Polizistin: „Gewalt geht oft von jungen Muslimen aus“

Fr, 9. Okt. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Region AN Titel / Seite 9

Polizistin: „Gewalt geht oft von jungen Muslimen aus“

Tania Kambouri spricht Klartext über den Alltag im Dienst. Dass Rechte ihren Text missbrauchen, gefällt ihr nicht, lässt sie aber kalt.

Bochum. Die Bochumer Polizeibeamtin Tania Kambouri hat vor zwei Jahren einen offenen Brief formuliert, in dem sie über die steigende Zahl verbaler und körperlicher Übergriffe auf sich und ihre Kollegen berichtete. Die Resonanz war so groß, dass daraus ein Buch geworden ist („Deutschland im Blaulicht“, Piper). Darin und im Gespräch mit Jessica Kuschnik spricht sie Klartext und schreckt nicht davor zurück, die Schuldigen zu nennen.

In Ihrem Buch geht es um Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Polizeibeamten. Von wem geht diese Gewalt am häufigsten aus?

Kambouri: Die Respektlosigkeit und die Gewalt geht für mich im Streifendienst überwiegend von jungen Männern aus muslimisch geprägten Ländern aus. Und das erleben ebenso viele Kollegen, die in ihrem Streifenbezirk eine hohe Anzahl dieser Migranten haben. In den Hundertschaften verlagert sich das Problem. Dort werden die Kollegen häufiger von Fußballhooligans sowie Links- und Rechtsex­tremen attackiert. Selbstverständlich erleben wir genug Deutsche und andere Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, die gegenüber der Polizei respektlos und gewaltbereit sind. Aber die Häufigkeit geht nach meiner Erfahrung von den jungen muslimischen Migranten aus.

Hat sich das in den vergangenen Jahren verschärft?

Kambouri: Ja. Wäre es nicht so, hätte ich den Leserbrief und dieses Buch nicht geschrieben. Dass der Beruf Polizist nicht einfach ist, versteht sich von selbst. Es ist kein Zuckerschlecken und war mir jederzeit in meinen Dienstjahren bewusst. Damit kann ich auch gut umgehen, weil ich durchsetzungsfähig bin und mir Gehör und Respekt verschaffen kann. Aber es hat ein Ausmaß angenommen, welches ich nicht länger hinnehmen will.

Wie kann man sich solch eine Situation vorstellen?

Kambouri: Es sind nicht nur brisante Einsätze nach Massenschlägereien, Raubüberfällen oder Verfolgungsfahrten. Es sind die alltäglichen Einsätze und Routinekontrollen, die wir logischerweise viel häufiger haben als Extremeinsätze. Möchten meine Kollegen einen simplen Verkehrsverstoß ahnden, eine Person kontrollieren oder ein Fahrzeug anhalten, besteht bei besagter Personengruppe direkt beim ersten Kontakt eine Abneigung. Das erkennt man an Körpersprache, Gestik, Mimik und nicht zuletzt an den Aussagen. Man fängt häufig an zu diskutieren, ehe man vorgetragen hat, weshalb man die Person angehalten hat. Bis man dann letztendlich den Führerschein oder Personalausweis bekommt, wurde man regelrecht mürbe gequatscht. Und wenn man dann als Polizist jemanden verwarnen will, fängt die nächste Eskalationsstufe an: Man provoziert den Beamten mit Worten, zum Beispiel dass er keine Ahnung habe, ihm gar nichts zu sagen hätte usw. Die nächste Stufe i st dann, die Polizei lautstark anzuschreien und eine bedrohliche Körperhaltung einzunehmen. Nun ist man von der körperlichen Gewalt – die psychische ist ja bereits eingetreten – nicht weit entfernt. Deeskalation wird dann als Schwäche gedeutet.

Wir haben derzeit eine Flüchtlingskrise. Wer etwas gegen Migranten sagt, wird schnell als rechts abgestempelt. Haben Sie etwas gegen Ausländer?

Kambouri: Ich habe kein rechtes Gedankengut und verachte Menschen, die andere Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Nationalität diskriminieren. Ich bin selber Migrantin, habe ausländische Freunde. Meine beste Freundin ist Türkin. Ich habe bulgarische Verwandtschaft. Wir dürfen nicht pauschalieren. Aber wir müssen die Pro­bleme ansprechen, um sie anpacken zu können. Tun wir das nicht und verschließen die Augen, wird sich keine Lösung finden, und wir werden immer mehr Parallelgesellschaften haben, so dass sich unsere Gesellschaft spalten wird. Und genau das will ich nicht. Ich möchte hier in Frieden mit anderen Menschen – egal welcher Herkunft oder Religion – leben.

Fürchten Sie, dass Rechte das Buch für ihre Propaganda nutzen könnten?

Kambouri: Natürlich passt es mir nicht, dass sich Rechte meine Texte zu eigen machen. Sie instrumentalisieren mich und kürzen meine Texte so, dass meine Meinung in ein falsches Licht gerückt und als fremdenfeindlich dargestellt wird. Aber da stehe ich drüber. Ich weiß, wer ich bin und lasse mich nicht zu einem Menschen machen, den die Rechten gerne wollen. Mir ist das Wohl unserer Gesellschaft wichtig. Und dafür setze ich mich ein und gebe nicht auf, nur weil einige Idioten mir das Leben schwer machen möchten. Der Rückhalt meiner Kollegen und der offenherzigen, toleranten Bürger dieses Landes bestärkt mich und überwiegt.

Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern?

Kambouri: Nachdem die Probleme offen dargelegt wurden, müssen neben Präventionen ganz klar Sanktionen erfolgen. Insbesondere bei Intensivtätern. Die Polizei braucht den Rückhalt der Politik und Justiz. Damit würden wir schon viel erreichen. Um weiterhin auch handlungsfähig zu bleiben, brauchen wir mehr Polizeibeamte. Die Täter werden immer mehr, die Polizisten immer weniger. Diese Rechnung kann nicht aufgehen.

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