Schützeberg: „Unsere Strafverfolgung ist angemessen“

Mi, 13. Jan. 2016
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 13

Schützeberg: „Unsere Strafverfolgung ist angemessen“

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Aachen erklärt den Fall vom Wochenende und warum keine Haft angeordnet wird

Aachen. Ein Leser fragt in einem Leserbrief: „Wie kann ein Haftrichter solche Leute einfach wieder freilassen?“ und „Verstehen die Richter nicht, was sie damit anrichten? Sie verschaffen den Tätern einen einprägsamen Lerneffekt: Mein Risiko ist minimal, ich kann hier jeden ausrauben, schlagen, die Polizei kann mich mal!“ Thomas Vogel hat mit dem Sprecher der Aachener Staatsanwaltschaft, Jost Schützeberg, gesprochen.

Die Frage des Lesers an Sie: Wie kann ein Haftrichter solche Täter einfach wieder freilassen?

Schützeberg: Im konkreten Fall vom Wochenende haben wir als Staatsanwaltschaft entschieden, dass der Beschuldigte dem Haftrichter nicht vorgeführt wird. Das heißt, wir haben keinen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt. Grundsätzlich ist es so, dass die Untersuchungshaft die Unschuldsvermutung einschränkt, die für jeden Beschuldigten gilt, solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist. Die Untersuchungshaft ist als freiheitsentziehende Maßnahme ein tiefgreifender Einschnitt in die Privatsphäre des Bürgers und bedarf deshalb zu Recht nach der Strafprozessordnung dieser erhöhten Voraussetzungen.

Welche Voraussetzungen sind das?

Schützeberg: Es handelt sich um drei Voraussetzungen: Zum einen muss ein dringender Tatverdacht vorliegen. Es reicht also nicht ein einfacher Verdacht, die Beweise müssen so stark sein, dass eine Verurteilung mehr als wahrscheinlich ist. Die zweite Voraussetzung ist ein Haftgrund, zum Beispiel Fluchtgefahr oder Wiederholungsgefahr. Die dritte Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit. In jedem Einzelfall muss gesondert geprüft werden, ob der Entzug der Freiheit tatsächlich das geeignete und passende Mittel ist, um den Zweck der Untersuchungshaft zu rechtfertigen. Hier besteht vor allem eine erhöhte Begründungserfordernis bei Jugendlichen und Heranwachsenden. Der Gesetzgeber hat gesagt: In diesen Fällen ist Untersuchungshaft die „Ultima Ratio“.

Mit dem 18-Jährigen verknüpft die Polizei seit März 2014 etliche Verfahren: Ladendiebstahl, Taschendiebstahl, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstand gegen Polizeibeamte, Rauschgiftdelikte …

Schützeberg: Diese Delikte kann ich so jetzt nicht bestätigen. Ich kann nicht sagen, ob es Verurteilungen sind oder Erkenntnisse der Polizei. Ich kann für die Staatsanwaltschaft aber sagen, dass dieser Beschuldigte bislang drei Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Drei Mal wurden Ermittlungs- und Strafverfahren geführt. Zuletzt wurde er zu einem sogenannten Jugendarrest verurteilt, das heißt er wurde für wenige Tage in einer Jugendeinrichtung untergebracht.

Haftbefehl wurde heute wieder nicht erlassen. Warum?

Schützeberg: Zum einen fehlt es an einem dringenden Tatverdacht. Es gibt abweichende Zeugenaussagen. Zudem hat der Geschädigte – verständlicherweise – nicht gesehen, welcher der Beschuldigten die Geldbörse weggenommen hat. Die Zuordnung zu einem konkreten Täter ist noch nicht ausreichend möglich.

Besteht nicht die Gefahr, dass der Beschuldigte auf freiem Fuß einfach da weitermacht, wo er unterbrochen wurde?

Schützeberg: Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gilt nur für bestimmte Taten, Eigentumsdelikte zum Beispiel oder Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit. Im Fall vom Wochenende bestand ursprünglich der Verdacht des räuberischen Diebstahls. Der lässt sich als dringender Tatverdacht nach unserer Auffassung aber nicht aufrechterhalten. In Betracht kommen bisher deshalb nur weniger stark bestrafte Delikte wie Beleidigung oder Nötigung. Deswegen wird aber grundsätzlich niemand in Haft genommen.

Können Sie die Besorgnis vieler Menschen nachvollziehen? Nur weil das Opfer nicht gesehen hat, wer genau ihm jetzt die Brieftasche entwendet hat, ist das Trio wieder frei, obwohl offenbar alle beteiligt waren.

Schützeberg: Ich weiß nicht, ob es ein Überfall war, und ich weiß nicht, ob alle drei Personen beteiligt waren. Das ist sicher Gegenstand der Ermittlungen. Wenn es sich später tatsächlich als Raub oder räuberischer Diebstahl herausstellt, wird natürlich erneut zu prüfen sein, ob ein Antrag auf Haftbefehl gestellt wird. Natürlich kann ich die Besorgnis der Bürger verstehen. Aber ich kann nur davor warnen, Sachverhalte aufgrund von Berichterstattungen zu beurteilen. Meistens ist es so, dass, wenn man die Zeugenaussagen und die Akten liest, sich der Fall anders darstellt. Die Wirklichkeit ist häufig komplexer, als es den Anschein hat.

Die Rufe nach härterem Durchgreifen werden dennoch lauter, und selbst die Polizei ist enttäuscht, weil sie bestimmte Täter gleich wieder laufen lassen muss.

Schützeberg: Wenn Personen zum Beispiel wegen Beleidigung oder einfacher Körperverletzung vorläufig festgenommen werden, landen die nicht in Untersuchungshaft, dass ist einfach so. Von 100 Straftaten liegen nur in wenigen Fällen die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft vor, vieles ist einfach Bagatellkriminalität oder mittlere Kriminalität. Das ist unbefriedigend, das kann ich nachvollziehen. Aber das sind zumindest die gesetzlichen Vorgaben. In meinen Augen ist die Staatsanwaltschaft Aachen nicht zu lasch. Unsere Strafverfolgung ist angemessen.

Das bedeutet, Sie sehen keinen Nachbesserungsbedarf, was gesetzliche Vorgaben betrifft?

Schützeberg: Das ist richtig.

 

Kommentar: Man fragt sich, was schlimmer für diese Stadt ist: Die Aachener Staatsanwaltschaft oder kriminelle Ausländer? 

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