Geiselnahme in München 1972: Neue Vorwürfe gegen Regierung wegen Olympia-Attentat

FOCUS Online, 26.08.2012, 17:29

Geiselnahme in München 1972: Neue Vorwürfe gegen Regierung wegen Olympia-Attentat

40 Jahre nach dem Attentat auf Sportler der olympischen Spiele in München erscheint das „Krisenmanagement“ der Bundesregierung in neuem Licht: Sie hat später offenbar Kontakt zu den Hintermännern des Anschlags geknüpft und auf Strafverfolgung verzichtet.

Den vollständigen Artikel erreichen Sie unter der URL http://www.focus.de/politik/deutschland/geiselnahme-in-muenchen-1972-neue-vorwuerfe-gegen-regierung-wegen-olympia-attentat_aid_806928.html

Kommentar: Bei einem Bundeskanzler Willy Brandt hatte ich auch nichts anderes erwartet. Erst den Kniefall in Warschau und dann Israel und die Juden verraten und mit Terroristen paktieren.  Aber den Friedensnobelpreis bekommen.

Lieutenant Robert G. Fenstermacher kehrt heim

 

Do, 23. Aug. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / Die Seite Drei / Seite 3

Chronologie

Lieutenant Robert G. Fenstermacher kehrt heim

Vor 67 Jahren wurde der US-Soldat über Roetgen abgeschossen. Ein Bergungsteam hat nun seine Geschichte freigelegt und den Ehering des Piloten gefunden.

Von René Benden

Sehr geehrter Herr,
als Antwort auf Ihren Brief vom 27. November 1945 bitte ich Sie, alle persönlichen Gegenstände von Robert G. Fenstermacher an diese Adresse zu senden. Die aktuelle Adresse ist: (…)

Hochachtungsvoll Mae Fenstermacher

Aachen. Als Mae Fenstermacher diesen Brief im Januar 1946 an die amerikanischen Behörden schrieb, hofften sie und ihre Schwiegertochter Edna inständig, möglichst bald die Erinnerungsstücke an den Sohn und Ehemann Robert in Händen halten zu können. Robert G. Fenstermacher war schon seit über einem Jahr tot. Gefallen im Zweiten Weltkrieg. Abgeschossen über der Eifelgemeinde Roetgen. Seine Leiche wurde nicht geborgen, weshalb er offiziell als vermisst gemeldet wurde. Doch weder Mae noch Edna sollten den Tag erleben, an dem die amerikanischen Behörden ihrem Wunsch vollständig nachkommen konnten. Denn erst heute, über 67 nach dem Tod Fenstermachers ist der letzte persönliche Gegenstand des amerikanischen Piloten geborgen worden: sein Ehering.

Mark Noah müht sich, aber findet keinen festen Stand. Seine Arme, seine Hose, sein Hemd sind bedeckt mit sandfarbenem Schlamm, der schnell in der Sonne trocknet. Der lehmige Boden am Rande des Hohen Venns hält Marks Gummistiefel in Knöchelhöhe fest umschlossen. Hier unten im Straßengraben von Petergensfeld liegt der Motorblock von Robert Fenstermachers Jagdbomber. Als er am zweiten Weihnachtsfeiertag 1944 abgeschossen wurde, grub sich der schwere turboaufgeladene Sternmotor seiner P47 Thunderbolt zwei Meter tief ins Erdreich. Noah befestigt den Block mit einer Kette an der Schaufel eines Baggers. Mit einem schmatzenden Geräusch gibt die Erde das Triebwerk des Kampfflugzeuges wieder frei.

Aluminium und Munition

Noah und sein Team haben eine Woche lang einen Garten in Petergensfeld bei Roetgen systematisch durchgegraben. Jeder Kubikmeter Erde wurde gesiebt und ausgewaschen. Stück für Stück haben sie ans Tageslicht gefördert, was von Fenstermachers letztem Flug übriggeblieben ist. Schrauben, Fetzen von Aluminium, Munition, Knochensplitter, Zähne und nicht zuletzt Fenstermachers Ehering. „Das Schicksal von Robert Fenstermacher ist nun eindeutig geklärt. Wir werden seine sterblichen Überreste in die Vereinigten Staaten überführen und nach Angehörigen suchen, denen wir seinen Ring aushändigen können. Unser Job ist hier getan“, sagt Noah. Er sieht zufrieden aus.

Mark Noah, kräftig, das dunkelblonde Haar unter einer Kappe verborgen, sieht in seiner Arbeitskleidung wie ein Mann aus der Straßenkolonne aus. Der US-Amerikaner ist Historiker und Pilot mit einer besonderen Schwäche für Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg. Er rief die Stiftung History Flight ins Leben. Noah und sein Team halten Kampfflugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg flugfähig, bieten Flüge und Flugtrainings an. Die gesellschaftlich bemerkenswertere Arbeit, die History Flight jedoch leistet, ist die Suche nach amerikanischen Soldaten, die während des Zweiten Weltkrieges im Einsatz starben und noch als vermisst gemeldet sind. „Bringing our missing servicemen back home“ (Wir bringen unsere vermissten Soldaten nach Hause) lautet die Devise von History Flight. Das klingt nach sehr viel Pathos. Doch wer die Akribie sieht, mit der Noah und sein Team vorgehen, bekommt eine Vorstellung davon, mit wie viel Respekt die US-Amerikaner die Toten d es Krieges behandeln.

„Rund 78 000 US-Soldaten des Zweiten Weltkrieges sind noch als vermisst gemeldet“, sagt Noah. „Wir wollen so viele wie möglich finden und zurückbringen.“ Und so reist er über die Schlachtfelder dieses Krieges. Eine dieser Reisen führte ihn 2011 in die Eifel. In Roetgen gab es noch genug Augenzeugen, die ihm davon berichten konnten, wie ein amerikanisches Kampfflugzeug am 26. Dezember 1944 abgeschossen wurde und in Petergensfeld niederging. Dabei wurde ein Wohnhaus völlig zerstört. Die Bewohner überlebten wie durch ein Wunder.

Heute steht Klaus Löhrers Haus dort, wo Robert Fenstermacher sein Leben verlor. Löhrer war die Geschichte seines Grundstücks nicht unbekannt. Als Mark Noah schon bei ersten oberflächlichen Untersuchungen im Winter 2011 erste Flugzeugtrümmer in Löhrers Garten fand, einigten sich die beiden Männer darauf, dass im August 2012 in großem Stil gegraben wird. Was die Männer dort in den vergangenen Tagen fanden, war nicht nur ein Flugzeugwrack. Sie öffneten ein Zeitfenster in eine immer noch junge Vergangenheit, die von Tod und Krieg geprägt war.

Als sich Robert Fenstermacher am Morgen des 26. Dezember auf den Pilotensitz schnallt, ist der Himmel gerade aufgeklart. Die kurzen Phasen mit guter Sicht sind für die US-Streitkräfte strategisch wichtig. Ihr Vormarsch am Boden ist in den winterlichen Ardennen und der Eifel ins Stocken geraten. Deshalb versuchen sie, sobald es das Wetter zulässt, ihre Luftüberlegenheit auszunutzen, um die deutschen Streitkräfte aus der Luft anzugreifen. Fenstermachers Befehl ist, das Terrain aufzuklären und Gelegenheitsziele zu bekämpfen. Das bedeutet, er patrouilliert hinter den feindlichen Linien und bekämpft Ziele, die er als deutsche Stellungen identifizieren kann. Zwar ist die deutsche Luftwaffe zu diesem Zeitpunkt schon stark geschwächt, doch diese Einsätze sind für die US-Piloten gefährlich, weil sie im Tiefflug absolviert werden. Wird eine Maschine getroffen, hat der Pilot kaum noch eine Chance, genügend Flughöhe zu gewinnen, um mit dem Falls chirm aussteigen zu können.

Fenstermacher sitzt am Steuer einer P47-Thunderbolt. Die als Jagdflugzeug konzipierte Maschine wird von den US-Streitkräften immer häufiger als Jagdbomber eingesetzt, weil sie groß, robust und fähig ist, schwere Außenlasten wie Bomben zu transportieren. Die Piloten schätzen die P47, weil sie auch mal einen Treffer wegstecken kann. Eine Eigenschaft, die Robert Fenstermacher an diesem Dezembertag 1944 aber nicht das Leben retten wird.

Fataler Irrtum

Als Fenstermacher mit seinen Staffelkameraden Roetgen überfliegt, erkennt er eine verdächtige Fahrzeugkolonne. Die US-Kampfflieger sind überzeugt, dass es sich dabei um deutsche Soldaten handeln muss. Ein Irrtum. Dort, am Boden der Eifel, sind bereits amerikanische Einheiten vorgerückt. Doch davon ahnen die Piloten in der Luft nichts. Sie entscheiden sich für einen Angriff. Im ersten Anflug gelingt es den Piloten nicht, ihr Ziel zu zerstören. Sie starten einen zweiten Anflug. Die US-Soldaten am Boden sind in einer verzweifelten Lage. Sie wissen, dass sie von der eigenen Luftwaffe angegriffen werden. Sie wissen auch, dass sie ihr Leben verlieren, wenn sie sich nicht wehren. Also nehmen sie die eigenen Kameraden mit Flugabwehrgeschützen unter Beschuss. Fenstermacher wird getroffen. Seine mit drei Bomben noch voll aufmunitionierte P47 stürzt ab und explodiert beim Aufschlag. Zwar erkunden die amerikanischen Bodentruppen die Absturzstelle, doch fü r eine Bergung bleibt keine Zeit. Sie nehmen nur Fenstermachers Erkennungsmarke mit. Danach planieren sie die Absturzstelle zu.

Trümmer in der Garage

67 Jahre später liegt das, was von Fenstermachers P47 übriggeblieben ist, in Klaus Löhrers Garage. Er steigt über kleine Stücke aus zerfetztem Aluminium. In einer Ecke liegt ein verstümmeltes Rotorblatt, ein paar Meter weiter vier verbogene Browning Maschinengewehre Kaliber 50 – die Bordwaffen der P47. Mark Noahs Team hat alle Fundstücke hier zusammengetragen. „Manche Teile taugen vielleicht noch für ein Museum, das meiste aber ist nur noch Schrott“, sagt Löhrer. Er will ein Mahnmal für Robert Fenstermacher vor seinem Haus errichten.

In einer kleinen unscheinbaren Plastikbox auf dem hölzernen Klapptisch in der Garage liegt der eigentliche Grund für Mark Noahs Arbeit in Deutschland: die sterblichen Überreste Robert Fenstermachers. Lediglich Splitter seiner Knochen, ein paar Backenzähne mit Füllungen, anhand derer die Identität Fenstermachers eindeutig geklärt wurde, sind übrig. Und – verpackt in einer kleinen Tüte – sein Ehering. „Wir wissen, dass er mit Edna Fenstermacher aus Brooklyn verheiratet war, wir wissen, dass Edna 2000 gestorben ist. Wir wissen, dass sie einen Sohn hatte“, sagt Noah, und fügt an: „Wir wissen nicht, ob es der gemeinsame Sohn dieser Ehe ist.“ Das will Noah nun rausfinden, um den Ring seinem rechtmäßigen Besitzer geben zu können. Robert Fenstermacher hat seine letzte Reise angetreten.

Das Thema: Bergung eines abgeschossenen US-Piloten

Letzte Stunden

E 26. Dezember, 12 Uhr: Die Wolkendecke über der Westfront ist aufgerissen. Für Lieutenant Robert G. Fenstermacher und seine 506. Fighter Squadron sind diese Wetterverhältnisse immer das Zeichen für einen Angriff. Fenstermacher startet vom vorgezogenen amerikanischen Feldstützpunkt A92C. Fenstermacher ist ein erfahrener und ausgezeichneter Pilot. Für ihn ist es bereits der 54. Feindflug.

E 13 Uhr: Fenstermacher beobachtet in Roetgen eine verdächtige Fahrzeugkolonne. Er denkt, dass es sich dabei um deutsche Einheiten handeln muss. Ein Irrtum, denn das unter ihm sind amerikanische Soldaten, die nach Roetgen vorgerückt sind. Doch das erkennt Fenstermacher nicht. Mit seinem Flügelmann Lieutenant Kenneth Cobb startet er einen Angriff auf die Kolonne. Cobb wirft zwei Bomben, Fenstermacher schießt vermutlich mit seinen Maschinengewehren.

E 13:10 Uhr: Cobb bemerkt, dass Fenstermacher beim ersten Angriff keine seiner drei Bomben abgeworfen hat. Fenstermacher teilt ihm über Funk mit, dass er erneut angreifen will. Cobb dreht ab, um ein anderes Ziel anzugreifen. Er sieht seinen Kameraden Robert Fenstermacher nie wieder.

E 13:12 Uhr: Die amerikanischen Soldaten am Boden erkennen, dass sie erneut von einem eigenen Jagdbomber angegriffen werden. Es gibt keinen Kontakt zu dem Piloten, um ihn auf das fatale Missverständnis aufmerksam zu machen. Sie sehen ihre einzige Überlebenschance darin, den eigenen Jagdflieger abzuschießen. Sie eröffnen das Feuer mit ihren Flugabwehrgeschützen.

E 13:13 Uhr: Fenstermachers P47 wird schwer getroffen. Sie stürzt ab.

E 13:15 Uhr: Zahlreiche Einwohner Roetgens haben den Kampf zwischen den amerikanischen Soldaten beobachtet und sehen, wie Fenstermachers Maschine auf ein Grundstück in Petergensfeld stürzt und explodiert. Das Haus auf dem Grundstück fängt sofort Feuer und brennt total aus. Zum Zeitpunkt des Unglücks befinden sich zwei junge Frauen im Keller des Hauses. Beide überleben.

E 14:00 Uhr: US-Soldat Lieutenant Carroll Ross hat den Absturz beobachtet und erreicht die Absturzstelle, während die Trümmer von Fenstermachers Maschine noch brennen. Die Trümmer sind über ein Fläche von fast einem Hektar verteilt. Carroll ist sich sicher, dass der Pilot den Absturz nicht hat überleben können. Er hat keinen Fallschirm gesehen. In den Trümmern findet er einige Kleidungsstücke von Fenstermacher, wenige Körperteile und die Erkennungsmarke des Piloten. Er nimmt die Erkennungsmarke und einige Fetzen Kleidung Fenstermachers an sich und übergibt sie dem kommandierenden General der 78. Infanterie-Division. In seiner Zeugenaussage vom 30. März 1944 gibt er an, sicher zu sein, dass die sterblichen Überreste des Piloten in den Flammen der Maschine verbrannt sein müssen.

„Rund 78000 US-Soldaten des Zweiten Weltkrieges sind noch als vermisst gemeldet. Wir wollen so viele wie möglich finden und zurückbringen.“

Mark Noah, Begründer der Stiftung History Flight

NRW-Schüler wissen wenig über Geschichte

 

Mi, 8. Aug. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / Euregio / Seite 5

NRW-Schüler wissen wenig über Geschichte

Düsseldorf/Berlin. Das Geschichtswissen der Schüler in NRW weist einer Studie zufolge erhebliche Lücken auf. Sie wissen weniger als Jugendliche in anderen Bundesländern, zudem lernen sie im Vergleich am wenigsten im Unterricht dazu, wie aus einer gestern veröffentlichten Erhebung der Freien Universität Berlin hervorgeht. Als Gründe führten die Forscher neben dem Schulsystem und den Lehrplänen auch die Arbeitsleistung einzelner Lehrer an. Zwar ist die Studie nicht repräsentativ. So wurden 785 Schüler der Klassenstufen neun und zehn in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und NRW befragt, dreimal in eineinhalb Jahren. Dennoch kündigte Schulministerin Sylvia Löhrmann eine Auseinandersetzung mit den Ergebnissen an. Das Ziel der Landesregierung sei klar: Sie wolle, dass sich junge Menschen zu aktiven demokratischen Mitstreitern der Gesells chaft entwickelten. Laut Studie ist der Anteil der NRW-Schüler, die den Nationalsozialismus positiv sehen, höher als in anderen Ländern. Besondere Wissenslücken der NRW-Schüler zeigten sich bei der DDR-Geschichte – testen Sie sich doch einfach mal selbst (siehe Grafik).

Der Mord an Emil und Selma Katzenstein

 

 

Mi, 25. Jul. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokales / Seite 17

Der Mord an Emil und Selma Katzenstein

„Gedenkbuchprojekt für die Opfer der Shoah aus Aachen“. Heute vor 70 Jahren wurden 278 Juden nach Theresienstadt deportiert.

Aachen. Vor genau 70 Jahren wurde von den Nationalsozialisten die größte Deportation jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus Aachen organisiert. Der Zug der Reichsbahn mit der Nummer „Da 71“ brachte am 25. Juli 1942 insgesamt 278 Juden aus Aachen in das Konzentrationslager Theresienstadt. Die Deportation führte über Düren nach Düsseldorf, und schließlich hatte der Zug 20 Waggons mit 980 Insassen in der dritten Klasse, die für den Transport auch noch selbst aufzukommen hatten.

Von den 980 Deportierten aus dem Rheinland überlebten nur 61 Menschen, elf von ihnen lebten vor dem Krieg in Aachen. Die übrigen 267 Aachener starben in Theresienstadt oder wurden nach einer weiteren Deportation in Auschwitz oder Treblinka ermordet.

Nachdem bei der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 Theresienstadt zum Altersghetto bestimmt worden war, wurde die komplette Stadt zum Judenghetto umfunktioniert. Die jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Aachen, die am 25. Juli 1942 deportiert wurden, waren vorher im Israelitischen Altersheim und verschiedenen sogenannten „Judenhäusern“ unter menschenunwürdigen Bedingungen untergebracht worden.

Darunter waren auch Emil Katzenstein und seine Frau Selma, geborene Strauss. Emil Katzenstein, der am 17. Januar 1872 in Warendorf in Westfalen geboren wurde, lebte schon seit mindestens 1910 in Aachen. Selma war am 15. September 1880 in Wuppertal-Elberfeld geboren. Emil und Selma Katzenstein waren die Besitzer des Geschäfts „Hermanns & Froitzheim. Wäsche, Handschuhe und Herrenartikel“ im Kapuzinergraben 5 in Aachen, das 1938 „arisiert“ wurde und zu Ramschpreisen an den Nachbesitzer abgegeben werden musste.

Die Eheleute Katzenstein kümmerten sich fürsorglich um ihre Angestellten, besonders um ein Lehrmädchen, das seit 1919 bei ihnen arbeitete und bald schon seine Eltern und zwei Geschwister verlor. Dieses Lehrmädchen, eine spätere Nachbarin der Katzensteins, gab ihre Erinnerungen später an ihre Töchter Margret Steinbeck und Ursula Manten-Steinbeck weiter, die sich auch selbst noch an das Ehepaar Katzenstein erinnern und ihre Erinnerungen dem „Gedenkbuchprojekt für die Opfer der Shoah aus Aachen“ zur Verfügung gestellt haben:

„Es traf sich gut, dass der Wohnsitz unserer Eltern an Siegel (Horst-Wessel-Straße 98, heute Kalverbenden 98), nur wenig vom Haus der Eheleute Katzenstein, Monschauer Straße 1, unmittelbar an Siegel, entfernt war. Unsere Mutter besuchte regelmäßig die Eheleute, und wir Kinder nannten sie ‚Onkel’ und ‚Tante’.“

Solange Selma und Emil Katzenstein unbehelligt von den Nationalsozialisten an Siegel wohnten, beschäftigten sie eine ständige Haushaltshilfe und einen Gärtner. Gelegentlich halfen die Nachbarn Steinbeck aus, wenn zum Beispiel am Sabbat ein Kohleofen oder der Kamin ausging und die Katzensteins als gläubige Juden das Feuer selbst nicht neu entfachen durften.

Die Eheleute Katzenstein mussten schließlich zwangsweise zusammen mit vielen anderen jüdischen Menschen aus ihrer Wohnung in das nahe gelegene jüdische Altersheim in der Horst-Wessel-Straße unterhalb des Vinzenz-Heimes umziehen.

Die Nachbarn versuchten, Selma und Emil Katzenstein zu unterstützen, die im jüdischen Altersheim sehr beengt wohnten und mit zu wenig Nahrung versorgt wurden. Die Hilfeleistung wurde jedoch strikt unterbunden, so dass Frau Steinbeck einen Treffpunkt am Maschendrahtzaun mit Selma Katzenstein vereinbarte, wo man sich zur Übergabe von kleinen Päckchen traf.

Weil die Nachbarn durch Spitzel aus der Nachbarschaft mit einer Anzeige bedroht wurden, schickten sie ihre beiden Töchter mit dem Roller zur Übergabe an den Zaun. Die Steinbecks blieben jedoch den Eheleuten bis zur Deportation am 25. Juli 1942 tatkräftig verbunden.

Wenige Tage vor der Deportation ließ sich Selma Katzenstein einige wenige Dinge bringen, von denen sie dachte, sie könnten für den bevorstehenden Transport hilfreich sein. Darunter war ein Kindertöpfchen. Auch bei der Verladung zur Deportation war die Nachbarin dabei und berichtete später, dass Emil und Selma Katzenstein fest davon ausgingen, unbehelligt nach Aachen zurückzukehren. Frau Katzenstein habe ihr Mut zugesprochen: „Wir haben niemand Böses getan, so wird auch uns niemand etwas zuleide tun.“

Emil Katzenstein wurde am 1. April 1943, Selma Katzenstein am 6. April 1942 in Theresienstadt ermordet.

Lebensgeschichten der ermoderten Aachener Juden

„Das Gedenkbuchprojekt für die Opfer der Shoah aus Aachen e.V.“ hat sich zum Ziel gesetzt, an die Aachener Bürgerinnen und Bürger zu erinnern, die durch die Nationalsozialisten ermordet wurden.

In bisher drei Biografienbänden werden nach und nach die Lebensgeschichten der ermordeten Aachener Jüdinnen und Juden veröffentlicht. Das Gedenkbuchprojekt freut sich immer über das Interesse von Zeitzeugen, die sich an ihre jüdischen Nachbarn oder Freunde in Aachen erinnern.

Für Rückfragen: info@gedenkbuchprojekt.de oder Gedenkbuchprojekt für die Opfer der Shoah aus Aachen e.V., Tel.: 015229257028; www.gedenkbuchprojekt.de

„Wir haben niemand Böses getan, so wird auch uns niemand etwas zuleide tun.“

Selma Katzenstein kurz vor der Verladung zur Deportation

Aus der Wallfahrt wird eine Demo gegen das NS-Regime

 

Di, 24. Jul. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / Euregio / Seite 5

Aus der Wallfahrt wird eine Demo gegen das NS-Regime

Vor 75 Jahren: Die Aachener Protest-Heiligtumsfahrt im Jahr 1937. Hunderttausende Gläubige kommen, und die Nazis hetzen.

Von Georg Dünnwald

Aachen. Unüberschaubar war die Menschenmenge, die im Juli vor 75 Jahren auf dem Katschhof stand. Die alte Kaiserstadt platzte aus allen Nähten. Die Rede ist von 800 000 bis über einer Million Wallfahrern, die während der Heiligtumsfahrt vom 10. bis 25. Juli 1937 Aachen besuchten. Es waren weitaus mehr Pilger zu der alle sieben Jahre stattfindenden Wallfahrt gekommen als vorher angenommen worden war.

Für die Busse, die die Pilger nach Aachen brachten, war in der Stadt überhaupt kein Platz mehr. „Das war eine beeindruckende Demonstration gegen den Nationalsozialismus, ein stummer Protest gewissermaßen gegen das Nazi-Regime“, ist der Aachener Domkapitular August Peters überzeugt.

Heikle Situation

Die Situation war durchaus heikel. Am Palmsonntag, 21. März 1937, war von den Kanzeln aller katholischer Kirchen die in deutscher Sprache verfasste Enzyklika von Papst Pius XI. „mit brennender Sorge“ verlesen worden, in der er kritisch zur Politik und Ideologie des Nationalsozialismus Stellung nahm. Generalstabmäßig und völlig geheim hatte die katholische Kirche es geschafft, zigtausend Exemplare des Papstwortes drucken und in den Kirchen auslegen zu lassen. Eine Schmach für das NS-Regime.

Die Quittung folgte rasch. Den Kirchenzeitungen wurde verboten, die Enzyklika abzudrucken. Viele Druckereien, die an dem Coup beteiligt waren, wurden geschlossen. Wegen der politischen Lage war den deutschen Bischöfen die Wallfahrt zu heikel, „sie wollten sie eigentlich absagen“, sagt Domkapitular Peters. Jedoch habe der Bischof des erst 1930 gegründeten Bistums Aachen, Joseph Vogt, entschieden, dass die Heiligtumsfahrt stattfindet.

Auch vor diesem Hintergrund war den Nazis die Heiligtumsfahrt nicht geheuer. Ihnen war mulmig bei dem Gedanken an eine öffentliche Machtdemonstration, die nicht von ihnen gesteuert werden konnte. Allerdings wussten sie auch, dass viele Ausländer kommen wollten. Und die brachten dringend benötigte Devisen ins Reich. Also beschränkten sich die Nazis zunächst auf Hetzkampagnen in ihren einschlägigen Presseerzeugnissen wie „Der SA-Mann“.

„Sommerschlussverkauf in Aachen“ war ein Hetzartikel überschrieben, in dem sich der anonyme Verfasser über die Heiligtümer mokiert. Besonders die Windeln Jesu müssten „aus gutem Stoff verfestigt sein, wenn sie nach der Benutzung, der in Ausgiebigkeit die Wunderkraft sicher erhöht, fast 2000 Jahre überstanden haben“, konnten die fanatischen SA-Männer in ihrer Hauspostille lesen.

Obwohl die SA die Heiligtumsfahrt als „Heilige Knochensammlung“ und „der Knochenkult ist Fetischismus“ diffamierte, ließen sich die Hunderttausenden von Katholiken nicht beirren. An vielen Prozessionen nahmen sie teil. Aus den Prozessionen wurden Demonstrationen. „Ausschließlich Männer waren zugelassen“, erzählt Peters. Die Frauen hätten an den Straßenrändern dicht an dicht gestanden, für Nazi-Provokateure sei es unmöglich gewesen, einzugreifen. An der Schlussprozession nahmen mehr als 20 000 Männer teil. Darunter waren gewiss auch Nazi-Mitläufer. Denen hatte die Partei verboten, Uniformen oder Parteiabzeichen zu tragen.

Gestapo schrieb die Predigt mit

Während der Heiligtumsfahrt predigte der Trierer Bischof Bornewasser auch in der Aachener Kirche St. Adalbert, seine Worte wurden fleißig von Gestapo-Schergen notiert. Denn der Geistliche hatte sich den Unmut des Regimes zugezogen. Später äußerte er sich öffentlich wie sein Münsteraner Kollege Graf Galen zu den Morden an körperlich und geistig behinderten Menschen, der sogenannten Euthanasie. „Die Kirche war schon Stunden, bevor das Pontifikalamt begann, bis zum Bersten gefüllt“, sagt Peters. Der gesamte Kaiserplatz sei übervoll mit Menschen gewesen, auch der Steffensplatz, durch die Wilhelmstraße sei kein Durchkommen mehr möglich gewesen.

„Wir wollen Bischof Bornewasser sehen“, skandierten die Menschen, denen wegen Überfüllung der Stiftskirche der Zugang verwehrt war. Der hohe Kleriker tat den Leuten den Gefallen. Vom Adalbertsberg, auf dem die Kirche stand, segnete er sie mit den Worten: „Ich darf zwar nicht mehr außerhalb der Kirchen predigen, Euch segnen darf ich aber.“ Und er forderte die vielen Gläubigen auf: „Behaltet diese Treue.“

Unbenannt

Der älteste US-Abiturient kommt aus Aachen

 

Fr, 13. Jul. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokales / Seite 18

Der älteste US-Abiturient kommt aus Aachen

Fred Voss hat mit 92 Jahren sein Highschool-Diplom erhalten. Als 15-Jähriger wurde er als Jude von der Knaben-Mittelschule in der Sandkaulstraße gejagt.

Von Friedhelm
Ebbecke-Bückendorf

Lansing/Aachen. „Und hier ist es! 77 Jahre habe ich darauf gewartet!“ Fred Voss reckt die Urkunde hoch, zeigt sie allen. Jubelrufe auf dem Sportplatz der Lansing Highschool im Staat New York. Die Schüler, Lehrer und Eltern springen auf und klatschen Beifall. Fred Voss hat gerade sein Highschool-Diplom bekommen. Er ist 92 Jahre alt – der älteste Bürger der USA, der je dieses Diplom erhalten hat. Fernsehen und Zeitungen berichten. „Jetzt könnte ich auch studieren“, sagt er. „Aber dafür bin ich wohl doch zu alt.“

77 Jahre vor dieser Feier am 22. Juni war Fred (damals Alfred) Voss als 15-Jähriger in seiner Heimatstadt Aachen von der Schule gejagt worden, wie alle jüdischen Kinder. Kein Schulabschluss, weder Mittlere Reife noch Abitur. Schon vor dem Rauswurf im März 1935 war die Zeit an der Knaben-Mittelschule in der Sandkaulstraße eine Tortur. In seinen 2004 erschienenen Memoiren berichtet Fred Voss von Erlebnissen, die er nie vergessen kann: „Unser Musiklehrer, ein hoch gebildeter Mann, trug auch im Unterricht die Uniform der Nazis. Er fand ein krankhaftes Vergnügen daran, uns jüdische Schüler strammstehen zu lassen, während alle anderen Kinder singen mussten: Wenn das Judenblut vom Messer spritzt, dann geht‘s noch mal so gut.“

1945, nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs, kam Voss – er hatte sich nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbour als Kriegsfreiwilliger gemeldet – als Soldat der US-Army zurück nach Aachen. Er lief durch seine zerbombte Heimatstadt, stand vor den Ruinen seines Elternhauses. Und er suchte diesen Musiklehrer, „der mein Leben zu einem Alptraum gemacht hatte“. Aber er hat ihn nicht gefunden. Stattdessen fand er eine alte Frau, eine Nachbarin, die seinen Eltern während der Nazizeit unter Lebensgefahr heimlich Lebensmittel zugesteckt hatte. Jetzt konnte er ihr Lebensmittel-Pakete von Verwandten in den USA bringen.

Nationalbewusstes Elternhaus

„Zuallererst waren wir Deutsche. Und zweitens und drittens: Wir waren Deutsche. In unserem Wohnzimmer hingen die Porträts der Preußenkönige, im Esszimmer die Bilder von Bismarck und Hindenburg“. So beginnt das Erinnerungsbuch „Miracles, Milestones & Memories“ von Fred Voss. Der Vater Julius Voss war im 1. Weltkrieg Soldat, ebenso dessen Brüder. Dass „ein Ausländer wie der Herr Hitler“ erklären konnte, die deutschen Juden seien keine Deutschen, darüber habe man gelacht, erinnerte sich Fred Voss‘ Bruder Ed (Emil Voss), dessen Erinnerungen in das Buch eingeflossen sind, an seine Kindheit in Aachen.

Vater Julius Voss stammte aus Würselen. Er heiratete 1912 die im Haus Markt 4 in Aachen geborene Else Kaufmann. Gemeinsam führte das Ehepaar in der Burtscheider Straße 32, wo Alfred Voss 1920 als zweites Kind geboren wurde, einen Textilhandel. Im Nachbarhaus war eine Bäckerei. „Ich rieche heute noch den Kuchenduft“, schreibt der 92-Jährige. Sein Vater Julius Voss war ein erfolgreicher Geschäftsmann. Aus dem Textilladen wurde ein Großhandel, Personal wurde eingestellt, sogar ein Chauffeur.

Mit Stockschlägen ins KZ

All das endete, nach Jahren der immer größeren Drangsal, in der sogenannten Kristallnacht im November 1938, als die Aachener Synagoge in Flammen aufging und die Läden jüdischer Geschäftsleute zertrümmert und geplündert wurden. Auch im Haus der Familie Voss wurde jedes Stück Porzellan zerschlagen, jedes Möbelstück zertrümmert, jedes Kissen aufgeschlitzt, mit Bajonetten ein wertvolles Gemälde zerfetzt. Julius Voss wurde verhaftet. Ob er sich noch einen Mantel holen dürfte? „Wo du hinkommst, wirst du nie mehr einen Mantel brauchen!“ Er und weitere rund 70 jüdische Bürger aus Aachen wurden in einer Turnhalle an der Oligsbendengasse interniert, nach zwei Tagen ohne Essen und Trinken dann mit Stockschlägen durch Aachen getrieben und in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Nach zehn Wochen wurde er entlassen. Die Familie ließ alle Habe zurück und emigrierte.

Über Verwandte in Brüssel floh die Familie Voss zunächst nach London. Dort lernte Fred Voss seine künftige Frau Ilse Machauf kennen. Sie stammte aus Wien und hatte es geschafft, als Au-pair-Mädchen nach England zu gelangen. Ihr Vater, ihr Bruder und viele weitere Verwandte beider Familien wurden später Opfer der Judenvernichtung. Erst nach dem Krieg, 1946, konnten Fred Voss und Ilse Machauf heiraten. Die Ehe hält noch heute, und „es vergeht kein Tag, an dem wir uns nicht sagen: I love you“.

Manager in der Textilindustrie

In der Nachkriegszeit machte Fred Voss in den USA Karriere als Direktor in einem Unternehmen der Textilindustrie. Die Basis dazu hatte er als Jugendlicher in Aachen gelegt. Nachdem er die Schule hatte verlassen müssen, war er als Lehrling in der jüdischen Tuchfabrik Meyerfeld & Herz untergekommen. Er blieb dort, bis die Fabrik „arisiert“, also zu einem niedrigen Preis an neue, „arisch reinrassige“ Eigentümer überschrieben wurde.

1986 ging Voss nach 30 Jahren in der selben Firma in den Ruhestand. Und begann gleich zwei neue Karrieren. Eine als Reiseleiter – es waren glückliche Jahre, sie endeten 2001 mit dem Anschlag auf das World Trade Center in New York. Und eine ganz private, ehrenamtliche Karriere als Vortragsredner. Er erzählte vom Holocaust und setzte sich gegen Hass und gegen Vorurteile überall in der Welt ein. „Ich habe es zu meiner Mission gemacht, laut und klar gegen allen Hass zu sprechen, so lange ich die Kraft dazu habe.“ Ehefrau Ilse war dabei immer an seiner Seite. „Sie hat mich ermutigt, niemals aufzuhören und immer die Wahrheit zu sagen.“

Schon Jahre vorher hatte Fred Voss sich immer wieder für Werte wie Gleichberechtigung, Toleranz und Menschenrechte eingesetzt, auch gegen Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung argumentiert. Er und seine Frau Ilse gehören zu den Gründungsmitgliedern und Förderern des Holocaust Memorials in Washington. Mit einem Besuch dieses Museums begann auch sein Wirken als Vortragsredner. „Vorher“, sagt er, „habe ich nie öffentlich über den Holocaust gesprochen“. Nun hatte ihn ein Mitglied seiner Synagogengemeinde gebeten, bei einer Busfahrt zu dem Museum über sein Leben zu erzählen. Dass ein Reporter mit an Bord war, wusste er nicht. Dessen Bericht kam auf die Titelseite einer Tageszeitung, und das Leben von Fred Voss erhielt eine neue Wendung.

Vorträge über den Holocaust

In den folgenden Jahren sprach Voss in Universitäten und Schulen, in Kirchen, Tempeln und Wohltätigkeitsclubs. Er beantwortete Hunderte Briefe von Kindern und Jugendlichen und erreichte viele tausend meist junge Menschen. Als er 2002 aus Altersgründen nach Ithaka NY zog, wo auch seine Kinder und Enkel leben, begann seine Zusammenarbeit mit der Lansing Highschool.

Lehrerin June Martin würdigte bei der Schulfeier vor wenigen Tagen sein Wirken: Fred Voss habe in den vergangenen zehn Jahren mit seinem Wissen um die Geschichte und mit seinem Einsatz gegen Hass, gegen Vorurteile und für mehr Toleranz und Gerechtigkeit das Leben von Tausenden Schülern bereichert. Er könne Menschen bewegen, sich einzusetzen für eine bessere Zukunft für alle Menschen.

In seiner Dankesrede widmete Fred Voss sein Diplom den anderthalb Millionen Kindern und Jugendlichen, die dem Terror der Nazis zum Opfer gefallen sind, und allen Menschen, denen wie ihm das Recht auf Ausbildung verweigert worden ist: „Die Welt wird niemals wissen, wie viele hervorragende zukünftige Gelehrte dadurch verloren wurden, und wie vielen Kindern es unmöglich gemacht wurde, zum Glück aller Menschen beizutragen und eine bessere Welt für uns und unsere Kindern und Enkel möglich zu machen.“

Ein Buch mit vielen Details über das Leben in Aachen

Die Lebenserinnerungen von Fred Voss sind in englischer Sprache unter dem Titel „Miracles, Milestones & Memories“ im Verlag Seavoss Associates Inc. (Ithaka, NY, USA) erschienen. Das Buch, das auch viele Details über das Leben in Aachen und Würselen enthält, ist über Internet-Versender wie Amazon auch in Deutschland erhältlich.

Gemeinsam mit Freunden in Deutschland recherchiert Fred Voss die Geschichte seiner Vorfahren. Sollten sich ältere Leser unserer Zeitung an die Familie Voss erinnern oder gar Bilder haben, zum Beispiel Klassenfotos, ist Stefan Kahlen aus Würselen (E-Mail-Adresse: ccalen@web.de) für jeden Hinweis sehr dankbar.

„Jetzt könnte ich auch studieren. Aber dafür bin ich wohl doch zu alt“.

Fred Voss (92),

ältester US-Abiturient

„Mein Musiklehrer hat mein Leben zu einem Alptraum gemacht.“

Fred Voss,

als Soldat der US-Army

1000 Jahre Mittelalter in zwei Doppelstunden

 

Mo, 9. Jul. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / Leserbriefe / Seite 5

1000 Jahre Mittelalter in zwei Doppelstunden

Stefan Flosbach aus Aachen beschäftigt sich mit der Studie Zeitgeschichtswissen, die herausfand, dass 40 Prozent der Schüler nicht zwischen Demokratie und Diktatur unterscheiden können:

Die Ergebnisse der Untersuchung überraschen mich als Geschichtslehrer nicht. Man muss hier erklärend erläutern, wie der Geschichtsunterricht in NRW aufgebaut ist. Geschichte wird in der Sekundarstufe I nur als mündliches Fach unterrichtet, wodurch die Schüler dem Fach wenig Wert beimessen, obwohl ihm im Rahmen der Entwicklung von Urteilsvermögen und eigenständiger Meinung offiziell eine große Bedeutung zugewiesen wird. Es ist einfach so, ein Fach, das keine schriftlichen Leistungsüberprüfungen vorsieht, wird von Schülerseite weniger ernst genommen.

Hinzu kommt, dass das Fach trotz Protesten der Geschichtslehrer weiterhin nur zerstückelt unterrichtet wird.

Geschichte soll ein Jahr lang in den Klassen fünf oder sechs und muss in der Klasse neun unterrichtet werden. Das verbleibende dritte Jahr findet in der sieben oder acht statt. Hier gibt es verschiedene Modelle, die alle fehlerhaft sind. Geschichte setzt ein gewisses Verständnis voraus, woraufhin es an vielen Schulen ab der sechsten Klasse unterrichtet wird. Immer gibt es ein Jahr Unterbrechung, wobei Schüler schon Probleme haben, den Stoff von vor vier Wochen wieder abzurufen. Gerade in der sechsten sind Schüler von Geschichte begeistert, dürsten danach, etwas über zum Beispiel NS-Geschichte zu erfahren, wobei man den Schülern dann mitteilen muss, dass das erst Stoff der neun ist.

Neben der kontraproduktiven Pause von zwölf Monaten macht uns Geschichtslehrern die Stofffülle zu schaffen, die in diesen drei Jahren durchgehechelt werden muss. Im ersten der drei Jahre Geschichte sehen Buch und Lehrplan folgende Themen vor: Was ist Geschichte? – Steinzeit – Ägypten – Griechen – Römer – das komplette, weichgespülte Mittelalter ohne jegliche Konflikte.

Wer die Grundbegriffe weglässt und gleich mit den Ägyptern einsetzt, hat eine Chance, mit dem Stoff durchzukommen. Bei vielen Klassen reduzieren sich 1000 Jahre Mittelalter auf zwei Doppelstunden, da im Sommer durch die Maifeiertage, Brückentage, hitzefrei, Sonderveranstaltungen (Wandertag, Bundesjugendspiele etc.) regelmäßig Stunden ausfallen.

Ein anderes Problem ist die geringe Verbreitung von Tageszeitungen unter jungen Leuten. In meinen Oberstufenkursen räume ich jede Woche 20 bis 30 Minuten für eine aktuelle Presseschau ein, da die Aachener Zeitung/Nachrichten in der Regel jede Woche fünf bis sechs brauchbare Artikel zu geschichtlichen Themen bieten, von archäologischen Funden in Aachen über Berichte über NS-Verbrechen bis hin zu Kunstausstellungen, die sich mit historischen Themen befassen.

Obwohl ich hier die Beteiligung positiv in die sonstige Mitarbeit einfließen lasse, bringen in der Regel lediglich drei von 22 Schülern die Zeitung mit, der Rest liest keine Zeitung oder interessiert sich nicht.

Wer bessere Kenntnisse in Sachen Zeitgeschichte haben will, muss Lehrern und Schülern dafür mehr kontinuierliche Zeit einräumen und das Interesse der Schüler an Zeitungen und Zeitgeschichte wecken. Medien und Internet bieten genug Informationen zum Herausbilden eines Geschichtsbewusstseins, die Angebote werden leider oftmals nicht (richtig) genutzt.

„Es ist einfach so, ein Fach, das keine schriftlichen Leistungsüberprüfungen vorsieht, wird von Schülerseite weniger ernst genommen.“

Stefan Flosbach, Geschichtslehrer aus Aachen

„Immer gibt es im Fach Geschichte ein Jahr Unterbrechung, wobei Schüler schon Probleme haben, den Stoff von vor vier Wochen wieder abzurufen.“

Stefan Flosbach

Demokratie oder Diktatur?

 

Do, 28. Jun. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / AN Politik / Seite 4

Demokratie oder Diktatur?

40 Prozent der Jugendlichen können nicht dazwischen unterscheiden. Das sagt eine neue Studie zum Zeitgeschichtswissen. Verantwortlich seien vor allem die Schulen. NRW schneidet am schlechtesten ab.

Von Andrea Barthélémy

Berlin. 17. Juni 1953? Da gibt es doch in Berlin diese große Straße. Und wer baute eigentlich die Mauer? Na ja, vielleicht die Amerikaner. NS-Deutschland, eine Diktatur? Wieso, da gab es doch Wahlen. So ähnlich dürfte es in den Köpfen vieler Jugendlicher in Deutschland aussehen – zumindest legt dies eine neue Studie der Freien Universität (FU) Berlin nahe. Zeitgeschichtswissen: fünf, bescheinigt sie. Rund 7500 Neunt- und Zehntklässler aus fünf Bundesländern kreuzten dazu in den vergangenen drei Jahren Fragebögen an. Etwa 40 Prozent können demnach nicht zwischen Demokratie und Diktatur unterscheiden. „Das ist erschreckend“, sagte Prof. Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat am Mittwoch.

Schon die Vorgängeruntersuchung aus dem Jahr 2007 zum DDR-Wissen der Schüler in Ost und West hatte für einigen Wirbel gesorgt: Im Westen interessierte man sich kaum für die DDR, im Osten war das Bild bei vielen beschönigend verklärt, kam dabei heraus. Dieses Mal ging das Forscherteam noch weiter und befragte die Jugendlichen auch zu ihrem Wissen über NS-Zeit, alte Bundesrepublik und wiedervereinigtes Deutschland. Das Ergebnis: wenig besser. Quer durch alle Bundesländer und Schulformen zeigte sich, dass die Schüler über die NS-Zeit noch am meisten wissen, deutlich weniger über die alte Bundesrepublik, die DDR und schließlich das wiedervereinigte Deutschland.

Es gipfelt in der Gesamteinschätzung, dass nur rund die Hälfte der Schüler den NS-Staat und nur gut ein Drittel die DDR als Diktatur einordnet. Umgekehrt bezeichnet nur etwa die Hälfte der Schüler die alte Bundesrepublik und nur etwa 60 Prozent das wiedervereinigte Deutschland als Demokratie. „Die Geringschätzung historischen Wissens schlägt hier voll durch. Aber ohne Kenntnisse keine Kompetenzen“, resümierte Schroeder.

Viel stärker als Schulform, Herkunft der Eltern oder Parteipräferenz sei der Einfluss von Kenntnissen bei der Beurteilung der Systeme zu Buche geschlagen: „Und an dieser Stelle sind vor allem die Schulen gefragt“, sagte Schroeder. In der Tat gaben vier von fünf Schülern an, ihr Geschichtswissen vor allem aus dem Unterricht zu beziehen. „Und generelles Interesse an Geschichte haben alle geäußert“, sagte Schroeder.

Aber die Schulen griffen es nicht auf, die Schulzeitverkürzung verstärke das Problem. In Nordrhein-Westfalen etwa, dem Schlusslicht der fünf Bundesländer, habe man bis zum vergangenen Jahr noch nach einem Uralt-Lehrplan unterrichtet, der eine „Diskussion über die Möglichkeit einer Wiedervereinigung“ vorschlug.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann sagte am Mittwoch zu dem Studienergebnis: „Es muss alle Verantwortlichen in Deutschland wachrütteln.“ Er forderte die Länder auf, ihren Beitrag in den Schulen deutlich zu verstärken. Der Bund habe in den vergangenen Jahren die Unterstützung für historische Gedenkstätten bereits aufgestockt.

Ein Besuch am Holocaust-Mahnmal oder in der Gedenkstätte Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen allein bringe aber wenig, betonte Schroeder. Eine Langzeituntersuchung an einem Teil der Schüler habe gezeigt, dass Vor- und vor allem Nachbereitung eines solchen Besuchs ausschlaggebend für den Erkenntnisgewinn seien, erklärte der Professor.

Bei der Studie schnitten die Schüler aus Thüringen und Sachsen-Anhalt am besten ab, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg, am wenigsten wussten die Schüler aus Nordrhein-Westfalen. Berlin und Brandenburg, die bei der Vorgängeruntersuchung zum DDR-Wissen sehr schlecht abgeschnitten hatten, hatten nicht erneut mitgemacht.(dpa)

Die Studie im Internet:

http://dpaq.de/wnZOF

„Die Geringschätzung historischen Wissens schlägt hier voll durch.“

Klaus Schroeder, Forschungsverbund SED-Staat

 

Es ist schon bemerkenswert, dass in rot regierten Bundesländern das Wissen über Diktaturen sehr gering ist. Soll das Einen Wunderns, das den von der Stasi ausgezeichneten Ministerpräsidenten in Ihren Reihen hat? Die SPD, allen voran Eppler,  hielt an ihren freundschaftlichen Kontakten zur SED Diktatur noch fest, als diese bereits im Untergang war. 

„Unser schönes altes liebes Köln“ in Schutt und Asche

 

Do, 31. Mai. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / Euregio / Seite 5

„Unser schönes altes liebes Köln“ in Schutt und Asche

Alliierte starten vor 70 Jahren den „1000-Bomber-Angriff“. Flächenbombardements schaffen eine neue Dimension des Luftkrieges.

Köln. Die Nacht zum 31. Mai 1942 übertraf alles bisher Dagewesene: Mehr als 1000 Flugzeuge waren am Vorabend in England gestartet, um kurz nach Mitternacht 549 Tonnen Sprengbomben und 929 Tonnen Brandbomben über dem alten Köln abzuwerfen. Es war der bisher größte Luftangriff des Zweiten Weltkrieges. In dieser Nacht zerstörten die alliierten Flieger eine Fläche von 250 Hektar, die Hälfte davon im Stadtzentrum und in der historischen Altstadt.

„Ein großer Sieg über eine große Stadt“, heißt es im Bericht des britischen Bomber-Kommandos. Die Erinnerung des damals 14-jährigen Kölners Toni Maschner, der zur Widerstandsgruppe der „Edelweißpiraten“ gehörte, ist eine andere: „Die ganze Stadt roch süß, richtig nach Menschenfleisch.“ 486 Tote und rund 5000 Verletzte forderte der erste Angriff dieser Dimension auf eine deutsche Stadt. 59 100 Menschen waren obdachlos.

Der Bombenkrieg hatte in Köln bereits im Mai 1940 begonnen. Die ersten sporadischen Treffer zogen noch Schaulustige an. Ziele waren in dieser Zeit Industrie- und Militäranlagen. 1941 wurden die Angriffe heftiger. Und am 13. März 1942 warfen 175 Bomber ihre tödliche Fracht auf die Stadt ab und zerstörten Teile der Innenstadt.

Dann kam der 31. Mai 1942. Mit ihm „brach eine neue Dimension des Luftkrieges über Köln herein“, schreibt der Historiker Gerhard Aders. Durch Flächenbombardements sollte die Moral der Bevölkerung entscheidend geschwächt werden. Der legendäre Luftwaffengeneral Arthur T. Harris, genannt „Bomber-Harris“, bekam mit Anweisung zum Flächenbombardement freie Hand zum Angriff auch auf Wohngebiete.

Es dauerte lange, bis der deutschen Führung die Strategie klar war. In ersten Schätzungen ging man von 80 feindlichen Fliegern aus, weil die Radarstellungen zu wenig Flugzeuge erfassen konnten. Erst aus dem Ausmaß der Schäden erkannte man, was wirklich passiert war.

„Unser schönes altes liebes Köln. Die Tränen kamen mir, als ich es sah“, berichtet Zeitzeugin Anna Schmitz. Zahlreiche historische Bauten und die romanischen Kirchen lagen in Schutt und Asche. An diesem Dreifaltigkeitssonntag, eine Woche nach Pfingsten, brannte auch Sankt Aposteln am Neumarkt bis auf die Grundmauern nieder. Küster und katholische Jugend versuchten, Paramente und andere sakrale Wertgegenständen zu retten. Auch andere Kirchen wie Groß Sankt Martin, Sankt Maria im Capitol und Sankt Ursula fielen den Flammen zum Opfer. „Lassen Sie sich vom Erzbischof von Canterbury helfen!“, musste sich ein Pfarrer von Parteifunktionären anhören, als er um Löschhilfe bat.

Nur „der Dom stand majestätisch, vollständig unversehrt, vom brennenden Domhotel und verschiedenen anderen Brandherden umgeben, inmitten einem Feuerring“, berichtete der Schweizer Konsul Franz Rudolph von Weiss an seine Regierung.

Insgesamt bekam die Kathe­drale während des gesamten Kriegsverlaufes 70 Bombentreffer ab, den schwersten am Nordturm am 3. November 1943. Erst 2005 zum Weltjugendtag wurde die nach dem Angriff gesetzte „Domplombe“ aus Ziegelsteinen verblendet und damit die letzten Kriegsspuren an dem Bauwerk unsichtbar gemacht.

Die Reaktionen auf die Bombenabwürfe waren unterschiedlich. Bei den meisten dominierte die Wut auf „den Engländer“, der unschuldige Zivilisten statt Rüstungsindustrie bombardierte. „Der sicherste Ort in Köln sind die Ford-Motorwerke“, hieß es nach Darstellung des in Köln geborenen und in Kanada lebenden Schriftstellers Henry Beissel verbittert im Volk.

Der kürzlich verstorbene Kölner Widerstandskämpfer Fritz Theilen berichtete von anderen Erfahrungen. Mit den Worten „Vorsicht, der Führer kommt!“ hätten die Menschen Hitlerbilder aus zertrümmerten Häusern gepfeffert und anschließend zertrampelt. Theilen: „Die Stimmung hat durch den Angriff einen Knacks bekommen.“ (kna)

Kommentar:  Wer bewusst und mit Absicht zivile Ziele bombardiert, ist ein Kriegsverbrecher, egal welcher Nationalität er ist. Dem Kriegsverbrecher  “Bomber” Arthur T. Harris haben die Briten ein Denkmal gesetzt!

Auch von Aachen rollten die Züge in die KZ

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Di, 27. Mär. 2012
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokales / Seite 17

Auch von Aachen rollten die Züge in die KZ

Vor 70 Jahren begannen die Deportationen der jüdischen Bevölkerung. Eine Gedenktafel an unauffälliger Stelle erinnert daran.

Aachen. Vor 70 Jahren begannen in Aachen die Deportationen der jüdischen Bevölkerung in das Ghetto von Theresienstadt und in die Vernichtungslager in Ostmitteleuropa. Am Aachener Hauptbahnhof erinnert eine Tafel der „Wege gegen das Vergessen“ an die Opfer der Nazizeit und an die insgesamt sechs Transporte zwischen dem 25. März 1942 und September 1944, bei denen fast alle jüdischen Aachener deportiert wurden. Heinz Gödde, Lehrer am Geschwister-Scholl-Gymnasium, hat sich mit den Ereignissen vor 70 Jahren befasst und die Namen einiger Opfer zusammengetragen. Wir bringen Auszüge aus seinem Bericht:

„Nach dem Novemberpogrom 1938 wurden endgültig die Grundlagen der Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung gelegt. Im Frühjahr 1941 wurde das Barackenlager am Grünen Weg zu einem Lager für einen Großteil der noch in Aachen lebenden jüdischen Bevölkerung, ein weiteres Lager entstand in Haaren an der Hergelsmühle als Lager des damaligen Kreises Aachen.

Sogenannte Judenhäuser wurden in der Stadt errichtet, zum Beispiel an der Eupener Straße, der Trierer Straße, der Königstraße und an weiteren Stellen. Die jüdischen Aachener mussten ihre Wohnung verlassen und wurden an diesen wenigen Stellen zusammengepfercht. Nachdem im Herbst 1941 die Entscheidung für die Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und in den besetzten westeuropäischen Staaten getroffen war, wurden schließlich auf der Wannseekonferenz im Januar 1942 die konkreten organisatorischen Vorbereitungen für die Massendeportationen getroffen. Im Frühjahr 1942 begannen die Transporte ,in den Osten‘. Bei insgesamt sechs verschiedenen Transporten wurden fast alle jüdischen Aachener deportiert.

Die erste Deportation, von der auch Aachener betroffen waren, wurde von der Gestapo Düsseldorf organisiert. Dieser Transport aus den Rheinlanden verlief am 25. März 1942 bis in das Durchgangsghetto Izbica. Die genaue Zahl der aus Aachen Deportierten lässt sich nicht mehr ganz genau ermitteln, aber mindestens 16 Personen aus dem Lager Grüner Weg und dem Altersheim Kalverbenden wurden mit diesem Transport ins Durchgangslager Izbica gebracht.

Zu ihnen gehörte auch das Ehepaar Regina und Wilhelm Friesem. Betroffene der ersten Deportationsphase konnten noch Post an ihre in Deutschland oder im Ausland lebenden Verwandten und Freunde senden, allerdings nur, um die Verbleibenden zu beruhigen. Sehr früh nach der Ankunft muss das Ehepaar getrennt worden sein, in ihren Briefen schreibt sie von einem fehlenden Kontakt zu ihrem Mann, Ob er erschossen oder schon deportiert wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Wilhelm Friesem gilt als verschollen, als Todesdatum für Regina Friesem wird der 1. September 1942 genannt.

Ein weiterer Transport aus dem Rheinland nach Izbica, erfolgte kurze Zeit später. Das Gedenkbuchprojekt kennt die Namen von 111 aus Aachen Deportierten. Der dritte Transport aus dem Rheinland, am 15. Juni 1942, wieder mit Aachener Deportierten, ist vielleicht gar nicht in Izbica angekommen: Er scheint ab Lublin direkt zum Vernichtungslager Sobibor umgeleitet worden zu sein.

Weitere Transporte 1942 gehen zum Ghetto Theresienstadt. Bis heute sind die Namen von 234 aus Aachen nach Theresienstadt Deportierten bekannt. Im Juli 1942 wurden unter anderem die Bewohner des Lagers Hergelsmühle nach Theresienstadt verschleppt. Sie wurden unter Bewachung zuerst in Haaren zur Straßenbahnhaltestelle, dann zum Bahnhof gebracht. Auch aus dem Altersheim, dem Lager Grüner Weg und aus den ,Judenhäusern‘ wurden Menschen in das Altersghetto Theresienstadt deportiert.

Nach dem Novemberpogrom flohen viele jüdische Aachener in die benachbarten Niederlande, nach Belgien und nach Frankreich. Aus Haaren floh Familie Hartog in die Niederlande, zunächst bis nach Rotterdam. Am Tag ihrer Flucht soll ihre Wohnung in Aachen nach kurzer Zeit leergeräumt gewesen sein.

Zunächst wurde Hugo Hartog interniert. Er kam später bei einem Bombenangriff 1940 ums Leben, Emma Hartog zog dann nach Maastricht. Nach der Besetzung der Niederlande wurden Mutter und Tochter später in Westerbork interniert, dann nach Theresienstadt deportiert. Edith Mayer, geb. Hartog, berichtete 1992 als Zeitzeugin Schülern des Geschwister-Scholl-Gymnasiums über das weitere Schicksal ihrer Mutter. Sie wurde 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die junge Edith Hartog konnte Theresienstadt überleben und emigrierte nach der Befreiung in die USA. Auch ihre Brüder überlebten die Nazizeit.

Schon 1934 emigrierte das Ehepaar Karl und Trude Lenneberg nach Brüssel. Sie wurden im Verlaufe des Krieges verhaftet und kurze Zeit später, im Mai 1944, beide von Mechelen nach Auschwitz deportiert. Karl Lenneberg kam im Januar 1945 ins KZ Buchenwald, kurze Zeit später nach Bergen-Belsen, wo er umkam. Ein genaues Todesdatum ist unbekannt. Seit der Ankunft in Auschwitz am 19. Mai 1944 ist über das weitere Schicksal von Trude Lenneberg nichts bekannt. Von Mechelen aus sind mindestens 43 Aachener deportiert worden.

Auch Familie Burghardt floh nach der Synagogenbrandstiftung aus Aachen. Zunächst nach Belgien, dann 1940 weiter nach Frankreich. Hier wurde Hans Burghardt am 12. Mai 1940 interniert, am 7. September 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Eltern folgten kurze Zeit später in einem weiteren Transport.

Elke Elkan, geb. Mathes, floh im Frühjahr 1939 nach Belgien. Von Mechelen aus wurde sie mit einem Transport von 997 Menschen nach Auschwitz deportiert, nur wenige überlebten. Elke Elkan wird unmittelbar nach der Ankunft ermordet, genau wie ihr Mann Ernst Elkan, der im Herbst nach Auschwitz deportiert wird. Diesen Transport von 875 Menschen überleben 37.

Die Eltern Josef und Tina Mathes werden 1941 in das Lager Hergelsmühle vertrieben und im Sommer 1942 nach Sobibor deportiert. Von der gesamten Familie Mathes überlebt nur Alex Mathes, dem über Belgien, Frankreich und Nordafrika die Flucht nach Amerika gelingt, zuerst in die Dominikanische Republik und dann in die USA nach Philadelphia.

Nach dem deutschen Überfall auf die Beneluxstaaten zieht Else Salomon mit ihrem Mann von Vaals nach Brüssel. Hier gelingt es dem Ehepaar, unentdeckt zu bleiben, bis Else Salomon 1942 verhaftet wird. Sie wird von Mechelen aus nach Auschwitz deportiert. 1944 kommt sie in das Arbeitslager Liebau, bis sie schließlich im April 1944 von der Roten Armee befreit wird. Sie zieht zurück nach Brüssel, später nach Kanada. Sprechen, so Else Salomon, könne sie über diese Zeit immer noch nicht gut. Die körperlichen und seelischen Strapazen kennzeichneten ihr Leben.

Aus Haaren waren 1938 Hermann Levy und seine Familie ebenfalls nach Belgien und dann nach Frankreich geflohen. Hermann Levy wurde als Deutscher in verschiedenen Lagern interniert. 1943 wird er von Drancy mit einem Transport ,in den Osten‘ deportiert. Wie alle Deportierten dieses Transportes wurde er im Juni 1943 nach Ankunft des Transportes ermordet. Seine Frau und Kinder überleben den Krieg.

Auch die Flucht ins benachbarte Ausland bot fast allen Flüchtlingen nur einen Aufschub vor Verfolgung und Ermordung durch den Nationalsozialismus. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs kamen immer mehr Länder unter deutsche Kontrolle, und die geflohenen jüdischen Deutschen gerieten wieder in die Fänge der SS. Die meisten von ihnen wurden über Sammellager wie Drancy, Mechelen und Westerbork in den 0sten deportiert und in den Vernichtungslagern von Auschwitz, Sobibor oder Treblinka ermordet.

Vom Aachener Hauptbahnhof wurde auch Jona Leven mit seiner Familie am 15. Juni 1942 nach Sobibor deportiert. Seine Eltern, Karl und Else Leven, stammten aus Düren, dort war Karl Leven ein angesehener Kinderarzt. Die Eltern waren von Düren aus zunächst im Lager Grüner Weg ghettoisiert worden, dann für kurze Zeit im ,Judenhaus‘ an der Eupener Straße untergebracht. Jona Leven wurde am 22. März 1942 geboren.“

Er wäre vor wenigen Tagen 70 Jahre alt geworden.

„Auch die Flucht ins benachbarte Ausland bot fast allen Flüchtlingen nur einen Aufschub vor Verfolgung und Ermordung.“

Heinz Gödde

„Bei insgesamt sechs verschiedenen Transporten wurden fast alle jüdischen Aachener deportiert.“

Heinz Gödde