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Scheibenstraße: Bunker steht zum Verkauf
Von: Heiner Hautermans
Letzte Aktualisierung: 8. Oktober 2015, 19:02 Uhr
Durch die Gemälde der Schüler aus der Aretzstraße ist der Bunker an der Ecke
Scheibenstraße/Hein-Janssen-Straße in den letzten Jahren ins öffentliche Bewusstsein
gerückt. Sie sind zumindest urheberrechtlich, aber nicht denkmalgeschützt. Foto: Harald Krömer
Eine Verkleidung der Außenwände war für die Bunker der zweiten Welle nicht mehr
vorgesehen, ein Zeichen für den wachsenden Zeitdruck 1941.
Aachen. Wer über genügend Spielraum im Dispo verfügt, kann derzeit ein Immobilien-Schnäppchen machen: den Bunker an der Ecke Scheibenstraße/Hein-Janssen-Straße – ein besonders dickes Betongold. 1,1 Million Euro stellt sich die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) als Kaufpreis vor,
Dafür erhält der Käufer ein 1105 Quadratmeter großes Grundstück in einigermaßen guter Lage, eingebettet in einem viergeschossiges Wohngebiet und nicht weit von Stadtzentrum und Europaplatz entfernt. Das Verfahren ist bereits eröffnet, ein erster Besichtigungstermin hat bereits stattgefunden.
Es handele sich nicht um eine Versteigerung, sondern um ein stilles Gebotsverfahren, das noch bis zum 24. November gehe, teilt Andreas Paltvoetz mit, stellvertretender Abteilungsleiter des Bima-Verkaufsteams Köln. „Erst danach öffnen wir die Umschläge.“ Ein formelles Angebot sei noch nicht eingegangen, man habe aber schon einige Anfragen über das Internet bekommen und etwa 100 Interessenten angeschrieben, die grundsätzlich auf Bunker aus seien.
Aachen ist – wegen der Grenzlage – immer noch eine bunkerreiche Stadt, 15 Hochbunker befinden sich immer noch innerhalb der Stadtgrenzen. 1940 wurde ein Eilprogramm zum Schutz der Zivilbevölkerung aufgelegt, Aachen wurde aufgrund seiner geografischen Lage als besonders gefährdet eingestuft. Das viergeschossige Gebäude an der Scheibenstraße wurden zwischen 1941 und 1943 erbaut, unter anderem durch Kriegsgefangene. Ursprünglich bot der Koloss Platz 1014 Liege- und 113 Sitzplätze, nach dem Krieg wurde er als Notunterkunft genutzt, 1946 waren dort 87 Familien untergebracht, außerdem wurde ein Raum als Kindergarten eingerichtet.
Erst 1956 zogen die letzten Bewohner aus, in den 1980er Jahren wurde das Gebäude für Zivilschutzzwecke hergerichtet, dabei wurde die Haustechnik erneuert. Auf die Nachkriegsnutzungen weisen noch bunte Anstriche, Schablonenmalereien und Tapeten hin, der Kindergartenraum ist in Hellgelb gehalten, mit einer umlaufenden Bordüre mit Pflanzendarstellungen.
Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, im Gegensatz zu dem Hochbunker zwischen Rütscher Straße und Försterstraße, dem Hauptquartier des letzten Stadtkommandanten Aachens vor der Übergabe an die Amerikaner. Gegen dessen Abriss hatte sich heftiger Widerstand gebildet, die Bürgerinitiative konnte sich aber nicht durchsetzen. Der Bunker an der Scheibenstraße ist deshalb geschützt, weil er „sowohl bedeutend für die Geschichte des Menschen und der Stadt ist als auch städtebauliche und wissenschaftliche (hier architektur- und militärgeschichtliche) Gründe für seine Erhaltung und Nutzung vorliegen“, heißt es im entsprechenden Gutachten der Bezirksregierung Köln. Hervorgehoben wird die historisierende Gestaltung einzelner Architekturelemente ebenso wie die Prinzipien, nach denen der Grundriss entworfen wurde, etwa „Personenströme geordnet zu verteilen“.
Das gewaltige Gebäude steht unter Denkmalschutz, nicht aber die Wandmalereien, die im Laufe viele Jahre von Schülern der Schule Aretzstraße unter Anleitung des Künstlers Gerd Lebjedzinski im Rahmen des Euregio-Projekts Frieden auf der Fassade gemalt worden sind und sich mit stadtgeschichtlichen Themen beschäftigen. Dennoch kann ein potenzieller Erwerber damit nicht tun und lassen, was er will. „Der Käufer erwirbt alle Rechte und Pflichten an dem Kunstwerk mit dem Tag des Besitz- und Lastenwechsels“, heißt es dazu im Exposé der Bima.
„Diskussion müssen wir führen“
„Ein öffentliches Interesse an den Malereien ist vorhanden, weil sie von Kindern der Schule Aretzstraße gestaltet worden sind“, findet auch Monika Krücken, Leiterin der städtischen Denkmalpflege. Sie verweist auch auf das Urheberrecht: „Das ist ein Stück der Aachener Stadtgeschichte. Diese Diskussion müssen wir führen.“ Am liebsten wäre ihr, wenn der Bunker weitgehend so bliebe, wie er ist, etwa als Lager genutzt würde und oben in die Höhe gebaut würde. Eine Aufstockung mit einem Voll- und einem Staffelgeschoss mit mehr als 1000 Quadratmeter Geschossfläche ist laut Bima grundsätzlich denkbar und wird im Rahmen einer Bauvoranfrage geprüft.
Leserkommentare
Der Luftschutzbunker steht – so zu lesen in verschiedenen Unterlagen –
unter Denkmalschutz, aber was geschieht nach dem Verkauf des Bunkers
mit den einmaligen Wandmalereien?
Inge und Dieter Wernet
Militärhistorische Studien
St. Vith / Belgien