|
|
Mi, 13. Feb. 2013 Frieden? Israels Botschafter: Wir sind sofort bereit. Die umstrittenen Siedlungen seien kein Hindernis, sagt Hadas-Handelsman. Er fordert sichere Grenzen und legt Wert auf Kritik, die konkret statt pauschal ist. Berlin. Haben die Parlamentswahlen Israel verändert? Und wenn ja: wie? Welchen Einfluss wird eine neue, eine andere Koalition auf die Nahostpolitik haben? Der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, sieht in den Siedlungsgebieten kein Hindernis für eine durchaus schnelle Friedenslösung. Über Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, über das Problem des Antisemitismus’ und das Verhältnis Israels zu Deutschland sprach unser Chefredakteur Bernd Mathieu in einem Exklusiv-Interview mit Yakov Hadas-Handelsman in der Berliner Botschaft des Staates Israel. Hadas-Handelsman ist seit März 2012 Botschafter in Berlin; vorher war der 55-jährige Diplomat Botschafter seines Landes bei der EU und der Nato in Brüssel. Haben die Wahlen Ihr Land verändert? Yakov Hadas-Handelsman: Zum Teil ja. Man spricht sehr oft über Demokratie. Was bedeutet das? Nur, dass es Wahlen gibt? Oder sollte man sich auf den Inhalt, auf das Ergebnis dieser Wahl konzen-trieren? In Israel, und darauf bin ich als Israeli stolz, ist wieder einmal bewiesen worden, dass unser Volk, wenn es eine Meinung oder eine Weltanschauung hat, diese durch Wahlen zum Ausdruck bringen kann. Hat Sie das Ergebnis der Wahl überrascht? Hadas-Handelsman: Nein, das war keine große Überraschung. Es war sehr klar und hat im Sommer 2011 angefangen mit der Bewegung, die gegen die soziale Lage protestierte. Es entstanden zwei neue Parteien. Jair Lapid ist mit seiner Zukunftspartei „Jesch Atid“ auf Anhieb zur zweitstärksten Kraft geworden. Das ist die wirkliche Bedeutung einer Demokratie. Ist der Aufstieg von Lapid eher innenpolitisch oder außenpolitisch geprägt? Lässt er Rückschlüsse auf die Nahostpolitik Israels zu? Hadas-Handelsman: Es gab ja auch erhebliche Stimmengewinne bei der Partei von Naftali Bennett „Jüdisches Haus – Nationale Union“, das sollten wir nicht außer Acht lassen, also bei einer eher rechten Partei mit klarer Befürwortung der Siedlungspolitik. Aber auf ihrer Tagesordnung stehen auch sozialwirtschaftliche Themen. Da gibt es durchaus Gemeinsamkeiten mit der Lapid-Partei. Wenn der Premierminister eine stabile Koalition haben will, dann muss er mit Lapid und wahrscheinlich auch Bennett eine Zusammenarbeit eingehen. Das wäre ein großes Kunststück, derart unterschiedliche Positionen zusammenzubringen. Wie kann das funktionieren? Hadas-Handelsman: Es wird schon funktionieren, weil es kaum eine Alternative gibt. Und deshalb wird es Einfluss auf das Thema Siedlungspolitik haben. Das Haushaltsdefizit Israels ist doppelt so hoch wie ursprünglich geplant. Spürt die Mehrheit der israelischen Gesellschaft allmählich stärker die Zusammenhänge zwischen der sozialen und wirtschaftlichen Lage und der Nahostpolitik? Hadas-Handelsman: Im Fokus steht der israelisch-palästinensische Konflikt. Für uns in Israel ist es am wichtigsten, diesen Konflikt zu lösen, keine Frage. Aber die größte Bedrohung Israels ist der Iran mit seinen Nuklearwaffen und mit Terror, mit allem, was dieses Land macht. Um sich dagegen zu schützen, muss man viel Geld ausgeben. Doch auch gegen die Hamas in Palästina. Hadas-Handelsman: Zum Teil auch das, aber Hamas ist keine existenzielle Bedrohung Israels. Die Iraner bedrohen unsere Existenz. Wenn wir eine Friedenslösung mit den Palästinensern erreichen könnten, würden wir natürlich Geld sparen, weil wir dann mehr Stabilität hätten. Frieden ist jedoch nicht an erster Stelle nötig wegen der Wirtschaft. Frieden ist nötig wegen Frieden. Fühlt sich Israel beim Thema Iran von der EU, von Deutschland, von der UNO im Stich gelassen? Hadas-Handelsman: Man darf nicht zulassen, dass der Iran in der Lage ist, eine Nuklearbombe zu bauen. Die Bundeskanzlerin meint es ernst, wenn sie sagt, dass dies nicht nur eine Bedrohung für Israel, sondern für uns alle wäre. Der Iran kontrolliert die Hormus-Straße; dort werden ungefähr 20 Prozent des täglichen Verbrauchs an Energie transportiert, Öl und Gas. Wenn der Iran diese Straße sperren würde, wären die Auswirkungen auf das Alltagsleben des Westens enorm, also auch in Aachen oder in Monschau. Werden die Amerikaner dann versuchen, mit Gewalt diese Sperrung aufzuheben? Als die Iraner mit Blick auf die Sanktionen mit der Sperrung drohten, hat sich der Kommandant der Fünften US-Flotte wie ein Cowboy vor die Kameras postiert und zusätzliche Flugzeugträger angekündigt. Die Iraner haben es dann nicht getan. Aber wie wird es aussehen, wenn sie diese Bombe besitzen? Wie wird der Admiral dann reagieren? Was erwarten Sie von den Vereinten Nationen, den USA oder anderen Staaten? Hadas-Handelsman: Über die große Gefahr dieser Bedrohung sind wir uns einig. Es ist immer besser, etwas durch Verhandlungen auf diplomatischem Weg zu erreichen, aber es stellt sich aus unserer Sicht die Frage, ob das in diesem Fall erfolgreich sein wird. Die Iraner kommen dem Bau der Bombe von Tag zu Tag näher, eines Tages werden sie ihr Ziel erreicht haben. Das ist das Problem. In der Siedlungspolitik könnte Israel allerdings sehr stark eigenen Einfluss auf eine Lösung nehmen. Hadas-Handelsman: Ich verstehe die Sorge in Europa und in Amerika. Die Siedlungen verhindern aber die Friedenslösung nicht. Israel hat schon zweimal Siedlungen verlassen – 1982 auf der Sinai-Halbinsel als Folge des Friedensvertrages mit Ägypten, das zweite Mal war es einseitig von Ariel Sharon 2005, als wir uns aus dem Gazastreifen zurückgezogen haben. Mehr als 10 000 Siedler mussten damals ihre Heime verlassen. Die Behauptung, die Siedlungen würden den Frieden verhindern, ist deshalb nicht wahr. Was ist denn das Kernproblem? Hadas-Handelsman: Die Sicherheit unserer Grenzen. Wenn wir diesen Frieden erreichen, müssen die Palästinenser akzeptieren, dass der Konflikt tatsächlich zu Ende ist – mit einem palästinensischen und einem israelischen Staat. Die meisten Menschen in den Siedlungen, die dann im palästinensischen Staat liegen, werden nach Israel umsiedeln und nicht als Minderheit bleiben. Das ist also nicht das Hauptproblem. Es gibt in der Likud-Partei von Premierminister Netanjahu einen rechten Block, der die palästinensischen Gebiete annektieren will. Hadas-Handelsman: Das ist nur eine Minderheit im Likud. Wir sind bereit, jetzt, nicht morgen, jetzt, die Verhandlungen zu erneuern. Die von Ihnen verlangte Garantie für die Sicherheit der Grenzen klingt eher unwahrscheinlich. Hadas-Handelsman: Nichts ist unwahrscheinlich. Man kann über alles nachdenken und reden, man kann alles erreichen. Die Zwei-Staaten-Lösung ist die optimale Lösung. Sie muss natürlich akzeptiert werden. Was wollen die Palästinenser mehr? Das kann man sofort verwirklichen! Israel ist die nationale Heimat für das jüdische Volk, Palästina die nationale Heimat für das palästinensische Volk. Warum bauen Sie immer noch neue Häuser in den Siedlungsgebieten? Hadas-Handelsman: Nur in existierenden Siedlungen, wir bauen keine neue Siedlungen. Es gibt nur Erweiterungen in bestehenden Siedlungen für den Nachwuchs und nur da, wo noch Platz ist. Wir sprechen nicht über zusätzliche Ausweitungen. Die Siedlungen sind nicht der Grund für den Konflikt. Schauen Sie in die Geschichte: Terror gab es gegen Israel schon von 1948 bis 1967, als es gar keine besetzten Gebiete gab. Fatah und PLO wurden nicht erst nach 1967 gegründet. Also bitte: ein bisschen Verhältnismäßigkeit! Schon Ende Juni 1967 entschied die israelische Regierung, das gesamte von uns eroberte Land zurückzugeben, wenn die arabische Welt mit Israel Frieden schließt. Die Antwort fünf Monate später war ein klares Nein. Das sind die Tatsachen. Sie haben kürzlich gesagt, der Antisemitismus werde in Europa präsenter, auch in Deutschland. Wo ist für Sie die Grenze zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus? Hadas-Handelsman: Es gibt drei Kategorien: Israel-kritisch, antiisraelisch oder antisemitisch zu sein. Man darf Israel kritisieren – Punkt. Israel wird tagtäglich am meisten von den Israelis kritisiert. Auch in Deutschland darf man Israel kritisieren – kein Problem. Es gibt ein Aber: In Deutschland erwartet man mehr Sensibilität. Das hat mit der Vergangenheit zu tun; dagegen kann man nichts machen. Antisemitismus existiert leider in der ganzen Welt – eben auch in Europa, auch in Deutschland. In welchem Ausmaß? Hadas-Handelsman: Wenn etwas in Deutschland passiert, wird es immer schlimmer sein als in jedem anderen Land der Welt. Es ist ein Unterschied, ob ein Rabbiner in Paris, in Maas-Mechelen oder in Brüssel angegriffen wird; das erreicht die nationalen Schlagzeilen. Aber wenn ein Rabbiner in Berlin angegriffen wird, dann geht das um die ganze Welt. Man muss nicht erklären, warum. Und der Unterschied zwischen Antisemitismus und Kritik an Israel? Hadas-Handelsman: Ist Kritik ein Ziel oder ein Mittel? Es gibt einige, für die ist Israel-Kritik ein Ziel. Israel-Kritik ist schon ein feststehender Begriff geworden. Gibt es Amerika-Kritik, Russland-Kritik als Begriff? Unabhängig von Begriffen geht es doch meistens um Kritik an der israelischen Regierung. Hadas-Handelsman: Ja, das wird oft so gesagt. Oft von Leuten, die unabhängig davon, wer in Israel an der Regierung ist, immer dieselben Vorwürfe erheben. Das ist doch seltsam. Das ist schon Anti-Israelismus. Antisemitismus ist nicht einfach zu definieren. Wenn jemand sehr obsessiv über Israel urteilt und man findet heraus, dass er noch nie in Israel war, dann frage ich mich nach der Basis dieser Kritik. Kritik an Israel ist legitim, aber sie muss konkret sein und darf Realitäten nicht ignorieren. Wenn etwa Günter Grass schreibt, dass Israel das iranische Volk vernichten will, dann kann ich auch behaupten, dass wir jetzt in Monschau sind und nicht in Berlin. Ist für Sie das Gesetz des Bundestages zur Beschneidung eine akzeptable Lösung? Hadas-Handelsman: Ja, aber es geht nicht um diesen Beschluss, sondern darum, wie sich die deutsche Gesellschaft damit befasst. Eine Debatte darüber in Skandinavien ist etwas anderes als in Deutschland. Deutschland ist sehr stolz auf seine pluralistische Struktur. Und plötzlich wird eine religiöse Gruppe mit Menschen, die Deutsche sind, aber andere Gewohnheiten haben, angegriffen. Es gibt Streit. Darüber sollte die deutsche Gesellschaft nachdenken. Es gab eine Umfrage nach der Entscheidung über das Gesetz im Bundestag: Mehr als 70 Prozent waren gegen dieses Gesetz. Das ist ein Problem Deutschlands. „Die Zwei-Staaten-Lösung ist die optimale Lösung. Was wollen Yakov Hadas-Handelsman, |