„Sie werden uns umbringen“: Homs wird zur Todesfalle

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Fr, 10. Feb. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / AN Politik / Seite 4

„Sie werden uns umbringen“: Homs wird zur Todesfalle

Regierungstruppen wollen die Rebellenhochburg im Westen Syriens mit allen Mitteln einnehmen

Von Mayte Carrasco

Homs. Maryam kauert mit ihren zwei Kindern in einem heruntergekommenen Keller in Baba Amro. Zusammen mit etwa zwanzig anderen Müttern und Kindern sucht sie dort Schutz vor den Granaten und Scharfschützen. Das jüngste Kind im Keller ist zwei Monate alt. Die Angst und die Not sind groß. „Wir haben nichts mehr für die Kinder“, sagt Maryam. „Wir haben große Angst, denn wenn sie (die syrischen Regierungstruppen) in die Stadt kommen, dann werden sie uns umbringen. Sie kennen keine Gnade, nicht einmal für Kinder.“

Die Straßen von Baba Amro sind zu einem Labyrinth geworden, aus dem es kein Entkommen gibt. Für die etwa 28 000 Bewohner des Stadtviertels in der westsyrischen Stadt Homs geht es ums nackte Überleben. Ohne Unterlass beschießen die Truppen des Regimes von Baschar al-Assad Homs. Überall sterben Menschen. Nach Wochen und Monaten von immer neuen Angriffswellen auf die Rebellenhochburg fehlt es mittlerweile an Allem.

Seit Samstag feuerten die Regierungstruppen nach Angaben von Augenzeugen mehr als 500 Granaten pro Tag auf den Stadtteil. Dutzende Männer, Frauen und Kinder starben in ihren Häusern. Nichts regt sich auf den Straßen von Baba Amro, denn auf den Dächern lauern Scharfschützen. Sie schießen auf alles, was sich bewegt. Die einzigen Fahrzeuge auf den Straßen sind die, die Tote oder Verwundete transportieren. Die Regierungstruppen haben Homs umzingelt. Mehr als 40 Kontrollposten der Armee kontrollieren alle Zugangsstraßen. Seit zehn Tagen haben keine Lebensmittellieferungen mehr die Stadt erreicht, Essen und Medikamente werden knapp. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt gehen auch die Heizölvorräte schnell zur Neige. In ganz Homs, einer Stadt mit mehr als 650 000 Einwohnern, gebe es nur noch drei Ärzte, sagen Aktivisten. Einer von ihnen wurde verletzt, als eine Granate die provisorische Klink traf, in der er arbeitete. Die zwei anderen Ärzte seien sehr müde und erschöpft.

Beim Betreten einer dieser provisorischen Kliniken bietet sich ein chaotisches Bild. Das noch verbleibende Krankenhauspersonal muss über am Boden liegende Leichen steigen, um in die Behandlungsräume zu gelangen. Im Behandlungsraum kümmern sich zwei Krankenpfleger um etwa ein Dutzend Verletzte. Operationen sind nicht möglich, und es fehlt an den notwendigsten Medikamenten. Mehr als 274 Menschen seien durch die Angriffe allein in Baba Amro gestorben, sagt Chalid, ein syrischer Aktivist. Mehr als 2000 wurden demnach verletzt.

„Das Regime will diese Unruhen so schnell wie möglich beenden, und es weiß, dass Homs das Bollwerk der Revolutionäre ist“, sagt Chalid. Das Regime habe Spezialeinheiten von Damaskus nach Homs verlegt. Den Bewohnern von Baba Amro steht deshalb das Schlimmste vielleicht noch bevor.

Deutschland weist syrische Diplomaten aus

Aus Protest gegen die Einschüchterung von syrischen Regimegegnern in Deutschland hat die Bundesregierung gestern vier Diplomaten ausgewiesen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) drohte zugleich mit weiteren Strafmaßnahmen. In den vergangenen Monaten hatten Gegner des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, die im Ausland leben, immer wieder über Einschüchterungsversuche berichtet. Die vier Diplomaten wurden offiziell zu „unerwünschten Personen“ erklärt.

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