Was uns die Alemannia Aachen kostet

Sa, 10. Mai. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 15

Der Stadt droht ein 30-Millionen-Loch

Gewerbesteuer-Einnahmen scheinen deutlich hinter den Erwartungen zu liegen. Kämmerin: „Es ist unbestritten eng.“

Von Gerald Eimer

Aachen. Die Gewerbesteuer-Einnahmen fallen in Aachen in diesem Jahr möglicherweise drastisch niedriger aus als erhofft. Darauf hat Kämmerin Annekathrin Grehling jetzt die Finanzpolitiker vorbereitet. Aktuell liegen die Sollstellungen lediglich bei rund 170 Millionen Euro. Kalkuliert sind hingegen Einnahmen in Höhe von etwas über 200 Millionen Euro. Ob und wie die Lücke von gut 30 Millionen Euro in einem auf Kante genähten Haushalt geschlossen werden kann, ist derzeit völlig offen.

Noch will die Kämmerin nicht wirklich Alarm schlagen, doch zur Beruhigung geben die nach dem ersten Quartal ausgewerteten Zahlen wahrlich keinen Anlass. Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Um die Stadt aus den tiefroten Zahlen rauszuholen, hat der Aachener Rat erst für dieses Jahr den Hebesatz auf 475 Punkte angehoben. 16 Millionen Euro zusätzlich sollte das bringen. Doch die wirtschaftliche Entwicklung scheint derzeit dagegen zu sprechen.

Löcher von 30 bis 40 Millionen Euro habe es auch in früheren Jahren schon gegeben, gibt sich Grehling noch halbwegs gelassen. „Das ist nicht ganz ungewöhnlich“, sagt sie. Auch zeigten weitere Zahlen, dass die Stadt im Grunde „wirtschaftlich stabil“ dastehe. Ein leichtes Plus gebe es etwa bei der Einkommensteuer, im Plan liege die Umsatzsteuer. Dennoch bleibt die Frage: Was passiert, wenn das sich nun abzeichnende Loch bei der Gewerbesteuer nicht geschlossen werden kann.

„Es ist unbestritten eng“, sagt Grehling. Doch über Gegenmaßnahmen will sie frühestens Ende Juli sprechen, wenn die Auswertung des zweiten Quartals vorliegt. Dann aber muss sie womöglich die Keule „Verfügungssperre“ schwingen. „Dann kann ich nur noch bei den Ausgaben knabbern“, sagt sie.

Die FDP, die zu den schärfsten Kritikern der Gewerbesteuererhöhung zählt, fühlt sich von der jetzigen Entwicklung bereits bestätigt. Es gebe viele Stundungsanträge, weil kleinere Unternehmen an der Grenze der Belastbarkeit angekommen seien. „Dieses Geld fehlt dann der Stadt“, sagt etwa Fraktionschef Wilhelm Helg. Auch gebe es bereits Firmenverlagerungen, weil die Steuersätze in den Nachbarkommunen niedriger sind. Doch Grehling widerspricht: „Abwanderungstendenzen sind für mich nicht zu erkennen.“ Und mit Stundungsanträgen habe sie – aus unterschiedlichsten Gründen – seit jeher zu tun. Derzeit liegen nicht mehr als sonst auf ihrem Tisch, versichert sie. Auf die jetzt vorliegenden Zahlen hätte die Frage der Fälligkeit aber ohnehin keinen Einfluss.

Die Lage ist gleichwohl bedenklich und dürfte dem neuen Rat die Arbeit nicht erleichtern. Und während Bundesfinanzminister Schäuble der Regierung in Berlin ein neues Steuerplus prognostiziert, wird Grehling nahezu zeitgleich vor Augen geführt, wie es in den Niederungen der Kommunen zugeht.

 

Fr, 9. Mai. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Region AN Titel / Seite 9

Bürgschaften werden zur Bürde

Das Land NRW hat seit 2000 für zehn neue Fußballstadien gebürgt – insgesamt mit einer Summe von 126,7 Millionen Euro. In Aachen und Duisburg muss das Land einspringen: mit fast 36 Millionen Euro.

Von Marlon Gego

Aachen/Düsseldorf. Die Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Kai Abruszat (FDP) kam so kurz vor den Wahlen überraschend, normalerweise werden zu solchen Zeitpunkten seichtere Diskussionen geführt. Abruszat wollte von der nordrhein-westfälischen Landesregierung wissen, für welche der vielen neuen Fußballstadien das Land eigentlich bürgt. Eine solche Anfrage ist immer auch eine Provokation, weil in ihr die These mitschwingt: Hört endlich auf, die Stadien der reichen Fußballvereine zu subventionieren.

Die EU schaltet sich ein

Ganz so deutlich sagt es Abruszat dann im Gespräch mit unserer Zeitung nicht, schließlich sind ja bald Wahlen. Er formuliert es stattdessen so: „Ich finde es seltsam, bei der Inklusion um jeden Euro zu ringen, aber bei der Unterstützung eines ohnehin schon reichen Gewerbes wie dem Profifußball großzügig zu sein.“ Das Land solle klare Prioritäten setzen, findet Abruszat, erst recht bei einem Schuldenstand von etwa 135 Milliarden Euro.

Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) antwortete Abruszat im Haushaltskontrollausschuss des Düsseldorfer Landtages, das Land habe seit 2000 Bürgschaften für zehn Fußballstadien in einer Gesamthöhe von 126,7 Millionen Euro übernommen. Bürgen heißt ja nicht automatisch auch bezahlen; die Bürgschaft wird nur dann fällig, wenn der Kreditnehmer den Kredit nicht mehr bezahlen kann.

So wie es in Aachen passierte: Die Alemannia meldete Insolvenz an, die Bürgschaft des Landes wurde fällig: 21,84 Millionen Euro flossen aus der Landeskasse an die kreditgebenden Banken. Wie in Duisburg: Für das neue Stadion des mittlerweile in die dritte Liga abgestiegenen MSV wird das Land mit knapp 14,1 Millionen Euro einspringen müssen. Und weil sich im Profifußball die Dinge auch für große Vereine sehr schnell ändern können, ist nicht ausgeschlossen, dass das Land für weitere Bürgschaften wird bezahlen müssen.

Weil es fragwürdig ist, wenn Gewinne privatisiert, Schulden aber sozialisiert werden, hat sich die EU des Themas angenommen. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im NRW-Landtag, Mario Krüger, bestätigte auf Anfrage unserer Zeitung, dass die EU-Kommission prüfe, ob Landesbürgschaften für Stadionneubauten nicht gegen Wettbewerbsrecht verstoßen. „In diesem Fall“, sagt Krüger, „müssten alle Bürgschaften rückabgewickelt werden“.

Was das in der Praxis bedeuten würde, ist im Moment völlig offen. Ob nun aber Bund, Länder, Kreise oder Kommunen bei der Stadionfinanzierung einspringen müssen, spielt eigentlich keine Rolle: Bislang ist noch immer der Steuerzahler zur Kasse gebeten worden, wenn Fußballvereine sich mit Stadionneubauten verspekuliert haben.

Zehn Bürgschaften, zwei Ausfälle

Das Land NRW hat nach Angaben von Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) seit 2000 für zehn Stadionneu- oder -umbauten von nordrhein-westfälischen Fußballvereinen aus den drei deutschen Profiligen gebürgt. Um welche Stadien es sich konkret handelt, sagt Walter-Borjans unter Berufung auf das Bürgschaftsgeheimnis nicht. Die Gesamthöhe der Bürgschaften beläuft sich auf 126,7 Millionen Euro.

In mindestens zwei Fällen, nämlich beim Tivoli in Aachen und der Schauinsland-Reisen-Arena in Duisburg, wurde die Bürgschaft fällig. In Aachen muss das Land 21,84 Millionen, in Duisburg knapp 14,1 Millionen Euro bezahlen.

Stand Ende 2012 bürgte das Land NRW für insgesamt 521 Kredite von Vereinen und Unternehmen in Höhe von fast 2,4 Milliarden Euro.

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