Weinspach spricht von Enttäuschung

Mi, 13. Jan. 2016
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 13

Weinspach spricht von Enttäuschung

Polizei nimmt jungen Mann nach Straftaten gleich zweimal fest. Staatsanwaltschaft setzt ihn in beiden Fällen wieder auf freien Fuß.

Von Achim Kaiser

Aachen. Ein 18-jähriger Algerier ist am Wochenende gleich zweimal von der Polizei festgenommen und von der Staatsanwaltschaft in beiden Fällen wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Im ersten Fall hatte er mit zwei 21 und 23 Jahre alten Marokkanern einen 45-Jährigen im Pontviertel „angetanzt“, geschlagen und beraubt. Noch zuvor soll der junge Mann mit weiteren Verdächtigen mehrere Autos im Bereich Wittekindstraße (ebenfalls Pontviertel) beschädigt haben. Auch dazu liegen der Polizei Anzeigen vor.

Zwar konnten Zivilfahnder die drei schnell festnehmen, zur Überraschung der Polizei beantragte der diensthabende Staatsanwalt jedoch keinen Haftbefehl. Begründung: Wohnsitze bekannt, keine Fluchtgefahr. Das alles ereignete sich in der Nacht zu Samstag.

In der darauffolgenden Nacht zum Sonntag war der bekannte 18-jährige Haupttäter, gegen den seit März 2014 diverse Verfahren wegen unterschiedlicher Rechtsbrüche laufen, wieder unterwegs. Diesmal belästigte er zusammen mit anderen Männern drei Frauen in Form von sexuell erniedrigenden Sprüchen. „Schlampen“ war dabei noch die harmloseste Beleidigung. Erneut wurde der 18-Jährige festgenommen und im Polizeipräsidium festgehalten. Erneut ordnete die Staatsanwalt die Freilassung des jungen Mannes an.

Auch nach ausgiebiger Prüfung der Fälle blieb die Staatsanwaltschaft gestern bei ihrer Einschätzung: Sie stellt vorerst keinen Untersuchungshaftantrag. Die Polizei müsse erst weiter ermitteln.

Sensibilität

„Es liegt mir fern, die Arbeit anderer Behörden zu kritisieren, aber in dem vorliegenden Fall waren meine Beamten und auch ich über die Entscheidung des Bereitschaftsstaatsanwaltes irritiert und gewiss auch enttäuscht“, sagt Polizeipräsident Dirk Weinspach in unmissverständlicher Deutlichkeit. Er suchte dann sofort das persönliche Gespräch mit der Leitung der Staatsanwaltschaft. Dabei wurden, wie der Polizeipräsident formuliert, „zielführende Vereinbarungen“ getroffen.

„Ich halte es für sehr wichtig, dass der Staat und seine Institutionen Entschlossenheit zeigen und ein gemeinsames Zeichen an solche Straftäter senden, nämlich dass sich hier jeder an Recht und Gesetz halten muss“, sagt Weins­pach und schildert die Sicht seiner Kollegen vor Ort: „Es macht der Polizei die Arbeit auf der Straße schwieriger, wenn die Straftäter denken, dass ihre Taten folgenlos bleiben und sich so ermutigt sehen, immer weiterzumachen.“

Seit den Übergriffen von Köln stellen Weinspach und sein Team eine zunehmende Sensibilität in der Bevölkerung fest: „Sie zeigt sich insbesondere durch das geänderte Anzeigeverhalten der Menschen.“ Nun gelangten auch solche Taten, wie in diesem Fall sexuelle Beleidigung, zur Anzeige.„Wir können dies natürlich nur begrüßen, da wir erst auch durch diese Anzeigen ein umfassendes Bild von Tatverdächtigen und deren Verhalten erlangen können“, erklärt der Polizeipräsident.

Lehren aus dem Chaos der Kölner Silvesternacht hat Weinspach schon gezogen: „Wir in Aachen setzen bereits im Vorfeld alles daran, das Aufkommen eines ‚Phänomens‘ wie in Köln zu verhindern.“

Deshalb hat die Polizei – auch mit Blick auf Karneval – ihr bestehendes Sicherheitskonzept angepasst. Ziel sei es, so Weinspach, „die Täterklientel aufzuhellen, um mit geeigneten Maßnahmen Straftaten aus diesen Gruppen zu verhindern oder zumindest schnellstmöglich aufzuklären“.

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