Do, 27. Jun. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Blickpunkt / Seite 2
Snowdens fragwürdiges Asylziel
Der Ex-Spion will nach Ecuador fliehen. Das südamerikanische Land hat eine lange Tradition bei der Aufnahme von Flüchtlingen, doch um Presse- und Meinungsfreiheit ist es derzeit nicht gut bestellt.
Von Juan Garff
und Klaus Blume
Quito/Berlin. Der südamerikanische Pazifikstaat Ecuador macht wieder mal international Schlagzeilen. Vor einem Jahr war Wikileaks-Gründer Julian Assange vor der britischen und schwedischen Justiz in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchtet. Nun hat der ehemalige US-Geheimdienstmann Edward Snowden Asyl in dem Andenland beantragt. Dieses hat wie andere Länder Lateinamerikas eine lange Asyltradition – aber ein zwiespältiges Verhältnis zur Presse- und Meinungsfreiheit. Die Regierung des linken Präsidenten Rafael Correa ist deshalb schon oft angeprangert worden.
Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hat jetzt wegen eines Mitte Juni verabschiedeten neuen Mediengesetzes Alarm geschlagen. Dieses enthalte einschränkende Bestimmungen zur Informationsfreiheit, die eine Zensur rechtfertigen könnten und den Prinzipien der Meinungsfreiheit widersprächen, heißt es in einer Stellungnahme. Das Gesetz sieht auch die Bildung eines Kontrollorgans der Inhalte vor, das ohne richterlichen Beschluss „Berichtigungen“ von „falscher Information“ veranlassen kann.
Der seit 2007 regierende und in diesem Jahr mit großer Mehrheit wiedergewählte Correa gilt als scharfer Kritiker der USA. Manche sehen in dem redegewandten Ökonomen schon die neue Führungsfigur der lateinamerikanischen Linken und glauben, dass er in die Fußstapfen des im März verstorbenen venezolanischen Caudillos Hugo Chávez treten könnte.
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IACHR) der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte in ihrem Jahresbericht Gerichtsprozesse und andere Druckmaßnahmen gegen Medien angeprangert: Ecuadorianische Journalisten standen wegen angeblicher Verleumdung des Präsidenten und anderer hoher Funktionäre vor Gericht.
Die Kommission kritisierte auch Correas Anordnung an seine Minister, keine Erklärungen an bestimmte private Medien abzugeben. Journalisten seien von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen, öffentliche Werbeaufträge einigen privaten Medien entzogen und mehrere lokale Medien geschlossen worden.
Die Kritik zielte vor allem auf die Willkür, mit der die Staatsmacht vorging. Der bekannteste Fall ist der Prozess, den Correa gegen die Zeitung „El Universo“ sowie drei ihrer Verleger und den Autor eines Leitartikels anstrengte. Dort wurde Correa mehrfach als Diktator bezeichnet und angedeutet, dass er bei nächster Gelegenheit auf demonstrierende Menschen schießen lassen könnte. Correa klagte wegen Verleumdung, und die Angeklagten wurden zu 40 Millionen Dollar (rund 30 Millionen Euro) Strafe und drei Jahren Gefängnis verurteilt. Correa verzichtete dann zwar auf die Vollstreckung – aber der Einschüchterungseffekt blieb.
Correa weist die internationale Kritik zurück. „Dahinter stecken Unkenntnis, böser Wille, Interessen oder alles zusammen“, sagte er bei einem Berlin-Besuch im April. Er sagte weiter, dass einige der privaten Medien des Landes „jenseits von Gut und Böse“ stünden und kündigte an, „die schlechte Presse“ weiter zu verurteilen.
Derzeit prüft die Regierung in Quito nach den Worten von Außenminister Ricardo Patiño noch Snowdens Asylantrag. Der Minister sagte, seine Regierung sei sich im Falles einer Asylgewährung möglicher Konsequenzen für die Beziehungen zu den USA bewusst, doch stünden die Prinzipien der Verfassung über ökonomischen Erwägungen.
Die lange Asyltradition Ecuadors könnte einer der Gründe gewesen sein, aus denen Snowden dort Aufnahme beantragte. Ecuador steht damit aber nicht alleine. In ganz Südamerika werden Verfolgte nur schwer ausgeliefert. Das hat auch damit zu tun, dass viele heutige Spitzenpolitiker zu Zeiten früherer Militärdiktaturen selber einmal die Erfahrung des Exils durchlebten.
Snowden steckt im Transitbereich fest
Briten machen bei „Tempora“ dicht
Nach der Flucht des amerikanischen Geheimdienstspezialisten Edward Snowden haben die USA von Russland die Auslieferung des „Verräters“ gefordert. Anders als von Kremlchef Wladimir Putin behauptet, gebe es „eine eindeutige juristische Grundlage“, sagte Sprecherin Caitlin Hayden vom Nationalen Sicherheitsrat in Washington.
Snowden hielt sich nach Angaben des Moskauer Flughafens Scheremetjewo weiter im Transitbereich auf. Der 30-Jährige besitze aber nach der Annullierung seiner Dokumente durch die US-Behörden keinen gültigen Pass mehr. Damit scheint Snowdens Weiterreise schwer möglich. Zuletzt hieß es, er wolle von Russland aus über Kuba nach Ecuador fliegen, wo er Asyl beantragt habe. (dpa)
Die deutsche Politik ringt weiter um Aufklärung zum Ausmaß der Internetüberwachung durch britische und amerikanische Geheimdienste, stößt damit allerdings vorerst auf Granit. Die britische Regierung wollte Fragen der Bundesregierung über das massive Abhörprogramm „Tempora“ des britischen Geheimdienstes GCHQ nicht beantworten. Die deutsche Justizministerin bat unterdessen ihre britischen Amtskollegen um Auskunft, ob auch Deutsche abgehört wurden.
Die vom ehemaligen US-Geheimdienstler Edward Snowden enthüllten Aktionen der britischen und US-Geheimdienste hatten in Berlin in den Reihen für Empörung gesorgt. Während der US-Geheimdienst NSA offenbar Daten von großen Internetfirmen wie Google, Microsoft und Yahoo abgreift, zapfen die Briten demnach transatlantische Übertragungskabel an, die die weltweiten Datenströme am Meeresboden transportieren.
Die britische Regierung war nicht gewillt, Deutschland weitere Informationen zu „Tempora“ zu geben. Das geht aus einem knapp formulierten Schreiben der britischen Botschaft an das Innenministerium vom 24. Juni hervor. Darin heißt es: „Wie Sie ja wissen, nehmen britische Regierungen grundsätzlich nicht öffentlich Stellung zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten.“
London empfiehlt nun der Bundesregierung, als geeigneten Kanal für derartige bilaterale Gespräche „unsere Nachrichtendienste selbst“ anzusprechen. Das Innenministerium hatte am Montag einen umfassenden Fragenkatalog nach London geschickt. Die Antwort der Briten umfasst lediglich drei Zeilen. (dpa)