Verfassungsschutz wusste schon 2008 mehr über die KAL

 

 

Fr, 21. Sep. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / AN Politik / Seite 4

Verfassungsschutz wusste schon 2008 mehr über die KAL

Vertrauliche Akten weisen auf einen V-Mann hin. Führender KAL-Funktionär sorgte für Vernichtung von Akten und Tarnung.

Von Michael Klarmann

Aachen. Die am 23. August 2012 verbotene Neonazi-Bande „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) hat sich seit Ende 2008 auf ein Verbot vorbereitet und Unterlagen vernichtet, die den Ermittlern nicht in die Hände fallen sollten. Dessen ungeachtet baute die KAL weitere Strukturen auf – etwa im Raum Heinsberg. Zudem nahm „Kameradschaftsführer“ René Laube an einem bundesweiten Treffen von Neonazi-Kadern teil, zu dem auch zwei Personen kamen, die 2011 im Zuge der Ermittlungen zur Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) Schlagzeilen machten.

So nahmen am 27. Dezember 2008 im sächsischen Borna neben Laube an dem Treffen bundesweit wichtiger Kader aus der militanten Nazi-Szene auch die ostdeutschen Neonazis Thomas G. und André K. teil. Dies geht aus Papieren des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes hervor, die das Siegel strengster Vertraulichkeit („VS – Nur für den Dienstgebrauch“) tragen und unserer Zeitung vorliegen. G. und K. standen im Verdacht, die NSU-Mörderbande unterstützt zu haben.

Am 23. August 2012 sagte der Einsatzleiter für die Großrazzia gegen die KAL, Helmut Wälter, die Polizeiaktion sei über Wochen akribisch vorbereitet worden, und tatsächlich habe man im Morgengrauen „die Klientel“ überrascht. Der Leiter des Kommissariats „Rechts motivierte Kriminalität“ (Remok), Stephan Zenker, sagte, die erst seit Jahresbeginn bestehende Remok habe maßgeblich dazu beigetragen, der nach außen hin lose auftretenden Gruppe einen Quasi-Vereinsstatus nachweisen zu können. Nur so sei das Verbot möglich gewesen.

Geht man indes von den VS-Papieren aus, wusste der Landesverfassungsschutz schon seit mindestens 2008, dass die KAL organisiert war wie ein Verein. Zudem war klar, dass sich die Bande auf ihr Verbot vorbereitete. So gab Laube am 10. Januar 2009 nach einer ersten Welle von Verbotsforderungen auf der Jahreshauptversammlung der KAL im Hinterzimmer einer Gaststätte im Kreis Heinsberg das Kommando aus, Unterlagen wie Mitgliederlisten, Papiere über Beitragszahlungen oder solche über die Organisationsstrukturen zu vernichten. Überdies sollten Bezeichnungen in der Öffentlichkeit unterlassen werden, die Funktionen benennen. Seitdem trat Laube auch nicht mehr als „Kameradschaftsführer“ auf.

Gut vier Jahre vor dem Vollzug des KAL-Verbots war zumindest also dem Landesverfassungsschutz bekannt, dass die KAL vereinsmäßig organisiert war. Grund für diese Erkenntnis war mindestens ein V-Mann in der KAL. Durch ihn erfuhr die Behörde etwa, dass der Mitgliedsbeitrag 5 Euro betrug, der KAL-„Kassenwart“ Anfang 2009 rund 1000 Euro auf einem Girokonto zu verwalten hatte und inaktiven oder säumigen Mitgliedern der Rauswurf drohte.

Unklar ist, ob die KAL wusste, dass ein V-Mann in ihren Reihen war, der dem Landesamt regelmäßig Bericht erstattete. Auf dem Treffen im Januar 2009 diskutierten die rund 25 Neonazis jedenfalls über einen anderen Spitzel. Sie bemühten sich darum, ein „U-Boot“ zu finden, das Kontakt zu Medien unterhielt und Interna weitergab, die nicht für die Presse bestimmt waren.

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