Die Nacht, die 1525 Aachenern den Tod brachte

Fr, 11. Apr. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokales / Seite 20

Das Thema: Der Bombenangriff auf Aachen vor 70 Jahren

Die Nacht, die 1525 Aachenern den Tod brachte

Zeitzeugen erinnern sich an den 11. April 1944. Das Bombardement britischer Flieger im Bunker oder am Stadtrand überlebt. Bestialischer Gestank.

Von Georg Dünnwald

Aachen. Der Osterdienstag im Jahr 1944 war ein schöner Frühlingstag. Die Sonne lachte vom Himmel, die Vögel zwitscherten um die Wette, erste Blütenknospen waren zu sehen. Martin Ratajczak beschreibt den Tag nach dem Osterfest so. Am Nachmittag ging der inzwischen 86-Jährige, der seit mehr als fünf Jahrzehnten für die „Aachener Nachrichten“ als Fotograf unterwegs ist, mit ein paar Kameraden weg. „Wir wollten im Hochbunker Eupener Straße Karten spielen“, erzählt Ratajczak. „Wir haben einfach keinen Luftalarm erwartet, die amerikanischen Verbände, die tagsüber flogen, waren nicht zu sehen, und wir haben auch keine englischen Flugzeuge erwartet.“

Vier junge Männer, der jüngste war der 16-jährige Martin, vergaßen ganz und gar die Zeit über ihrem Kartenspiel. Die Jungen waren so in ihr Spiel vertieft, dass sie fast die heulenden Sirenen, die gegen 22.30 Uhr angeworfen wurden, überhörten. „Aber dann fielen auch schon die Bomben“ erinnert sich Ratajczak, „viel früher, als wir es eigentlich gewohnt waren“. Bombe um Bombe sei niedergeknallt. „Der dreigeschossige Bunker Eupener Straße war der letzte, der in Aachen gebaut wurde, seine 2,50 Meter hohe Decke war noch nicht einmal durch und durch trocken. Trotzdem hat sie die Zentnerbomben, die fielen, tragen können“, erinnert sich Ratajczak dankbar.

Fast anderthalb Stunden

Eine Stunde und 21 Minuten lang dauerte das Bombardement. Dann drehten die britischen Maschinen ab. Die rund 350 Flugzeuge, die über Aachen ihr todbringendes, ihr verstörendes Werk verrichtet hatten, flogen in ihre Horste zurück. Vor allem der Stadtteil Burtscheid war beinahe dem Erdboden gleichgemacht worden. In Aachen fielen 1525 Menschen dem Angriff zum Opfer, darunter waren auch viele Kinder. 969 Menschen wurden zum Teil sehr schwer, auch lebensgefährlich verletzt. Viele Häuser waren vollkommen zerstört, andere schwer beschädigt und unbewohnbar. Die Pfarrkirchen St. Johann Baptist in Burtscheid, die gleich daneben liegende Pfarrkirche St. Michael, die Pfarrkirche St. Follian am Dom und auch die Theresienkirche in der Pontstraße wiesen deutliche Schäden auf. Aber auch das ehemalige Polizeipräsidium in der Karmeliterstraße (am sogenannten Dreiräubereck) die Textilschule am Boxgraben, die heute die Fachhochschule für Gestaltung beherbergt , und mehrere umliegende Krankenhäuser wurden getroffen. Alleine in den „Städtischen Krankenanstalten“ an der Goethestraße verloren 91 Menschen – Patienten, Ärzte und Pflegepersonal – ihr Leben. Aus den „Städtischen“ entstand später das Uniklinikum der RWTH Aachen. Nach und nach verließen die Aachener, die Zuflucht in den Bunkern gesucht hatten, die Sicherheitsunterkünfte. Ihnen bot sich sein Bild des Schreckens. Die Briten hatten nicht nur „normale“ Bomben geworfen, sondern auch Phosphorbomben hinterhergeschickt. Eine besonders schlimme Waffe.

Bilder, die man nicht vergisst

„Phosphor brannte und konnte mit Wasser nicht gelöscht werden“, erklärt Ratajczak. „Das musste mit Sand erstickt werden.“ Er hat zahlreiche verbrannte Leichen gesehen, aber auch Menschen, die noch brannten. „Das ist ein Bild, das man nicht so leicht vergisst.“ Das Haus mit der elterlichen Wohnung in der Sebastian­straße stand auch nicht mehr. „Schrecklich war das, aber wir hatten schnell eine Notunterkunft gefunden.“ Einige seiner Schulkameraden jedoch hatten in der Bombennacht den Tod gefunden. „Die hatten zusammen mit dem Wirt in einer Gaststätte an der Ecke Sebastianstraße/Ecke Neustraße Unterschlupf gesucht. Alle wurden getroffen und kamen dabei um.“

Caroline Reinartz war wesentlich jünger als Martin Ratajczak in jener Bombennacht. Im darauffolgenden Mai feierte sie erst ihren achten Geburtstag, „Aber glauben Sie nicht, dass ich nichts mehr von dieser Nacht wüsste“, sagt die stadtbekannte Immobilienmaklerin. „Am 14. Juli 1943 sind wir ja in unserer Gaststätte ‚Zum Wehrhaften Schmied‘ ausgebombt worden,“ erzählt sie. Bis auf den Vater hielt sich zu der Zeit die Familie bei Verwandten in Büsbach auf. „Das schien sicherer.“ Ihr Vater aber und die Hauskatze blieben an der Jakobstraße in Aachen zurück. „Er hielt sich mitsamt Katze im Keller auf, beide haben diesen Bombenangriff im Tonnengewölbe des Kellers überlebt.“ Weil das Haus und die Gaststätte nicht mehr standen, pachtete Papa Reinartz eine Wirtschaft an der Krakaustraße. Und dort ereilte die Familie Reinartz die Bombennacht vom 11. April. „In den Bunker Südstraße weigerte sich me ine Mutter zu gehen, seit ich festgestellt hatte, dass an der Decke viele ‚Marienkäferchen‘ waren, sie die aber als Wanzen erkannt hatte.“ Die Reinartz‘ überlebten den Angriff im Keller des Hauses in der Krakaustraße. Auch Caroline Reinartz erinnert sich: „Die Engländer kamen ohne Vorwarnung und schmissen Bomben und auch die Phosphorbrandsätze.“ Ein wahrer Bombenteppich sei auf Aachen niedergegangen. „Und danach brannte durch die Phosphorbomben alles. Es stank bestialisch.“ Es sei so heiß im schützenden Keller gewesen, dass man den Eindruck gehabt habe, selbst das dort liegende Holz verschmelze miteinander. „Das war nicht schön“, kommentiert Caroline Reinartz trocken. Sie hat am nächsten Morgen viele Leichen von Kindern und Erwachsenen gesehen. „Das geht einem immer mal wieder durch den Kopf.“

Zu Fuß nach Büsbach

Wieder war die Familie ausgebombt. Diesmal machten sich die Reinartz‘ zu Fuß auf nach Büsbach zu den Verwandten. „In einem Dachstübchen fanden wir ein neues Zuhause.“ Aber nur für kurze Zeit, betont Caroline Reinartz. Denn es sei nie gut, wenn Verwandte sich zu sehr auf die Pelle rücken. Also wieder zurück nach Aachen, an der Ecke Jakobstraße übernahm die Familie eine weitere Gaststätte bis 1949. „Dann mussten wir raus, der bisherige Wirt war aus Gefangenschaft zurück und wollte wieder selbst Wirt sein.“ Die Reinartz‘ erwirkten einen Aufschub und begannen, den „Wehrhaften Schmied“ wieder peu á peu aufzubauen. „Ich hoffe, dass das keiner mehr auf der Welt zu erleben braucht. Die Leute sollen sich vertragen und keine Kriege anzetteln, die so viel Elend über die Welt bringen“, ist Caroline Reinartz‘ Überzeugung.

Heinrich Johann Kluck war gerade erst gerade sechs Jahre alt, als die Bombennacht vom 11. April 1944 ihn und seine Mutter überraschte. „Im Bunker Rütscher Straße haben wir das Desaster überlebt.“ Er erinnert sich an den Lärm, die Erschütterungen des Bunkers bei Bombenaufschlägen und auch an den Gestank durch Verbranntes. „Die Phosphorbomben haben ganze Arbeit geleistet“, kommentiert er sarkastisch. Immer noch hat er das Bild vor Augen, als aus den Trümmern ein unverletztes Kaninchen den Klucks entgegenhoppelte. „Das war einfach schön“, meint er. Aber noch heute habe er mit den Nachwirkungen des 11. April 1944 zu kämpfen. „Wenn ein Postflieger nachts über Aachen nach Lüttich fliegt, spüre ich ein klammes Gefühl im Magen. Das Gefühl geht nicht weg, egal wie alt ich geworden bin“, sagt der 76-Jährige.

„Kein Akt der Befreiung“

Ganz anders ist das bei Georg Helg. Der Ehrenpräsident des Aachener Karnevalsvereins (AKV), Ex-Modehändler und Fraktionsvorsitzende der FDP im Städteregionstag hat nach eigenen Worten keinerlei traumatische Erinnerungen, wenn er an seine Kriegskindheit zurückdenkt. „Ich bin allenfalls wütend, dass Bomber-Harris von der britischen Luftwaffe ebenfalls Kriegsverbrechen begangen hat, wie die deutschen Einsatzkräfte, dafür aber nie zur Verantwortung gezogen, sondern sogar hoch geehrt wurde“, sagt Helg ärgerlich. Die Zerstörung Rotterdams und Coventrys durch die deutsche Luftwaffe vergisst Helg aber auch nicht. „Die Deutschen haben angefangen mit den Massakern.“

„Aber der Luftangriff auf Aachen am 11. April 1944 war ein Terrorakt“, meint er. Und Helg – damals acht Jahre alt – war mittendrin. In der Villa eines Verwandten am Südrand der Stadt, in Ronheide, haben die Familien Essers und Helg überlebt. Sein Vater war kurz vor Beginn des Bombardements aus seinem niederländischen Stationierungsort zu Besuch gekommen. „In Holland war er beim Luftwarndienst eingesetzt.“ Helg muss schmunzeln: „Weil er aus Holland nicht ohne Sonderbefehl herausgekommen wäre, hatte er Vaalserquartier als Urlaubsort angegeben. Das klappte, weil kaum einer wusste, dass Vaalserquartier nicht mehr Holland, sondern Deutschland war.“

Die Helgs hätten in der ersten Etage der Villa gesessen, da habe plötzlich das Telefon geklingelt. Ein Freund habe ihm mitgeteilt: „Macht Euch auf und davon, die Engländer sind schon über Lüttich.“ Aber schon waren die Geschwader über Aachen und ließen ihre todbringende Fracht auf die Stadt fallen. „Der Horizont über Aachen war nach dem Angriff grellrot“, erinnert sich Helg. „Das waren die Phosphorbomben.“

Zunächst in die Niederlande

Vater Helg nahm seine Familie nach dem Angriff vom 11. April mit in die Niederlande, von dort wurden Georg Helg, seine Schwester und die Mutter ins Schwäbische evakuiert. „Wer jetzt behauptet, die Amis wären gekommen, um uns zu befreien, der irrt. Im Schwäbischen war ich als neunjähriger Junge beauftragt, ein Kommissbrot zu besorgen. Auf dem Rückweg zu dem Bauernhof, wo wir untergekommen waren, zielte ein amerikanischer Tiefflieger auf mich, verfehlte mich aber. Aber ich weinte. Der Schreck saß tief und das wertvolle Kommissbrot war nass.“

Georg Helg: „Der Angriff am 11. April auf Aachen war kein Akt der Befreiung. Die Amerikaner und die Briten wollten die bedingungslose Kapitulation der Deutschen und die Besetzung des Reiches. Beides haben sie Gott sei Dank geschafft. Die meisten Deutschen standen doch bis zuletzt hinter Hitler und seinen Schergen. Die Juden, die Widerständler und die politischen Gefangenen konnten sich zu Recht befreit fühlen.“

Waldfriedhof: OB Philipp legt einen Kranz nieder

Oberbürgermeister Marcel Philipp wird am heutigen Freitag, 11. April, um 16 Uhr am Gräberfeld der Bombenopfer auf dem Waldfriedhof unterhalb des Bismarckturms zum Gedenken an die Opfer des größten Bombenabwurfs im Zweiten Weltkrieg auf Aachen einen Kranz niederlegen. Zu diesem Gedenken sind alle Aachenerinnen und Aachener herzlich eingeladen.

Damit gedenkt er der 1525 Opfer und 969 Verletzten der Bombennacht vom 11. April 1944.

OB Philipp: „Ich weiß, dass an diesem Tag viele, die Eltern, Geschwister, Freunde oder Nachbarn verloren haben, die Gräber aufsuchen. Ich würde mich freuen, wenn wir als Stadt das Gedenken an diesen Tag gemeinsam wachhalten. Für mich gehört der 11. April 1944 zu den großen Katastrophen, die die Stadt im 20. Jahrhundert erlebte. Die Erinnerung an diesen Tag mahnt uns zum Frieden.“

„Die Leute sollen sich vertragen und keine Kriege anzetteln, die so viel Elend über die Welt bringen.“

Caroline Reinartz

Kommentar: Entweder man redet über Geschichte, dann bitte ohne die politische Einschränkung, bestimmte Verbrechen außen vor zu lassen, oder man macht sich mit schuldig, indem man Verbrechen nicht als solche benennt. Bomber Harries, von den Britten noch vor wenigen Jahren mit einem Denkmal geehrt, war ein Kriegsverbrecher und hat hunderttausende Zivilisten mit Vorsatz getötet, ohne das dies einen militärischen Nutzen gehabt hätte. Er wurde nicht in Nürnberg angeklagt, warum? So etwas nennt man Siegerjustiz und hat mit Recht nichts gemein!

Eine fatale Folge dieser Siegerjustiz war, dass der internationale Gerichtshof in Den Haag so spät erst entstanden ist. Kein Land auf der Welt wollte ein 2. Nürnberg.  

In Deutschland steigt Zahl der Wohnungseinbrüche

Nachrichten-Artikel vom 06.04.2014 08:49

In 150.700 Wohnungen in Deutschland gingen Diebe im vergangenen Jahr auf Beutezug. Damit nimmt die Zahl der Einbrüche weiter zu. In einem Bundesland stiegen die Delikte gleich um 31 Prozent.

Den Artikel können Sie hier lesen: http://www.welt.de/finanzen/verbraucher/article126612338/In-Deutschland-steigt-Zahl-der-Wohnungseinbrueche.html

Streit um Karls Grab, den Thron und seine Moral

Di, 1. Apr. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Region AN Titel / Seite 9

Streit um Karls Grab, den Thron und seine Moral

Die Aachener Historiker Max Kerner und Harald Müller widersprechen Aussagen des Archäologen Sven Schütte. Übereinstimmung bei den Gebeinen.

Von Sabine Rother

Aachen. War das sein Thron? Wie alt war er wirklich? Wo ist sein Grab? Wo ist sein Schädel? Und wie war das mit den Frauen? Gerade erst hat man den 1200. Todestag Karls des Großen begangen. Nicht nur in Historikerkreisen wird bis heute heiß über Fragen rund um den mächtigen Frankenherrscher diskutiert. Blumige Erzählungen vom mystischen Kaiser Karl und seinem Aachener Dom halten sich hartnäckig. Wissenschaftler wie Max Kerner, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls Mittlere Geschichte und Leiter des Historischen Instituts der RWTH Aachen, sowie sein Nachfolger Harald Müller sind mittendrin im Ringen um neue Erkenntnisse. Im Juni wird ihr Buch „Die Aachener Marienkirche“ erscheinen, das sie gemeinsam mit Clemens M. M. Bayer herausgeben.

Einigkeit herrscht bei den Untersuchungen der Gebeine aus dem Schrein. Die Ergebnisse des Schweizer Pathologen Frank Rühli und des deutschen Anthropologen Joachim Schleifring überzeugen sie. Die beiden stellten fest, dass es sich tatsächlich um die Gebeine eines älteren Mannes im Alter um die 70 Jahre aus der Zeit Karls des Großen handelt und dass dieser ein Knieproblem hatte – Karl hinkte in späteren Jahren. Bis auf die Schädeldecke in der Karlsbüste ist jedoch nichts vom Kopf des Kaisers erhalten – der Verbleib des Restschädels bleibt ungewiss.

Geburtsort und -datum des Franken? Zu seiner Zeit komplett unwichtig, eine viel zu heutige Denkungsweise, lehnen die Experten allein schon die Frage ab.

Was verstärkt diskutiert wird, ist die Frage nach Karls Grab. Lag es unterhalb des Kirchenbodens? Nein, so die Wissenschaftler, undenkbar. Eine Gruft? Auch nicht. „Keine Stelle im Dom wäre dazu geeignet“, betont Müller. Der prächtige Proserpina-Sarkophag, der jetzt in der Domschatzkammer gezeigt wird, als Hochgrab – schon eher. Dennoch: Aus karolingischer Zeit gibt es keinen Hinweis auf ein Grab oder den Beleg eines „Memorialkultes“, einer Grabesverehrung. Erst viel später seien die Kanoniker aktiv geworden – vermutlich, um die Bedeutung der Marienkirche aufzuwerten. Aussagen des Kölner Mittelalterarchäologen Sven Schütte, der im Dom die Anlage des Kaiserthrons eingehend untersucht hat und von Funden im Staub der Jahrhunderte berichtet – unter anderem von einem vergoldeten Nagel, den er einem Teil der Reichskleinodien zuordnet –, begegnen die Aachener Historiker mit Skepsis. Sie fordern Schriftliches.

Gittertürchen ist fraglich

Selbst die These vom unbenutzten karolingischen Fußboden ist für Kerner und Müller kein Hinweis auf den Standort des Throns. Ja, dort stand etwas. Aber was? Wer heute den spartanisch anmutenden Sitz betrachtet, sollte ihn in Gedanken auseinander nehmen, raten die Experten: Marmorteile, Unterbau, Treppe. „Der Thron ist handwerklich so schlecht gebaut, dass er sich nicht in das hochwertige Bauensemble der Marienkirche fügt. So hätte man den nicht zusammengeschustert“, meint Müller. Die Herkunft des Marmors? Wo die einen Jerusalem vermuten, sagen die anderen, der Marmor sei zwar „von ähnlicher Beschaffenheit“, aber das sei noch kein Beweis. Für beide steht fest: Der Thron hat so vermutlich niemals ausgesehen. Und selbst das Türchen im Gitter dient nicht mehr als Indiz. Das Gitter könnte auch im gegenüberliegenden Teil des Umgangs seinen Platz gehabt haben. Schon schwindet die Vorstellung von einem Karl, der hier den Gottesdienst verfolgte. Dass Karl eine enge Beziehung zum Glauben hatte, bezweifelt niemand. Der Kaiser konnte zudem lesen und verstand es recht gut, seine Verwaltung zu kontrollieren.

Ob er auch schrieb, ist nicht klar, aber das war im Mittelalter normal, und das Schreiben galt eher als Handwerk. „Das Karlsbild lebt von den Brechungen, Feingeist und Analphabet, das ist für viele reizvoll“, sagt Müller. Und noch eine Frage reizt: Karl, der Frauenheld? Tatsächlich waren seine Ehen nach Mittelalterrecht politische Arrangements. Die Ehefrauen hatten die Hausgewalt. Kerner: „Da ging es nicht ums Kochen. Sie hatten das Sagen über die königliche Kammer, über die Einkäufe etwa von Luxuswaren.“ Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass Karl der fränkischen Kriegerelite entstammte und in einer Zeit lebte, in der sich christliche Werte erst noch festigten. Urkundlich belegt: Karls Sohn Ludwig der Fromme war nicht so sicher, dass sein Vater das ewige Heil erlangen würde – er ließ zur Sicherheit kräftig für ihn beten – nachträglich. Sven Schütte hat sein Buch noch für dieses Jahr angekündigt. Neues Diskussionsmaterial.

„Der Thron ist handwerklich so schlecht gebaut, dass er sich nicht in das hochwertige Bauensemble der Marienkirche fügt. So hätte man den nicht zusammengeschustert.“

Professor Harald Müller, Leiter
Historisches Institut Aachen

Die Jugendkriminalität geht zurück, Einbrüche nehmen zu

Di, 11. Mär. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Titel Aachen / Seite 1

Die Jugendkriminalität geht zurück, Einbrüche nehmen zu

Die Zahl der Straftaten in Nordrhein-Westfalen ist im vergangenen Jahr unter die Marke von 1,5 Millionen gesunken

Von Johannes Nitschmann

Düsseldorf. Die Zahl der Wohnungseinbrüche nimmt in Nordrhein-Westfalen dramatische Ausmaße an. Im vergangenen Jahr wurden an Rhein und Ruhr insgesamt 54 953 Einbrüche in Häuser und Wohnungen registriert, teilte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) gestern in Düsseldorf mit. Die Aufklärungsquote habe nahezu unverändert bei nur 13,6 Prozent gelegen. „Wir wollen in Zukunft besser werden“, versicherte Jäger. Die Aufklärungsquote sei nicht zufriedenstellend.

Insgesamt ging die Kriminalität im bevölkerungsreichsten Bundesland im Jahre 2013 um 2,5 Prozent zurück, während die Wohnungseinbrüche landesweit um 1,5 Prozent anstiegen. Die Jugendkriminalität sank sogar um fünf Prozent, auch die Zahl der Gewalttaten ging zurück. Insgesamt konnte nur jede zweite Straftat (48,9 Prozent) aufgeklärt werden

Von den 5284 ertappten Einbrechern kamen laut Kriminalstatistik 2.057 aus 21 ausländischen Nationen. Dies sei die höchste Zahl der aus dem Ausland registrierten Straftäter in den letzten 30 Jahren, erklärte Jäger. Organisierte Einbrecherbanden nutzten die dichte Verkehrsinfrastruktur mit den vielen Autobahnen und Fernverkehrsstraßen in den Ballungsgebieten, um Wohnungseinbrüche zu begehen und „mit ihrer Beute schnell zu verschwinden“. In den letzten fünf Monaten seien 72 Intensivtäter verhaftet worden, auf deren Konto alleine 2057 Einbrüche gingen. In vier von zehn Einbruchsfällen bleibe es beim Versuch, betonte der Innenminister. Dies zeige, wie wichtig eine gute Sicherung der eigenen vier Wände sei.

Der Schwerpunkt der Wohnungseinbrüche verlagert sich nach Einschätzung von Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann immer mehr von ländlichen Regionen in urbane Gebiete. Selbst Sozialwohnungen seien der Ziel der Einbrecherbanden.

Aachen und Städteregion: Durchwachsene Bilanz

Eine durchwachsene Bilanz des abgelaufenen Jahre präsentierte der Aachener Polizeipräsident Klaus Oelze. Die Gesamtkriminalität in Aachen und der Städteregion ging um 4,4 Prozent auf knapp 52 000 Taten zurück, davon wurden mehr als 30 000 Delikte in Aachen verübt. In der Stadt Aachen liegt die Verbrechenshäufigkeit mit 11 700 Taten pro 100 000 Einwohnern deutlich höher als in Eschweiler (9300). Stolberg (6100) oder Monschau/Simmerath/Roetgen (3100). Zugenommen haben die Wohnungseinbrüche (fast 2200), soviel wie seit zehn Jahren nicht. Rückläufig ist die Straßen- und Gewaltkriminalität. (an)

Polizei nimmt nachts junge Leute ins Visier

Di, 11. Mär. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 15

Polizei nimmt nachts junge Leute ins Visier

Fälle von Straßenraub haben stark zugenommen. Aktionen auch gegen die vermehrte Zahl von Wohnungseinbrüchen.

Von Heiner Hautermans

Aachen. Würde der neue Kripochef Ulrich Flocken, der gestern seinen Einstand bei der Vorstellung der Kriminalstatistik 2013 gab, wählen können, wo er seinen Altersruhesitz nimmt, dann wäre der Fall unter Verbrechensgesichtspunkten klar: in der Eifel, wo vergleichsweise die wenigsten Straftaten verübt werden, nur ein Viertel der Stadt-Aachener – „so sicher wie in Abrahams Schoß“. Der Kriminaldirektor kommt aus Mönchengladbach und steht an der Spitze von 450 Kripobeamten in der Polizeibehörde in der Soers. Er präsentierte mit Polizeipräsident Klaus Oelze die Zahlen für das letzte Jahr, hinter denen sich natürlich Menschen und Schicksale verbergen, aus denen die Ordnungshüter aber auch Schwerpunkte für ihre zukünftige Arbeit ableiten.

Dabei konnten die beiden Spitzenleute für die Stadt Aachen eine durchaus erfreuliche Tendenz vorlegen, weil die Gesamtkriminalität um immerhin 5,2 Prozent oder 1692 Taten zurückgegangen ist. Wie immer steckt aber der Teufel im Detail, sehen die Zahlen in den verschiedenen Feldern höchst unterschiedlich aus. Besonders traurig ist nicht erst seit letztem Jahr die Entwicklung im Bereich Wohnungseinbrüche, die um immerhin 29 Prozent angestiegen sind. Und: Von der 1242 Aufbrüchen wurden gerade mal 11,67 Prozent aufgeklärt.

Die Grenzlage macht Aachen da sicher zu schaffen, reisende Täter, die wie Heuschrecken über ganze Landstriche herfallen und schnell wieder verschwinden und auch immer professioneller werden. Sie stammen beispielsweise aus Südosteuropa, Residenten kundschaften vor Ort lohnende Objekte aus und beschaffen die Logistik wie Wohnungen oder Autos, sogenannte Soldaten reisen für die Brüche eigens an und tauchen schnell wieder ab. Mit einer speziellen Flex-Kommission und verstärkten Präsenz sowie Großkontrollen will man der Entwicklung entgegenwirken. In Kellern werden vor allem Werkzeug, Nahrungs- und Genussmittel sowie Fahrräder gestohlen.

Von allen 30 724 Straftaten in der Stadt wird ebenfalls nicht einmal die Hälfte aufgeklärt (47,4 Prozent). Erfreulich allerdings, dass die Zahl der jungen Leute unter den ermittelten Tatverdächtigen zurückgeht, in 2013 waren 23,7 Prozent der Täter bis 21 Jahre alt. Ein typisches Jugenddelikt ist etwa der Straßenraub, verharmlosend bezeichnet als „Abziehen“ der oft ebenfalls jugendlichen Opfer, inklusive des Abnehmens von Smartphones oder Portemonnaies. Strafrechtlich handele es sich nämlich um einen Raub, besonders häufig verübt auf den nächtlichen Straßen in Aachen. Oelze: „Das ist richtig heftig.“ Hier gibt es Überlegungen in der Polizeispitze, nachts auf Gruppen von Jugendlichen zuzugehen und ihnen klarzumachen, dass man sie im Auge hat. Zwei Drittel dieser Delikte werden von Tätern bis zu 21 Jahren verübt. Die Polizei rät jungen Leuten, ihr teures Handy möglichst wenig zur Schau zu stellen.

Weniger Gewalt

Nicht auszurotten ist auch der Diebstahl von Zwei- und Vierrädern auf Aachens Straßen, bei letzteren besonders beliebt sind 3er BMW, VW Golf, VW Touran und Multivan. Immer wieder ärgerlich sind auch die Sachbeschädigungen von Kraftfahrzeugen, mitunter werden in ganzen Straßenzügen Antennen oder Spiegel abgetreten oder der Lack zerkratzt. Ebenso unangenehm: Sachbeschädigungen etwa von Bushaltestellen, Parkbänken oder Blumenkübel, aber auch Graffiti-Schmierereien, auch wenn die Zahlen in diesem Bereich insgesamt rückläufig sind.

Positiv vermerken die Spitzenbeamten, dass die Gewaltkriminalität im fünften Jahr hintereinander rückläufig ist, zwei Drittel der 438 Taten in Aachen wurden aufgeklärt, auch die Zahl der darin verwickelten jungen Menschen ist rückläufig. Aufgeklärt wurden alle vollendeten oder versuchten Fälle von Mord und Totschlag in Aachen. Als dunklen Punkt sehen die Fahnder allerdings die Tatsache an, dass die Raubdelikte, besonders auf der Straße, enorm zugelegt haben. Nur knapp die Hälfte davon wird aufgeklärt. Trotz sinkender Aufklärungsquote konnten die Fahnder mehr Tatverdächtige ermitteln (187). Fast alle von ihnen sind zuvor bereits einschlägig in Erscheinung getreten. Der Anteil von Ausländern in diesem Bereich beläuft sich auf 32 Prozent, meist südosteuropäischer oder afrikanischer Herkunft.

Kontinuierlich rückläufig sind die Zahlen auf dem Sektor der schweren und gefährlichen Körperverletzung. Hier ist tröstlich, dass mehr als 80 Prozent der Straftaten aufgeklärt werden. Ähnlich hoch liegt die Quote bei Sexualdelikten wie Vergewaltigungen und dem sexuellen Missbrauch von Kindern. Während die Zahl der Vergewaltigungen zurückgegangen ist, steigt sie beim sexuellen Missbrauch von Kindern an. In mehr als der Hälfte sind Täter und Opfer miteinander bekannt oder verwandt. Die Zahl exhibitionistischer Handlungen hat stark zugenommen, 13 Fälle der Verbreitung von Kinderpornografie wurden im Bereich der Kreispolizeibehörde registriert, 41 Mal der Besitz von Kinderpornografie festgestellt. Die Fälle von Tankbetrug stiegen im vierten Jahr in Folge auf jetzt 1253 Fälle in Stadt und Region.

Seit Jahren anwachsend sind auch die Betrugsfälle im Internet, etwa dadurch, dass bestellte Ware nicht bezahlt oder geliefert wird, immerhin fast 1100 Fälle im Gesamtbereich. Allerdings werden immerhin 70 Prozent dieser Gaunereien aufgeklärt. Ein Lichtblick ist für die Behörde die Entwicklung bei der Rauschgiftkriminalität. Die Zahl der Delikte ist um stolze 37,5 Prozent von mehr als 3000 auf jetzt 1895 gesunken. Zudem ist die Aufklärungsquote hier mit fast 95 Prozent sehr hoch.

Zumindest halbvoll

Zusammenfassend sieht der Polizeipräsident das Glas als „zumindest halbvoll, wenn nicht noch ein bisschen mehr“ an.

Hotelbesitzerin flattert erneut Strafandrohung ins Haus

Di, 11. Feb. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokales / Seite 19

Hotelbesitzerin flattert erneut Strafandrohung ins Haus

Im Fall der couragierten Geschäftsfrau, die für die Polizei die Arbeit machte, geht es wieder um eine hohe Geldstrafe von 6400 Euro

Von Wolfgang Schumacher

Aachen. Der Prozess-Alptraum für die engagierte Hotelbetreiberin Doris Schmitz-Kück (69) geht weiter. Weil sie sich im August 2012 bei einer Aktion der Polizei vor dem neben ihrem Hotel am Hauptbahnhof gelegenen Übergangswohnheim eingemischt hatte, ist die Geschäftsfrau vom Amtsgericht Aachen zu einer deftigen Geldstrafe verurteilt worden.

Die für sie und ihren Anwalt Peter Schäfer völlig unannehmbare Strafe von 6400 Euro wegen „falscher Verdächtigung“ wurde zwar von Richterin Andrea Rösch im Urteil vom 13. Dezember, einem für Frau Schmitz-Kück wahrlich schwarzen Freitag, zur Bewährung ausgesetzt. Jetzt setzt die Staatsanwaltschaft noch einen drauf und will in der Berufung erreichen, dass die ausgesprochene Bewährung wieder weggenommen wird.

Einsatz in der Bahnhofstraße

Das Amtsgericht hatte trotz mehrerer gegenteiliger Zeugenaussagen entschieden, dass sich die Hotelbesitzerin am 8. August 2012 zu Unrecht gegen einen von der Polizei erteilten Platzverweis gestellt habe und dass sie dann auch noch die beiden den Streit auslösenden Beamtinnen falsch beschuldigt habe.

Die Polizei war damals gerufen worden, weil ein sichtlich betrunkener Mann unter lautem Grölen diverse Gegenstände aus einem Fenster des Wohnheims auf die viel befahrene Bahnhofstraße warf. Es hatte sich bereits eine Menschenmenge angesammelt, und die Hotelfachfrau wollte Ordnung schaffen, bis die Polizei eintraf.

Die kam dann auch in Gestalt zweier junger Polizistinnen, die sich nach Angaben von Zeugen allerdings in ihren Dienstwagen zurückzogen, anstatt den Randalierer aus dem Verkehr zu ziehen. Gegen dieses Verhalten begehrte Schmitz-Kück auf und wurde nach eigenen Angaben von den Polizistinnen übel angegangen.

Die Beamtinnen holten dann Kollegen hinzu, die nicht den Randalierer, sondern die Hoteleignerin in Handschellen abführten. Da die Hotelbesitzerin nicht in dieser Art und Weise behandelt werden wollte, betrieb sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizistinnen.

„Uneinsichtig und renitent“

Das hätte sie besser nicht getan. Die Verfahren gegen die Polizistinnen – und auch das gegen den Randalierer – wurden inzwischen eingestellt. Nur Schmitz-Kück wird weiterhin von der Anklagebehörde verfolgt, weil sie sich nicht fügen wollte.

So formuliert Oberstaatsanwältin Silvia Janser in der Berufungsbegründung gegen das Amtsgerichtsurteil, diese Verurteilung werde dem „Unrechtsgehalt der vorliegenden Straftat“ und der „Persönlichkeit der Angeklagten“ nicht gerecht. Die Angeklagte habe sich „völlig uneinsichtig und renitent“ gezeigt, dies habe sich „auch in der Hauptverhandlung fortgesetzt“, heißt es.

„Die verfolgen mich immer weiter“, fühlt sich Schmitz-Kück bedroht und schwört, nie mehr die allseits eingeforderte Zivilcourage zu zeigen. Auch Anwalt Schäfer hat Berufung eingelegt: „Das ist ein falsches Urteil“, sagt er. Jetzt wird das Landgericht entscheiden.

Im Ostviertel ist Ruhe eingekehrt

Do, 30. Jan. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 15

Im Ostviertel ist Ruhe eingekehrt

Polizeipräsident Oelze stand im Hauptausschuss zum zweiten Mal Rede und Antwort. „Nur ein Akteur von vielen.“ Politik stellt sich hinter das Viertel.

Von Heiner Hautermans

Aachen. „Wer die Situation im Ostviertel kennt, weiß, dass relative Ruhe eingekehrt ist“, sagte Polizeipräsident Klaus Oelze gestern vor dem Hauptausschuss. Man solle die Gelegenheit nutzen, damit diese Ruhe sich manifestieren könne. Zwar fahre die Polizei jetzt weniger Einsätze dort, doch das Viertel sei immer noch ein Schwerpunkt der Arbeit, sagte Oelze weiter. Es war das zweite Mal, dass sich Aachens oberster Ordnungshüter zu der Thematik äußerte, deutlich anders als beim AN-Forum zu diesem Thema Mitte Dezember.

Zur ganzen Wahrheit gehöre aber auch, dass der Elsassplatz ein Fahndungsraum sei, in dem sich hoch kriminelle Dinge abspielten und in dem man deshalb die Polizeiaktionen weiterfahren werde, so Oelze. Und es sei nicht so, wie von einigen Seiten in der AN-Serie dargestellt, dass die Täter nur von außen kämen: „Es sind auch Menschen, die dort oder am Rande leben.“ Deshalb müsse man die Unsicherheit schaffen, dort immer wieder präsent zu sein: „Ich sehe das als Aufgabe an, dass die Polizei immer wieder auftaucht.“

Allerdings könne die Polizei das Problem nicht allein lösen. „Wir betrachten uns als ein Akteur von vielen, um auf diese Weise beizutragen, dass die Wogen sich weiter glätten.“ Deshalb renne man beim Thema Ordnungspartnerschaft bei ihm offene Türen ein.

Oelze wies den im AN-Forum geäußerten Vorwurf, die Aachener Polizei sei rassistisch, zurück. Dort war von Jugendlichen unter anderem moniert worden, dass fremd aussehende Menschen häufiger kontrolliert würden und junge Muslime sich vor ihren Freunden bis auf die Unterhosen hätten ausziehen müssten.

„In der Regel haben meine Mitarbeiter eine gute Kenntnis, wer etwas wo verbirgt.“ Dabei seien nun einmal Durchsuchungen notwendig, um Verstecke zu finden. „Ich habe in den elf Jahren, in denen ich in Aachen bin, keine Erkenntnisse, dass die Aachener Polizei rassistisch ist.“

Angst gehabt

Oelze schilderte zu Beginn noch einmal, wie es zu der ganzen Diskussion gekommen war. Als eine Streife am 24. Oktober 2013 in der Elsassstraße einen per Vollstreckungshaftbefehl gesuchten Mann erkannte und seiner habhaft werden wollte, gab dieser Fersengeld. Ein gut trainierter Polizist lief ihm hinterher und wurde seinerseits von zehn bis 15 jungen Männern verfolgt, an denen die beiden vorbeigelaufen seien. Diese hätten ihn verbal bedroht: „Dich machen wir fertig, Bulle!“ Der Beamte sei schneller gelaufen und wieder auf Kollegen gestoßen: „Er hat durchaus Angst gehabt.“

Daraufhin seien 25 bis 30 Beamte, die den Schwerpunkteinsatz im Ostviertel machten, am Elsassplatz zusammengezogen worden, hätten sich aber einer großen Menschenmenge gegenübergesehen, die aus den umliegenden Lokalitäten wie Wettbüros, Spielhallen und Gaststätten herausgekommen sei. Die Gruppe habe drohende Haltung eingenommen. Der Führer der Hundertschaft habe daraufhin beschlossen, sich zurückzuziehen, damit es nicht zu einer unkontrollierbaren Eskalation komme. Fälsch­lich sei das so rübergekommen, dass die Polizei geflüchtet sei: „Ich bin dankbar dafür, dass der Kollege nicht eskalierend unterwegs war.“

Kürzlich habe es einen SEK-Einsatz im Elsassviertel gegeben mit einer erheblichen Zahl von Zuschauern. Diese hätten ganz anders reagiert, „in keiner Weise feindselig, eher zustimmend“.

Einig waren sich die Politiker darin, die schon begonnenen Maßnahmen im Ostviertel weiterzuführen. Hilde Scheidt (Grüne): „Es ist wichtig, dass wir hinter dem Viertel stehen.“ Schließlich seien (von Jugendlichen des Josefshauses) Wünsche nach Blumenkübel n und Weihnachtsbeleuchtung geäußert worden, da könne man ansetzen.

„Ich wünsche, dass wir häufiger informiert werden und im Gespräch bleiben.“ Es sei wichtig, dass das Elsassviertel nicht durch Kriminalität beschädigt werde, sagte Gaby Breuer (CDU).

Bürgerin wollte nur Schriftstück abgeben: heftiger Stoß in den Flur

Mi, 15. Jan. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 13

Bürgerin wollte nur Schriftstück abgeben: heftiger Stoß in den Flur

Körperliche Attacke vom Dezernenten? Anzeige wegen Körperverletzung

Aachen. Eine unschöne Sache treibt Marianne Plum (60) seit dem Herbst letzten Jahres um. Die Hausfrau aus Baesweiler musste damals am 2. Oktober kurz nach 9 Uhr morgens in das Haus der Städteregion in der Zollern­straße. Der Grund: Dort sitzt mit dem Dezernenten für Schule, Gesundheit und Ordnung, Gregor Jansen, gleichzeitig auch der bis dato amtierende Vorsitzende des Umlegungsausschusses der Stadt Baesweiler.

Da die Familie Plum sich seit Jahren mit den Grundstücksangelegenheiten in einem hinter dem eigenen Haus gelegenen Neubaugebiet befassen muss – sie hat dort Grundstücksbesitz –, beschäftigt die in kommunalen Baurechtsfragen recht fitte Baesweilerin des Öfteren den dortigen Umlegungsausschuss. So wollte Marianne Plum, wie sie unserer Zeitung aufgeregt erzählte, für die überraschend und kurzfristig anberaumte Sitzung des Ausschusses eine Stellungnahme abgeben. Denn sie und ihr Mann hätten zum Termin nicht persönlich kommen können.

Deswegen verfasste sie die Stellungnahme schriftlich und wollte sie an diesem Morgen per „Empfangsbekenntnis“ (die muss der Empfänger unterschreiben) in Aachen loswerden. „Hätte ich das doch an der Poststelle getan“, macht sie sich jetzt noch unter Tränen Vorwürfe. Tat sie aber nicht, sondern ging zum Büro des Vorsitzenden Jansen. Der war auch da, wollte allerdings partout die Sache nicht entgegennehmen, schildert sie ihr Dilemma. Fast war sie bereits wieder weg, da drehte sie nochmals um. Die Schöffin am Aachener Amtsgericht kennt sich in Rechtsfragen etwas aus. Sie habe den Herrn Jansen belehrt, dass er das Schreiben annehmen und quittieren müsse, er sei schließlich der Vorsitzende, habe sie gesagt.

Das habe der aber völlig anderes gesehen, habe sich offensichtlich belästigt gefühlt und sie kurzerhand dermaßen grob aus seinem Büro befördert, dass sie vor der Amtstüre lang hinschlug. „Er nahm mich bei den Schultern“, erinnert sich die eher zierliche Frau, „drehte mich um und ich bekam einen harten Stoß in den Rücken“. Niemand habe ihr aufgeholfen, die Türe sei laut zugeschlagen. Sie könne ja mit dem Handy Hilfe holen, hätten Mitarbeiter ihr gesagt, während sie weinend am Boden lag. Ein Handynetz gab es erst am Ende des Flures, geschockt rief sie die Polizei.

Jetzt ist eine Anzeige gegen den Behördenleiter wegen „Körperverletzung im Amt“, so der Anwalt der Geschädigten, anhängig, es gibt ein ärztliches Attest vom gleichen Tag, das die zwar leichten, aber immerhin zugefügten Verletzungen dokumentiert. Statt einer Entschuldigung und eventuell ein paar Blümchen schmetterte die Behörde der Bürgerin ein Hausverbot entgegen. Zitternd berichtet sie, sie könne seitdem nicht mehr in Amtsstuben gehen, so sehr habe sie die Attacke getroffen. Gegen das Hausverbot ist nun gleichfalls eine Klage anhängig.

Sicher müssen sich Verwaltungen eine Menge anhören. Aber eine rechtsuchende Bürgerin herumschubsen? Für Jansen warf sich gestern Städteregionsrat Helmut Etschenberg in die Bresche. Man sage nichts zu einem laufenden Verfahren, man sehe den Vorfall aber völlig anders. Und: An der Integrität seines Dezernenten hege er überhaupt keine Zweifel.(wos)

Innenminister gegen Abkassieren für Polizei im Stadion

Di, 14. Jan. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Titel Aachen / Seite 1

Innenminister gegen Abkassieren für Polizei im Stadion

In Bremen wird diskutiert, den Einsatz bei Fußballspielen vom Veranstalter zahlen zu lassen. Aus NRW gibt es rechtliche Bedenken.

Von Johannes Nitschmann

Berlin/Aachen. Bei den allermeisten Bundesländern gibt es derzeit keine Bestrebungen, der Deutschen Fußball Liga (DFL) und deren Vereinen Polizeieinsätze bei Bundesligaspielen in Rechnung zu stellen. „Geld bringt uns gar nichts, uns fehlen die Polizisten“, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) gestern in Düsseldorf, nachdem er für das nächste Jahr den Vorsitz der Innenministerkonferenz (IMK) übernommen hatte. Bei der Diskussion um die Eindämmung von Fußball-Krawallen müsse es das Ziel sein, „weniger Polizisten einzusetzen und nicht, die Kassen zu füllen“.

Der rot-grün regierte Stadtstaat Bremen will bis Ende Juni dieses Jahres prüfen, welche Gesetze geändert werden müssen, um die Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen, Rockkonzerten und anderen Massen-Events beim Veranstalter eintreiben zu können. Die dortigen Regierungsparteien von SPD und Grünen haben in ihren Gremien entsprechende Beschlüsse gefasst, um die klamme Stadtkasse bei den Polizeikosten zu entlasten. Daraufhin hatte der Präsident des Fußball-Bundesligisten Werder Bremen, Klaus-Dieter Fischer, sein SPD-Parteibuch nach über 50 Jahren aus Protest zurückgegeben.

Der neue IMK-Vorsitzende Jäger erklärte, er habe große Zweifel, ob sich das Vorhaben des Bremer Senats gesetzlich umsetzen lasse. „Es gibt ganz erhebliche rechtliche Bedenken dagegen.“ Bremen wolle hier offenkundig einen Sonderweg beschreiten. Er könne derzeit nicht erkennen, dass andere Bundesländer dem folgen würden. Dagegen hatte der Bremer SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe prophezeit, dass andere Bundesländer bei der Berechnung der Polizeikosten nachziehen würden. „Da sitzen im Moment alle noch in den Büschen und warten ab.“

Auch Jägers Amtsvorgänger als IMK-Chef, der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, wandte sich gegen ein Abkassieren der Fußball-Bundesligaclubs. „Ich halte nichts davon, dass für staatliche Leistungen – gerade im Bereich des Gewaltmonopols – Rechnungen ausgestellt werden.“ Zudem halte er eine saubere Abgrenzung der Kosten für schwierig, da sich die Krawalle häufig auf den Anreisewegen gewaltbereiter Fans ereigneten.

Jäger hob hervor, dass sich die Kooperation zwischen der DFL, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und den Sicherheitsbehörden deutlich verbessert habe. Dennoch müssten die Fußball-Bundesligisten noch viel konsequenter bei der Verhängung von Stadionverboten vorgehen. „Denn wer randaliert, zuschlägt oder rechtsextremistische Parolen brüllt, hat bei Fußballspielen nichts zu suchen.“ Wenige Gewalttäter dürften nicht „das fantastische Ereignis Fußball“ zerstören.

Kommentar: Überall fehlen Polizeibeamte, aber beim Fußball mit seinen astronomischen Gehältern wird nicht gespart. Hier wird die Sicherheit der Masse auf Kosten einer Minderheit vernachlässigt. Satt Fußballern Millionen zu zahlen sollen sich die Vereine, wenn sie Geschäft machen wollen, auch an den  Kosten beteiligen. Hier werden die Kosten sozialisiert, die Gewinne aber privatisiert.

Nach dem AN-Forum ist einiges in Bewegung geraten

Fr, 3. Jan. 2014
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 13

Das Thema: AN-Serie „Mein Ostviertel“

Nach dem AN-Forum ist einiges in Bewegung geraten

Was bewegt die Menschen zwischen Adalbertsteinweg und Düppelstraße? Welche Probleme sehen sie und welche Lösungen?

Von Heiner Hautermans

Aachen. Der 24. Oktober 2013 war eine Zäsur für das Ostviertel. An diesem Donnerstag wurde ein Polizist, der auf der Elsassstraße einen gesuchten Mann festnehmen wollte, selbst zum Verfolgten, weil eine herbeigerufene Gruppe junger Männer ihn bedrohte. Später zog sich die Polizei, die mit Verstärkung zurückkam, zurück, weil sie sich einer aufgebrachten Gruppe von 60 Personen gegenübersah und eine Eskalation vermeiden wollte. Seitdem hat die Polizei eine Vielzahl von Razzien zwischen Adalbertsteinweg und Düppelstraße durchgeführt, die unter anderem Fragen nach der Verhältnismäßigkeit aufgeworfen haben.

Diese Fragen wurden unter anderem gestellt auf einem von den „Nachrichten“ im Zeitungsverlag an der Dresdener Straße veranstalteten Forum „Brennpunkt Ostviertel“, bei dem sich Polizeipräsident Klaus Oelze zum ersten Mal der Kritik stellte und unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallten. Klar wurde an diesem Abend auch, dass die Debatte überfällig ist. Viele Besucher der sehr gut besuchten Diskussion begrüßten, dass sie ihre Position einmal darlegen konnten, von den Geschäftsleuten, die über die stundenlange Sperrung der Elsassstraße klagten, über junge Muslime, die sich im Kennedypark bis auf die Unterhose ausziehen mussten, bis hin zu Senioren, die sich unsicher fühlen und die Aktionen der Ordnungshüter sehr begrüßen. Klar wurde aber auch, dass die Polizei – trotz überdurchschnittlicher Kriminalitätsrate – die Probleme nicht allein lösen kann. Alle konnten aber an diesem 18. Dezember nur kurz zu Wort kommen, die Ze it war an diesem Abend – trotz kräftiger Überziehung – nicht lang genug. Seitdem ist etwas in Bewegung geraten, so der Eindruck vieler.

Die „Nachrichten“ geben daher allen Interessierten Gelegenheit, sich noch einmal ausführlicher zu äußern, diesmal unter dem Titel „Mein Ostviertel“. Verschiedene Anwohner erzählen, wie lange sie in dem Quartier leben, welche Verbindung sie zu ihm haben, welche Probleme sie dort sehen und wie ihrer Meinung nach die Lösung derselben aussehen kann. Auch dort ansässige oder beruflich tätige Leser können sich melden unter 0241/5101-411 oder per E-Mail an-lokales-aachen@zeitungsverlag-aachen.de, Stichwort „Mein Ostviertel“.

Die neue Serie startet heute mit dem Pfarrer Markus Frohn.