„Kein Schnellschuss“ nach dem Aus für die Campusbahn

 

Di, 12. Mär. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Titel Aachen / Seite 1

„Kein Schnellschuss“ nach dem Aus für die Campusbahn

Aachen sucht eine Alternative. Aber das kann ein Jahr dauern. RWTH-Politologe sieht tiefe Krise der politischen Repräsentation.

Von Udo Kals
und Achim Kaiser

Aachen. Am Tag nach der Abstimmung über die Campusbahn war Hans-Joachim Sistenich, Geschäftsführer des Aachener Verkehrsbetriebes (AVV), noch tief getroffen: „Ich bin 40 Jahre in dem Job. Aber das war das erste Mal, dass ein Vorzeigeprojekt mit diesem Reifegrad gescheitert ist.“ Drei Gründe nennt Sistenich, warum die Mehrzahl der Bürger die Bahn auf das Abstellgleis geschickt hat: „die bundesweite Stimmung gegen Großprojekte, die Individualisierung der Gesellschaft und das massive Misstrauen in Stadt und Politik“.

In dieselbe Kerbe schlägt der Aachener Politologe Emanuel Richter. „Ich würde nicht von einer Verhinderungspolitik sprechen, sondern von einem massiven Misstrauen. Wir erleben derzeit eine tiefe Krise der politischen Repräsentation“, meint der RWTH-Wissenschaftler mit Blick auf das deutliche Ergebnis des Entscheids.

Gleichwohl ist für ihn mit Blick auf die Finanzdebatte das Nein zur Campusbahn „ein Stück eine populistische Entscheidung“. Als eine Lehre aus dem Ratsbürgerentscheid mahnt er eine noch frühere und noch intensivere Beteiligung der Menschen an – „damit der öffentliche Meinungsbildungsprozess sich noch stärker mit dem Expertenurteil abstimmen kann und sich so an Fakten orientiert, nicht an Stimmungen“, sagt Richter, der zugleich einen konkreten Vorschlag vorlegt: „eine Art Mediationsverfahren, bei dem man versucht, von Anfang an alle im weitesten Sinn Betroffene an einen Tisch zu bringen“, sagt er im Interview mit unserer Zeitung.

Derweil machen sich Aseag und AVV Gedanken, wie Alternativen zur abgelehnten Stadtbahn aussehen könnten. „Es wird keinen Schnellschuss geben, wir werden ein Jahr Zeit brauchen für eine seriöse Alternative“, sagt Aseag-Vorstand Michael Carmincke. Allerdings würden jetzt mehr als 100 Millionen Euro Fördergelder fehlen, das mache, so AVV-Chef Sistenich, die Sache nicht leichter.

Überlegungen gehen möglicherweise in Richtung eines Stufenplans. An erster Stelle müsse aber nun das Hochschulgebiet bustechnisch erschlossen werden. Hier könnte sich Carmincke elektrifizierte Strecken vorstellen.

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