Der Ponyhof und der „Patriot“-Einsatz

 

Mo, 4. Mär. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Blickpunkt / Seite 2

Der Ponyhof und der „Patriot“-Einsatz

Deutsche Soldaten in der Türkei. Der Verteidigungsminister steht zwischen den Fronten.

Von Thomas Lanig

Berlin. Dass es nicht leicht wird für die Bundeswehr-Soldaten im Osten der Türkei, war von Beginn an klar. Ende Januar attackierten aufgebrachte Gegner des Nato-Einsatzes in der Hafenstadt Iskenderun eine Gruppe deutscher Soldaten, die gerade erst im Land angekommen war. Jetzt berichtet der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus, dass die rund 300 Deutschen auch bei ihren türkischen Kameraden alles andere als willkommen sind. Dabei sollen sie doch den Nato-Partner mit „Patriot“-Raketen gegen Angriffe aus Syrien schützen. Vorübergehende Probleme oder neue Belastung für die komplizierten deutsch-türkischen Beziehungen?

Verteidigungsminister Thomas de Maizière spricht von Übergangserscheinungen. Verdreckte Toiletten, verspätete Feldpost, keine Zigaretten, nichts als Fladenbrot und Hundekadaver auf dem Kasernengelände von Kahramanmaras: Das mag auch noch unter der Überschrift „kulturelle Unterschiede“ durchgehen. Schwerer wiegt aber der Vorwurf, die türkische Armee unterbinde den Kontakt zwischen ihren Soldaten und den Deutschen. Und besonders problematisch: Eine deutsche Feldjägerin soll bei einer Auseinandersetzung mit einem türkischen General Prellungen davon getragen haben.

Interessant ist, dass der Wehrbeauftragte und der Verteidigungsminister vor einer Woche zusammen die deutschen Soldaten in der Türkei besucht haben. Allerdings blieb Königshaus einen Tag länger. De Maizière räumt ein, dass man ihm vielleicht „eher die Schokoladenseite“ gezeigt habe. „Man muss sehen, dass Traditionen unterschiedlich sind“, sagt er. „Wenn diese neuen Unterkünfte fertig sind, wird sich vieles, was da vorgetragen worden ist, ändern.“

Aber offensichtlich gibt es auch unterschiedliche Bewertungen der Zustände in Kahramanmaras. Der CDU-Verteidigungsexperte Ernst-Reinhard Beck, der zur selben Zeit wie Königshaus die Truppe in der Türkei besucht hat, wies die scharfe Kritik des Wehrbeauftragten zurück. „Meinem Eindruck nach ist das absolut nicht gedeckt.“ Königshaus versteht sein Amt vor allem als kritische Stimme, die Beschwerden aus der Truppe Gehör verschafft. De Maizière dagegen ist mit dem Zitat in Erinnerung, niemand solle die Illusion verbreiten, „als könne die Bundeswehr ein Leben wie auf einem Ponyhof bieten“. Gerade erst hat der Minister den „oft übertriebenen Wunsch nach Wertschätzung“ in der Bundeswehr kritisiert. „Hört einfach auf, dauernd nach Anerkennung zu gieren“, sagte er – und entschuldigte sich später für die „falsche Tonlage“.

Wie sensibel die deutsch-türkischen Beziehungen sind, konnte Kanzlerin Angela Merkel vor einer Woche bei ihrem Besuch feststellen. Die sehr selbstbewusst gewordene Türkei verübelt Merkel nach wie vor den mangelnden Einsatz für eine EU-Mitgliedschaft, gleichzeitig wird gewarnt, man brauche Europa bald gar nicht mehr. Der Nato-Partner Türkei begrüßt zwar die deutsche Unterstützung an der syrischen Grenze, man will sich aber von den Deutschen nicht die konkreten Bedingungen vorschreiben lassen, weder den Zustand der Klos noch den Kantinenplan. Bis auf weiteres wohnen die deutschen Soldaten übrigens im Hotel – bis die neuen Unterkünfte fertig sind.

Afghanistan bietet bessere Verhältnisse

Die Einsatzbedingungen in der Türkei sind anders und deutlich schlechter als etwa im großen Hauptquartier von Masar-i-Scharif in Afghanistan, wo Bundeswehr-Soldaten sich inzwischen fast wie in einer deutschen Kleinstadt fühlen können. Der Einsatz dort steht unter ihrer Regie und Verantwortung, im türkischen Kahramanmaras dagegen sind sie Gäste. Vermutlich deshalb will die türkische Armee dort auch keine deutschen Flaggen und Ortsschilder dulden. (dpa)

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