Kriminalität auf der Straße nimmt zu

Mi, 20. Jan. 2016
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 13

Kriminalität auf der Straße nimmt zu

Polizei registriert 79 Fälle von „Antanzen“. Täter vor allem aus Nordafrika. Von Kölner Verhältnissen könne in Aachen dennoch nicht die Rede sein.

Von Thomas Vogel

Aachen. Die Straßenkriminalität in Aachen zieht an. Bis Ende September vergangenen Jahres waren die Fallzahlen noch rückläufig oder stagnierten. Seit dem vierten Quartal aber verzeichnet die Polizei einen Anstieg, insbesondere in der Aachener Innenstadt, erklärte Polizeipräsident Dirk Weinspach gestern bei einer Pressekonferenz zur Sicherheitslage in Aachen. Unter besonderer Beobachtung stehen Trickdiebstähle nach dem Muster des Antanzens, verübt meist von Nordafrikanern. Mit Blick auf die Flüchtlinge ist es Weinspach allerdings wichtig, die Relationen im Blick zu behalten.

79 Fälle mit der Antanzmasche hat die Polizei 2015 registriert, sechs davon seien in ein Raubdelikt gemündet. Die Tatorte liegen vor allem im Bereich innerer Grabenring und an den Achsen vom Theater Richtung Hansemannplatz und von der Pontstraße über den Markt bis zum Elisenbrunnen. 15 Täter hat die Polizei in diesem Zusammenhang bisher ermittelt, neun von ihnen stammen aus Marokko, vier aus Algerien.

Auf diese Entwicklung reagiert die Polizei mit bisher 50 Sonder- und Schwerpunkteinsätzen gegen Straßenraub und Trickdiebstahl – besonders am Wochenende zu den tattypischen Zeiten abends, nachts und frühmorgens. Neben Beamten in Zivil werden uniformierte Polizisten in die Innenstadt geschickt. Allerdings nur in massiver Gruppenstärke. Grund: Bei der Überprüfung von verdächtigen Personen treffen sie ihrerseits nicht selten auf große Gruppen. Bei fast allen Festnahmen sei man in den vergangenen Wochen auf hohe verbale und körperliche Aggressivität gestoßen, sagte Helmut Lennartz, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz. Dennoch zeigt die massive Präsenz in den Augen der Polizei Wirkung. Am vergangenen Wochenende habe es nur ein Raubdelikt gegeben.

Auch die Aachener Staatsanwaltschaft hat reagiert. Die „Antanz“-Fälle werden seit vergangenem Freitag in der politischen Abteilung gebündelt behandelt. Das verschaffe den Kollegen, die mit den Delikten betraut sind, einen besseren Überblick über den Ist-Zustand und die Entwicklung und erleichtere die Kommunikation der Behörden.

Massendiebstahl und Hunderte sexuelle Belästigungen, wie sie in der Kölner Silvesternacht vorkamen, seien in Aachen bisher jedoch nicht aufgetreten. Dennoch laufen die Ermittlungen der Aachener Polizei in enger Abstimmung mit den Kölner Kollegen von der Ermittlungsgruppe „Neujahr“ weiterhin auf Hochtouren. Nicht nur, weil im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Aachen 23 Menschen zu Hause sind, die in der besagten Nacht in Köln zu Opfern wurden, elf Frauen wurden Opfer von Sexualdelikten. Am vergangenen Samstag hatte die Aachener Polizei auf dem Markt einen 24-jährigen Algerier festgenommen, der ein in der Silvesternacht in Köln gestohlenes Handy bei sich hatte. Er sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Weiterhin kann die Polizei nicht ausschließen, dass sich Täter von Köln in der Region aufhalten.

Kein Intensivtäter

Weinspach und seine Kollegen klärten außerdem die Frage, warum der 18-jährige Algerier, der jüngst wegen etlicher Taten in Aachen für Schlagzeilen sorgte – darunter Antanzen –, bei der Polizei nicht als Intensivtäter geführt werde. Dafür, erklärte Armin von Ramsch, Leiter der Kriminaldirektion 1, müssten bestimmte Voraussetzungen vorliegen – mindestens fünf Delikte in einem Jahr etwa, dazu von einem gewisses Kaliber. Das treffe auf die angesprochene Person nicht zu. In Aachen werden derzeit 55 Personen als Intensivtäter geführt, 80 Prozent von ihnen mit Migrationshintergrund.

Trotz allem warnte Weinspach davor, im Lichte dieser Fälle alle Flüchtlinge über einen Kamm zu scheren. Weit über 90 Prozent von ihnen seien in keiner Weise straffällig geworden und wollten sich integrieren. „Die Gesamtgruppe der Flüchtlinge stellt kein besonderes, signifikantes Sicherheitsrisiko dar.“

Kaum Nordafrikaner in Untersuchungshaft

Trickdiebstähle nach dem Muster des Antanzens werden vor allem Tätern aus dem nordafrikanischen Raum zugeschrieben. In der Justizvollzugsanstalt Aachen spiele der Anteil an Untersuchungshäftlingen aus dieser Region bisher allerdings keine herausragende Rolle, wie die Leiterin der JVA, Reina Blikslager, auf „Nachrichten“-Anfrage mitteilte.

Von derzeit 188 Gefangenen in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Aachen sind 102 ausländischer und 86 deutscher Staatsangehörigkeit. Fünf U-Häftlinge seien aus Marokko, vier aus Algerien und einer aus Tunesien.

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