Nachrichten-Artikel vom 14.01.2016 12:23 Rechnungshof-Präsident Scheller kann die Verwendung finanzieller Mittel oft nicht prüfen: Zu vermischt seien Aufgaben von Bund und Ländern. Die Kosten in der Asylkrise hält er nicht für einschätzbar. Den Artikel können Sie hier lesen: http://www.welt.de/politik/deutschland/article150999330/Rechnungshof-haelt-Asylkosten-fuer-unueberschaubar.html
Archiv der Kategorie: Politik
Merkels kopflose Politik macht die Rechten stark
Monika Maron Merkels kopflose Politik macht die Rechten stark
Die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung spielt den Falschen in die Hände, meint Schriftstellerin Monika Maron. Wer nicht Pegida oder AfD will, hat keine politische Heimat. Es gibt nur Merkel oder Merkel – und die Grenzen bleiben offen. Ein Gastbeitrag
14.01.2016, von Monika Maron
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Demonstranten mit Deutschlandfahnen bei einer Kundgebung der AfD in Erfurt am Mittwoch
© dpa Demonstranten mit Deutschlandfahnen bei einer Kundgebung der AfD in Erfurt am Mittwoch
Mein Freund Sami Alkomi, Aramäer aus Syrien, ist ein sehr schmaler, fast zarter junger Mann, der so kultiviert aussieht, wie er deutsch spricht. Er ist Schauspieler von Beruf, vor 27 Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen. Zurzeit arbeitet er ehrenamtlich als Dolmetscher in Flüchtlingsheimen.
Neulich habe ich ihn gefragt, ob auch er jetzt, nach Silvester, auf der Straße anders angesehen wird als vor dieser Jahreswende, mit der scheinbar eine neue Zeitrechnung begonnen hat. Ja, sagte Sami, auch er werde anders angesehen, und wenn er im Dunkeln zufällig ein paar Meter hinter einer Frau liefe, hätte er Angst, dass sie Angst hat, und räuspere sich oder täte so, als würde er telefonieren, um sie zu beruhigen. Wer nicht schon in schwarzen Locken und dunklen Augen eine Gefahr wittert, kann an Sami nichts, absolut gar nichts entdecken, was bedrohlich wirken könnte. Und trotzdem vereinnahmt ihn nun unser misstrauisch gewordener Blick. Sami versteht das.
In seinem Buch „Exodus“ beschreibt der britische Historiker Paul Collier, wie eine Zuwanderung, die in ihrer Masse die einheimische Gesellschaft überfordert, das Vertrauen zuerst zwischen Einheimischen und Zuwanderern zerstört und in der Folge auch das Vertrauen innerhalb dieser Bevölkerungsgruppen, was in unserer auf Vertrauen und Kooperation begründeten Gesellschaft verheerende Folgen hat.
Viele misstrauen den Parteien, Institutionen und Medien
Es scheint, als befänden wir uns schon auf der zweiten Stufe des Vertrauensverlusts. Ein zunehmender Teil des Volkes misstraut den Medien, den Parteien, den Institutionen, den Motiven und Fähigkeiten der Regierung, vor allem der Kanzlerin, deren Beharren auf offenen Grenzen so wenig verständlich ist wie ihr plötzlicher Ruf nach dem starken Staat glaubwürdig ist.
Wir misstrauen einander, wir beginnen sogar einander zu hassen, weil die andere Meinung nicht nur eine andere Meinung ist, sondern an unser Existenzrecht rührt. Wer vor zwei Monaten verlangt hat, was heute Regierungspolitik ist, war rechtsradikal oder ein Nazi, wenigstens aber Rassist und Fremdenfeind. Wer vor Masseneinwanderung junger muslimischer Männer gewarnt hat, war islamophob. Bis heute wollen uns Leute wie Lamya Kaddor und Ayman Mazyek weismachen, das abartige Sexualverhalten bestimmter muslimischer Männer habe nichts mit dem Sittenkodex ihrer Religion, sondern mit ihrer traurigen Situation in unserem Land zu tun.
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Die Schriftstellerin Monika Maron wurde durch ihren Roman „Animal triste“ bekannt.
© Picture-Alliance Die Schriftstellerin Monika Maron wurde durch ihren Roman „Animal triste“ bekannt.
Als wäre diese anschwellende Missstimmung nicht Grund zu allergrößter Sorge, spricht der Entwicklungsminister Müller von den ersten zehn Prozent der zu erwartenden Einwanderer. Zudem werden uns für dieses Jahr die nächsten 1,8 Millionen Flüchtlinge angekündigt. Ich weiß nicht, woran es unseren Regierenden mehr mangelt: an Phantasie, Mut oder Verstand.
Sie beschwören die europäische Solidarität, während Herr Oettinger und Herr Schulz die Polen beschimpfen. Sie erklären ihre Handlungsohnmacht mit Gesetzen, an die sich außer Deutschland niemand hält, weil keines der Gesetze, auf die sie sich berufen, ein Volk zum kollektiven Selbstmord verpflichtet. Sie erklären, das Stück Grenze zwischen Deutschland und Österreich sei nicht zu sichern, und versuchen stattdessen, unsere Sicherheit für einen nicht zahlbaren Preis von Erdogan zu kaufen, der gerade für die nächste kurdische Einwanderungswelle sorgt. Sie versprechen, in Zukunft kriminelle Ausländer schneller abzuschieben, wohl wissend, dass auch veränderte Gesetze wenig Erfolg versprechen, weil wir in Kriegsländer nicht abschieben dürfen, viele ihre Pässe vernichtet haben oder die Heimatländer ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen und eine Heerschar deutscher Anwälte darauf wartet, jahrelange Prozesse um ein Bleiberecht zu führen.
Wie wird das veränderte Deutschland aussehen, auf das Katrin Göring-Eckardt sich so freut, wenn der Kampf um Arbeitsplätze und billige Wohnungen erst einmal begonnen hat, wenn Hunderttausende junge Männer hier keine Frauen finden, wenn sie überhaupt erleben, dass wenig von dem, was sie für ein Versprechen hielten, sich erfüllen wird?
Und was, wenn die Vorkommnisse der Silvesternacht mehr bedeuteten als eine durch Alkohol enthemmte Verachtung von Frauen, Recht und Gesetz? Selbst Justizminister Heiko Maas geht von einer organisierten Aktion aus. Was also, wenn es eine andere Art des Terrors wäre, für die es nur wenige Akteure braucht, um einer aufgeheizten Masse ein Ziel zu geben, und die den öffentlichen Raum ebenso verunsichern kann wie ein Bombenanschlag?
Und wenn die Straßenkämpfe der gewaltaffinen deutschen jungen Männer von rechts und links, die jetzt schon toben, dann zum Alltag gehören? Wenn unser Vertrauen in die Ordnung, auf die wir uns bisher verlassen konnten, erschüttert wird, weil der Staat sie nicht mehr garantieren kann?
Menschen in Not muss geholfen werden. Ich kenne niemanden, der diesem Satz widersprechen würde. Die Differenzen beginnen beim Wie. Wie wollen und können wir helfen? „Gemäß heutiger Praxis wären, gemessen an den hiesigen demokratischen und ökonomischen Standards, zwei Drittel der Weltbevölkerung in Deutschland asylberechtigt. Dass unsere Flüchtlingspolitik einem Denkfehler unterliegt, müsste einem spätestens da auffallen …“, meint der Philosoph Rüdiger Safranski.
Nicht einmal wenn wir den Syrern sagten, weil euer Land jetzt zerstört wird, könnt ihr unseres haben, wäre das Problem gelöst. Dass ausgerechnet Deutschland den Nahen Osten befrieden wird, ist auch ein hybrider Traum. Wir müssen denen, die politisch oder rassisch verfolgt werden, Asyl gewähren. Das wäre nur ein Bruchteil derer, die heute als asylberechtigt anerkannt werden. Wir müssen denen, die wirklich vor Tod und Verderben flüchten, da helfen, wo sie sich nach eigenen Regeln eine sichere Existenz aufbauen können, in den angrenzenden Regionen ihrer Heimatländer. Wir müssen den Frauen, Kindern und Schwachen helfen, die weder Kraft noch Mittel haben, um nach Europa aufzubrechen. Wer an Deutschlands Wohlstand teilhat, kann sicher einen Teil davon entbehren. Das wäre zumutbar und gerechtfertigt.
Wir müssen dem Recht wieder Geltung verschaffen
Vor allem aber brauchen wir den politischen Willen, leichtfertig gebrochenem Recht wieder Geltung zu verschaffen. Der Parlamentarismus in Deutschland ist lahmgelegt. Wenn die eigene Partei der Kanzlerin die Gefolgschaft versagt, springt die Opposition für sie ein. Wir haben Merkel oder Merkel, und die Grenze bleibt offen.
Aber was tun wir, die weder mit Pegida spazieren gehen noch die AfD wählen wollen und trotzdem davon überzeugt sind, dass ein nicht absehbarer Flüchtlingsstrom Deutschland nicht ökonomisch, aber in seinem politischen und kulturellen Fundament gefährdet? Warum gehen wir nicht wie die freiheitsliebenden Polen auf die Straße, um von der Regierung zu fordern, dass sie das Gesetz nicht bricht? Warum stehen wir nicht an einem Sonnabend vor dem Reichstag und protestieren gegen eine kopflose Flüchtlingspolitik, die zudem rassistischen und rechtsextremen Kräften, die sie bekämpfen will, Vorschub leistet? Wir sind selbst verantwortlich für unser Land.
"Wir dürfen nicht nur an die Flüchtlinge denken"
Nachrichten-Artikel vom 14.01.2016 13:40 Die Spitzen der deutschen Wirtschaft warnen, die sprudelnden Steuereinnahmen nur für die Flüchtlingskrise auszugeben. Das Geld sei dringend nötig, um die wirtschaftliche Zukunft des Landes zu sichern. Den Artikel können Sie hier lesen: http://www.welt.de/wirtschaft/article151004248/Wir-duerfen-nicht-nur-an-die-Fluechtlinge-denken.html
CSU will straffällige Flüchtlinge ohne Prozess abschieben
Nachrichten-Artikel vom 13.01.2016 17:44 CSU-Generalsekretär Scheuer fordert, dass Flüchtlinge auch ohne Prozess abgeschoben werden können. Bereits die Feststellung einer Straftat solle dafür ausreichen, das Strafmaß sei nicht entscheidend. Den Artikel können Sie hier lesen: http://www.welt.de/politik/deutschland/article150979485/CSU-will-straffaellige-Fluechtlinge-ohne-Prozess-abschieben.html
Kommentar: Damit stellt sich der CSU-Generalsekretär Scheuer eindeutig außerhalb der Verfassung und des Rechtsstaates. Mit solchen Sprüchen ist er reif für die AFD!
Flüchtling tritt Frau ins Gesicht – Jochbeinbruch
Nachrichten-Artikel vom 13.01.2016 20:01 In Baden-Württemberg soll ein Flüchtlinge zwei Frauen attackiert haben. Als sich die Opfer wehrten, habe der 30-Jährige einer Frau ins Gesicht getreten, teilte die Staatsanwaltschaft Mannheim mit. Den Artikel können Sie hier lesen: http://www.welt.de/politik/deutschland/article150984349/Fluechtling-tritt-Frau-ins-Gesicht-Jochbeinbruch.html
Gutmensch, Unwort des Jahres
Wie die großen „Sprachwissenschaftler“ der Gesellschaft für deutsche Sprache und Literatur (als solche wurden sie in den Medien (Stichwort: Lügenpresse (das Unwort vom Vorjahr)) bezeichnet, den ergänzenden Informationen des gestern von mir geforwardeten Spiegelartikels war das letztbenannte Mitglied des erlauchten Gremiums ein Kabarettist (sic!)) herausgefunden haben wollen, wird mit diesem bösartigen Begriff angeblich der freundliche Helfer lächerlich gemacht, der sich gesellschaftlich engagiert, seinem Staat unter die Arme greift und an den Grenzbahnhöfen die Flüchtlinge mit warmen Decken erwartet.
Kritiker in den Leserbriefforen zum besagten Spiegel-Artikel (und nicht nur dort) hatten demgegenüber bereits darauf hingewiesen, dass das Wort „Gutmensch“ schon seit einigen Jahren ironisch verwendet wird, um naive liberale (?) Gesinnungsethiker zu bezeichnen, die alles verdrängen, was nicht in ihr Weltbild passt, und auch versuchen, die Wirklichkeit sprachlich so lange zu verdrehen, bis sie wieder dem eigenen Weltbild entspricht (siehe obige Gesellschaft). Und die jeden, der etwas anderes sagt oder denkt, in die Ecke des „Bösen“ (meist die rechte Ecke) stellen, um ihn, oder sie, mundtot zu machen.
Hätte es sich bei dieser erlauchten Jury tatsächlich um Germanisten, Sprachwissenschaftler gehandelt, hätten sie von der eigentlichen Bedeutung dieses Begriffs ebenso wissen müssen wie von seiner Herkunft. Oder, was noch schlimmer wäre, ist die deutsche Germanistik schon so heruntergekommen? Ich fürchte fast, zuzutrauen wäre ihr es….
Hierzu ein Zitat von Nietzsche, mit Quellenangabe:
… Unsre Gebildeten von heute, unsre »Guten« lügen nicht – das ist wahr; aber es gereicht ihnen nicht zur Ehre! Die eigentliche Lüge, die echte resolute »ehrliche« Lüge (über deren Wert man Plato hören möge) wäre für sie etwas bei weitem zu Strenges, zu Starkes; es würde verlangen, was man von ihnen nicht verlangen darf, daß sie die Augen gegen sich selbst aufmachten, daß sie zwischen »wahr« und »falsch« bei sich selber zu unterscheiden wüßten. Ihnen geziemt allein die unehrliche Lüge; alles, was sich heute als »guter Mensch« fühlt, ist vollkommen unfähig, zu irgendeiner Sache anders zu stehn als unehrlich-verlogen, abgründlich-verlogen, aber unschuldig-verlogen, treuherzig-verlogen, blauäugig-verlogen, tugendhaft-verlogen. Diese »guten Menschen« – sie sind allesamt jetzt in Grund und Boden vermoralisiert und in Hinsicht auf Ehrlichkeit zuschanden gemacht und verhunzt für alle Ewigkeit: wer von ihnen hielte noch eine Wahrheit »über den Menschen« aus!.. Oder, greiflicher gefragt: wer von ihnen ertrüge eine wahre Biographie!.. Ein paar Anzeichen: Lord Byron hat einiges Persönlichste über sich aufgezeichnet, aber Thomas Moore war »zu gut« dafür: er verbrannte die Papiere seines Freundes. … Gedenken wir noch des komischen Entsetzens, welches der katholische Priester Janssen mit seinem über alle Begriffe viereckig und harmlos geratenen Bilde der deutschen Reformations-Bewegung in Deutschland erregt hat; was würde man erst beginnen, wenn uns jemand diese Bewegung einmal anders erzählte, wenn uns einmal ein wirklicher Psycholog einen wirklichen Luther erzählte, nicht mehr mit der moralistischen Einfalt eines Landgeistlichen, nicht mehr mit der süßlichen und rücksichtsvollen Schamhaftigkeit protestantischer Historiker, sondern etwa mit einer Taineschen Unerschrockenheit, aus einer Stärke der Seele heraus und nicht aus einer klugen Indulgenz gegen die Stärke?…
Ich habe bei der Lektüre flachgelegen, in Deutschland hat sich seither nicht viel verändert.
Quelle:
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Zur+Genealogie+der+Moral/Dritte+Abhandlung%3A+Was+bedeuten+asketische+Ideale/11-20, siehe unter Nummer 19
"Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen"
Nachrichten-Artikel vom 13.01.2016 02:03 Sebastian Kurz warnt die EU vor einer zu engen Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingskrise. Europa müsse seine Außengrenzen selbst schützen – auch wenn das bedeutet, Menschen abzuweisen. Den Artikel können Sie hier lesen: http://www.welt.de/politik/ausland/article150933461/Es-wird-nicht-ohne-haessliche-Bilder-gehen.html
Grenzschließungsantrag kursiert in Unionsfraktion
Nachrichten-Artikel vom 13.01.2016 09:07 Der Druck auf Kanzlerin Merkel wächst: Unionsabgeordnete wollen mit einer Unterschriftensammlung die Grenzschließung erzwingen. Bislang unterstützen 40 der 311 CDU/CSU-Abgeordneten den Vorstoß. Den Artikel können Sie hier lesen: http://www.welt.de/politik/deutschland/article150946864/Grenzschliessungsantrag-kursiert-in-Unionsfraktion.html
"Merkels Alleingang war ein Akt der Selbstermächtigung"
Nachrichten-Artikel vom 13.01.2016 09:21 Ex-Verfassungsrichter Bertrams übt scharfe Kritik am Vorgehen von Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingspolitik. Er vermutet einen Verfassungsbruch und spricht von „selbstherrlicher Kanzler-Demokratie“. Den Artikel können Sie hier lesen: http://www.welt.de/politik/deutschland/article150947586/Merkels-Alleingang-war-ein-Akt-der-Selbstermaechtigung.html
Schützeberg: „Unsere Strafverfolgung ist angemessen“
Mi, 13. Jan. 2016
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 13
Schützeberg: „Unsere Strafverfolgung ist angemessen“
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Aachen erklärt den Fall vom Wochenende und warum keine Haft angeordnet wird
Aachen. Ein Leser fragt in einem Leserbrief: „Wie kann ein Haftrichter solche Leute einfach wieder freilassen?“ und „Verstehen die Richter nicht, was sie damit anrichten? Sie verschaffen den Tätern einen einprägsamen Lerneffekt: Mein Risiko ist minimal, ich kann hier jeden ausrauben, schlagen, die Polizei kann mich mal!“ Thomas Vogel hat mit dem Sprecher der Aachener Staatsanwaltschaft, Jost Schützeberg, gesprochen.
Die Frage des Lesers an Sie: Wie kann ein Haftrichter solche Täter einfach wieder freilassen?
Schützeberg: Im konkreten Fall vom Wochenende haben wir als Staatsanwaltschaft entschieden, dass der Beschuldigte dem Haftrichter nicht vorgeführt wird. Das heißt, wir haben keinen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt. Grundsätzlich ist es so, dass die Untersuchungshaft die Unschuldsvermutung einschränkt, die für jeden Beschuldigten gilt, solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist. Die Untersuchungshaft ist als freiheitsentziehende Maßnahme ein tiefgreifender Einschnitt in die Privatsphäre des Bürgers und bedarf deshalb zu Recht nach der Strafprozessordnung dieser erhöhten Voraussetzungen.
Welche Voraussetzungen sind das?
Schützeberg: Es handelt sich um drei Voraussetzungen: Zum einen muss ein dringender Tatverdacht vorliegen. Es reicht also nicht ein einfacher Verdacht, die Beweise müssen so stark sein, dass eine Verurteilung mehr als wahrscheinlich ist. Die zweite Voraussetzung ist ein Haftgrund, zum Beispiel Fluchtgefahr oder Wiederholungsgefahr. Die dritte Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit. In jedem Einzelfall muss gesondert geprüft werden, ob der Entzug der Freiheit tatsächlich das geeignete und passende Mittel ist, um den Zweck der Untersuchungshaft zu rechtfertigen. Hier besteht vor allem eine erhöhte Begründungserfordernis bei Jugendlichen und Heranwachsenden. Der Gesetzgeber hat gesagt: In diesen Fällen ist Untersuchungshaft die „Ultima Ratio“.
Mit dem 18-Jährigen verknüpft die Polizei seit März 2014 etliche Verfahren: Ladendiebstahl, Taschendiebstahl, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstand gegen Polizeibeamte, Rauschgiftdelikte …
Schützeberg: Diese Delikte kann ich so jetzt nicht bestätigen. Ich kann nicht sagen, ob es Verurteilungen sind oder Erkenntnisse der Polizei. Ich kann für die Staatsanwaltschaft aber sagen, dass dieser Beschuldigte bislang drei Mal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Drei Mal wurden Ermittlungs- und Strafverfahren geführt. Zuletzt wurde er zu einem sogenannten Jugendarrest verurteilt, das heißt er wurde für wenige Tage in einer Jugendeinrichtung untergebracht.
Haftbefehl wurde heute wieder nicht erlassen. Warum?
Schützeberg: Zum einen fehlt es an einem dringenden Tatverdacht. Es gibt abweichende Zeugenaussagen. Zudem hat der Geschädigte – verständlicherweise – nicht gesehen, welcher der Beschuldigten die Geldbörse weggenommen hat. Die Zuordnung zu einem konkreten Täter ist noch nicht ausreichend möglich.
Besteht nicht die Gefahr, dass der Beschuldigte auf freiem Fuß einfach da weitermacht, wo er unterbrochen wurde?
Schützeberg: Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gilt nur für bestimmte Taten, Eigentumsdelikte zum Beispiel oder Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit. Im Fall vom Wochenende bestand ursprünglich der Verdacht des räuberischen Diebstahls. Der lässt sich als dringender Tatverdacht nach unserer Auffassung aber nicht aufrechterhalten. In Betracht kommen bisher deshalb nur weniger stark bestrafte Delikte wie Beleidigung oder Nötigung. Deswegen wird aber grundsätzlich niemand in Haft genommen.
Können Sie die Besorgnis vieler Menschen nachvollziehen? Nur weil das Opfer nicht gesehen hat, wer genau ihm jetzt die Brieftasche entwendet hat, ist das Trio wieder frei, obwohl offenbar alle beteiligt waren.
Schützeberg: Ich weiß nicht, ob es ein Überfall war, und ich weiß nicht, ob alle drei Personen beteiligt waren. Das ist sicher Gegenstand der Ermittlungen. Wenn es sich später tatsächlich als Raub oder räuberischer Diebstahl herausstellt, wird natürlich erneut zu prüfen sein, ob ein Antrag auf Haftbefehl gestellt wird. Natürlich kann ich die Besorgnis der Bürger verstehen. Aber ich kann nur davor warnen, Sachverhalte aufgrund von Berichterstattungen zu beurteilen. Meistens ist es so, dass, wenn man die Zeugenaussagen und die Akten liest, sich der Fall anders darstellt. Die Wirklichkeit ist häufig komplexer, als es den Anschein hat.
Die Rufe nach härterem Durchgreifen werden dennoch lauter, und selbst die Polizei ist enttäuscht, weil sie bestimmte Täter gleich wieder laufen lassen muss.
Schützeberg: Wenn Personen zum Beispiel wegen Beleidigung oder einfacher Körperverletzung vorläufig festgenommen werden, landen die nicht in Untersuchungshaft, dass ist einfach so. Von 100 Straftaten liegen nur in wenigen Fällen die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft vor, vieles ist einfach Bagatellkriminalität oder mittlere Kriminalität. Das ist unbefriedigend, das kann ich nachvollziehen. Aber das sind zumindest die gesetzlichen Vorgaben. In meinen Augen ist die Staatsanwaltschaft Aachen nicht zu lasch. Unsere Strafverfolgung ist angemessen.
Das bedeutet, Sie sehen keinen Nachbesserungsbedarf, was gesetzliche Vorgaben betrifft?
Schützeberg: Das ist richtig.
Kommentar: Man fragt sich, was schlimmer für diese Stadt ist: Die Aachener Staatsanwaltschaft oder kriminelle Ausländer?
