Philipp: Zunächst einmal müssen wir die Campus-Erschließung von den Fahrzeugkilometern her für den ÖPNV sicherstellen. Das war jedem klar, das kostet Geld, das wollen wir machen. Das ist aber nur der erste Schritt. Wir müssen zugleich auch die Elektro-Mobilität auf andere Weise in der Infrastruktur sicherstellen. Das heißt, wir werden planen, wo in der Stadt welche Umspannstationen und welche Flächen bereitgestellt werden, um dann auch ein Netz von möglichen Ladestationen zu knüpfen, das wir jetzt nicht automatisch mit der Campusbahn verbinden können.

Gibt es schon einen konkreten Plan B?

Philipp: Nein, die Campusbahn war der Plan für 2019. Die Alternative ist im Grunde ein Stufenprojekt. Wir können jetzt sukzessive den Busverkehr so ausbauen, dass man alle ein, zwei Jahre etwas Neues hinzufügt und jetzt auch nicht alles entscheiden muss. Aber dass wir 2019 bei einer ähnlich attraktiven Lösung angekommen sein müssen, steht für mich außer Frage.

Ist das Ergebnis eine Art Denkzettel für die Politik?

Philipp: Ich glaube, dass es eine generelle Stimmung gab. Es wurden uns so oft im Zusammenhang mit der Campusbahn Projekte wie der Berliner Flughafen oder Stuttgart 21 bei Diskussionsveranstaltungen vorgehalten. Ich glaube, dass das nicht wirklich ein Problem der Aachener Kommunalpolitik ist. Generell besteht bei den Bürgern momentan eine Skepsis gegenüber Investitionen. Der Auftrag kann eigentlich nur lauten, dass man sehr viel mehr darüber informiert, dass man mit Investitionen in die Zukunft unserer Stadt auch langfristig die Einnahmenseite sichert. Die Menschen haben dafür bisher nur sehr wenig Gefühl.

Sie haben sich als Oberbürgermeister stark gemacht für das nun gescheiterte Großprojekt. Empfinden Sie das Nein der Bürger auch als persönliche politische Niederlage?

Philipp: Das ist natürlich für mich eine Niederlage – aber nicht nur für mich, sondern für jeden, der sich für das Projekt ausgesprochen hat. Aber Niederlagen gehören auch zum politischen Geschäft. Wenn das Ergebnis so eindeutig ist – und wir aber sagen können: Wir haben alles versucht, wir haben gut argumentiert, wir haben uns aber einer breiten Front gegenüber gesehen –, dann muss man das Ergebnis so akzeptieren.

Welche Lehren ziehen Sie aus diesem Ratsbürgerentscheid?

Philipp: Wir müssen sehr viel daran arbeiten, Entscheidungen zu erklären. In die Frage der Weiterentwicklung unserer Stadt müssen wir die Bürger künftig mehr einbeziehen, um so mittelfristig zumindest die Angst vor Investitionen ein Stück zu mindern. Das wird aber mit Sicherheit nicht von heute auf morgen gehen.

Kommentar: Als OB sollte er sich fragen, wie er eine Bürgerschaft vertreten kann, deren Meinung er so massiv falsch eingeschätzt hat!

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