Staatsrechtler warnt vor einem „offenen Rechtsbruch“

Mi, 19. Jun. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / AN Politik / Seite 4

Staatsrechtler warnt vor einem „offenen Rechtsbruch“

Nullrunde für höherbesoldete Beamte: Landesregierung sieht sich in parlamentarischer Anhörung mit heftiger Kritik konfrontiert

Von Johannes Nitschmann

Düsseldorf. Die von der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen geplanten zwei Nullrunden für höherbesoldete Beamte sind nach Auffassung führender Staats- und Verwaltungsrechtler verfassungswidrig. Das Sonderopfer zur Einhaltung der Schuldenbremse sei „ein offener Rechtsbruch“, erklärte der Berliner Rechtswissenschaftler Ulrich Battis gestern bei einer parlamentarischen Anhörung im Landtag. Mit Ausnahme des Steuerzahlerbundes lehnten alle übrigen 20 Sachverständigen die Besoldungspläne ab.

Die NRW-Regierung will die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst in Höhe von insgesamt 5,6 Prozent für die beiden kommenden Jahre bei den Beamten nur bis zur Besoldungsgruppe A 10 übernehmen. Für die Besoldungsstufen A11 und A 12 soll es bis 2014 eine insgesamt zweiprozentige Tariferhöhung geben, während für die Besoldungsgruppen ab A 13 zwei Nullrunden vorgesehen sind. Dadurch soll der Landeshaushalt jährlich um 710 000 Euro entlastet werden.

Mehrere Gewerkschaftsvertreter drohten bei der Anhörung mit Klagen gegen die Landesregierung beim Landesverfassungsgerichtshof in Münster und dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Er appelliere an alle 237 Landtagsabgeordneten, die geplanten Sonderopfer umgehend zu stoppen, „bevor es Karlsruhe tut“, sagte der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Wilfried Albishausen. „Wut und Frustration“ unter Kriminalbeamten sei „niemals größer gewesen“.

Der Vorsitzende der Vereinigung der Verwaltungsrichter in NRW, Carsten Günther, rechnete bei der Anhörung vor, dass die Gehaltentwicklung bei den Richtern an Rhein und Ruhr bereits heute 20 Prozent unter ihren „verfassungsrechtlichen Ansprüchen“ liege. Jetzt sollten noch einmal 5,6 Prozent hinzukommen.

Der Rektor der Fachhochschule Aachen, Marcus Baumann, beklagte, angesichts einer Auslastung an den Hochschulen von derzeit 150 bis 160 Prozent sei es ein „fatales Signal“ sämtliche Professorengehälter für zwei Jahre einzufrieren. Angesichts der Gehaltsentwicklung für höhere Beamtengruppen werde es für ihn immer schwieriger, Professoren außerhalb von NRW oder exzellente Kräfte aus der Wirtschaft für seine Hochschule anzuwerben.

Nur der Steuerzahlerbund hält die gestufte Anpassung der Beamtengehälter für gerechtfertigt. Dies sei ein „notwendiger Einschnitt“, um die dramatischen Zuwächse bei den Personalausgaben des Landes zu begrenzen, erklärte der Haushaltsexperte des Steuerzahlerbundes, Eberhard Kanski. Ähnlich wie NRW würden auch andere Bundesländer mit der Übernahme des Tarifergebnisses im öffentlichen Dienst verfahren.

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