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Do, 13. Sep. 2012 Islamisten töten US-Botschafter in Libyen Demonstrationen gegen Mohammed-Persiflage eskalieren. Schweigen in Kairo. Von Anne-Beatrice Clasmann Istanbul. Es sind Bilder wie aus einem Alptraum: Junge Libyer zerren die Leiche von Botschafter Chris Stevens aus dem brennenden US-Konsulat in Bengasi. Ägyptische Islamisten hissen am Abend des 11. September eine schwarze Fahne auf der Mauer der US-Botschaft in Kairo. Es ist die gleiche Fahne, die auch von Al-Kaida-Terroristen im Jemen verwendet wird. Auslöser der Attacken auf die US-Vertretungen in Libyen und Ägypten ist ein drittklassiger Film, in dem Mohammed, der Prophet des Islam, als sexbesessener Trottel dargestellt wird. Doch die Ausschreitungen haben auch einen politischen Hintergrund, wie die ersten Reaktionen aus Kairo und Tripolis zeigten. Während die libysche Regierung und das neu gewählte Parlament die Attacke von Bengasi als „feiges Verbrechen“ verurteilen und die Verdienste des getöteten US-Botschafters loben, bleibt die von den Muslimbrüdern dominierte ägyptische Führung in den ersten Stunden nach den Ausschreitungen verdächtig still. Der amtierende Vorsitzende der Partei der Muslimbrüder, Essam al-Arian, äußerte sich am Mittwoch zunächst nicht zu dem Mob, der den Namen von Osama bin Laden auf die Mauer vor der Botschaft im Stadtteil Garden City schmierte, sondern nur zu dem Film. In ägyptischen Medien wurde er mit den Worten zitiert: „Wir lehnen jede Beleidigung des Propheten ab.“ Der aus der Muslimbruderschaft stammende Präsident Mohammed Mursi sagt erst einmal gar nichts, was von ägyptischen Aktivisten aus dem liberalen Spektrum scharf kritisiert wurde. Sie fragten: „Mursi, wo bist Du?“ und eröffnen dazu unter dem Titel „Scheitern“ eine Diskussion im sozialen Netzwerk Twitter. Eine Nachricht vom Al-Kaida-Chef Im Stich gelassen fühlt sich auch die christliche Minderheit in Ägypten, die seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak über wachsende Diskriminierung klagt. Die koptischen Christen haben nun Angst, erneut zur Zielscheibe militanter Islamisten zu werden. Denn das „Wall Street Journal“ nennt zwar einen 52-jährigen US-Bürger, der von jüdischen Organisationen Geld eingesammelt haben soll, als Drehbuchautor des Films. Während die Polizei in der Provinzstadt Luxor am Mittwoch zusätzliche Sicherheitskräfte losschickte, um amerikanische Archäologen vor möglichen Übergriffen zu schützen, fordert Schaaban Hreidi Bakir, ein Kommunalpolitiker der Wafd-Partei in Luxor, allen Kopten, die den Islam beleidigten, solle die Staatsbürgerschaft entzogen werden. Der ägyptische Botschafter müsse aus Washington abgezogen werden, weil die US-Regierung den islamkritischen Film nicht ausdrücklich kritisiert habe. Wohlgemerkt – die Wafd-Partei bezeichnet sich selbst als liberal. Es bleibt die Frage, wer die jungen Männer gegen die US-Diplomaten aufgehetzt hat. Schließlich sind die Ausschnitte aus dem Film schon seit einigen Wochen im Netz zu finden. Einen Hinweis lieferte ein Slogan, der von Demonstranten in Kairo gerufen wurde. Sie schrien: „Wir sind alle Abu Jahja al-Libi.“ Wenige Stunden zuvor hatte Al-Kaida eine Videobotschaft veröffentlicht, in der es den Tod des Terroristen, der unter dem Kampfnamen Al-Libi bekannt war, erstmals offiziell bestätigt. Die Botschaft stammt von Al-Kaida-Anführer Eiman al-Sawahiri. Der Ägypter hatte nach dem Tod von Bin Laden im vergangenen Jahr die Führung von Al-Kaida übernommen. Einige seiner ehemaligen Weggefährten, die unter dem Regime von Präsident Husni Mubarak in ständiger Angst vor der Polizei lebten, wagen sich jetzt, wo die Muslimbrüder und die Partei der Salafisten den Ton angeben, plötzlich aus der Deckung. (dpa) |