Ein beunruhigendes Geheimtreffen

Di, 24. Nov. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Region und NRW / Seite 10

Ein beunruhigendes Geheimtreffen

„No-go-Areas“, Drohungen, Krieg: Die Polizei muss zeigen, dass sie den Kampf gegen aggressive Familienclans gewinnen kann

Von Johannes Nitschmann

Gelsenkirchen/Duisburg. Nach etlichen Gewaltexzessen bei Zusammenrottungen libanesischer Clans trifft der Leiter der Gelsenkirchener Polizeiwache Süd, Ralf Feldmann, am 28. Juli dieses Jahres mit drei führenden Funktionären der „Familien-Union“ zusammen. Der dubiose Verein hat sich angeblich das Ziel gesetzt, „den sozialen Frieden zwischen Deutschen und Libanesen zu pflegen“. Doch bei dem anderthalbstündigen Geheimtreffen in der Gelsenkirchener Polizeiwache Süd ist vor allem von Krieg die Rede. Die Polizei werde „einen Krieg mit den Libanesen nicht gewinnen, weil wir zu viele sind“, eröffnen die beiden Libanesen S. und F. dem verdutzten Gelsenkirchener Polizeichef. „Das würde auch für Gelsenkirchen gelten, wenn wir wollen.“

Der Fußballfunktionär

Dies sei „nicht einfach lapidar daher gesagt worden“, heißt es in einem unserer Zeitung vorliegenden vertraulichen polizeilichen Lagebericht, „sondern war aufgrund von Körpersprache, Gestik und Mimik augenscheinlich als Drohung gemeint“. Als Wachleiter Feldmann auf den in seinen Augen „ernst gemeinten Warnhinweis“ entgegnet, dann werde die Polizei künftig in Gelsenkirchen mit mehr Kräften aufwarten, um die wie auch immer gearteten Geschäfte der Libanesen zu stören, erklärt F., der dritte Vorsitzende und Pressesprecher der „Familien-Union“, ungerührt, das Land habe „eh kein Geld“, so viele Polizisten einzusetzen, um die Konfrontation mit den Libanesen zu suchen. Über die Kräfteverhältnisse sollten sich die Ordnungshüter keine Illusionen machen. „Die Polizei würde unterliegen.“

Polizei-Alltag im Ruhrgebiet. Seit Monaten ist in Nordrhein-Westfalen von „No-go-Areas“ die Rede, also von kriminellen Brennpunkten und Straßenzügen, in die sich die Polizei angeblich gar nicht mehr hineintraut. Die „Familien-Union“ steht bei der Polizei in Verdacht, „das Exekutivorgan einer bestehenden Parallel- und Selbstjustiz“ kurdisch-libanesischer Großfamilien im westlichen Ruhrgebiet zu sein. Polizei und Gerichte würden verachtet. Diese Clans regelten „ihre Angelegenheit selbst“, heißt es in dem Lagebericht der Gelsenkirchener Polizei.

Ein prominenter Sportfunktionär aus dem Revier vertraute Journalisten kürzlich an, dass in der Dortmunder Nordstadt einzelne Straßen längst fest in der Hand rumänischer und bulgarischer Clans seien, von denen konsequent die Zu- und Abfahrten kontrolliert würden. „Da traut sich schon kein normaler Mensch mehr rein.“

Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen, Arnold Plickert, hatte bereits im Sommer dieses Jahres vor zunehmenden „No-go-Areas“ im Ruhrgebiet gewarnt. Ganze Viertel im Revier drohten abzurutschen. Die Politik dürfe diese Probleme nicht weiter verdrängen.

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte Plickert daraufhin energisch widersprochen. Sobald sich ein krimineller Brennpunkt abzeichne, reagiere die Polizei darauf mit personellen Verstärkungen. Einige dieser Brennpunkte gibt es in Jägers Heimatstadt Duisburg. In den Stadtteilen Marxloh und Laar operieren seit einiger Zeit zivile Polizeikräfte zur Bekämpfung bestimmter Kriminalitäts- und Deliktsbereiche, sogenannte Einsatztrupps (ET). Ihr vorrangiges Ziel: „Sehr zügig große Teile der ‚Street Corner Society‘ aus der Anonymität zu holen.“ Bei den Clans sind die Beamten durchaus gefürchtet. Im Gegensatz zu den Beamten der örtlichen Wach-streifen gelten sie als „die Strengen“ und „die Unentspannten“.

In einem 17-seitigen Lagebericht für den Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags beschreibt der ET Nord beim Polizeipräsidium Duisburg, wie vor allem libanesische Großfamilien bestimmte Straßenzüge untereinander aufteilen, um ihren kriminellen Geschäften wie Raubzüge, Rauschgifthandel oder Schutzgelderpressung möglichst ungestört nachgehen zu können. Die Autorität der Polizei werde von diesen Gruppen nicht anerkannt. Ihre männlichen Mitglieder seien 15 bis 25 Jahre alt und „zu beinahe hundert Prozent“ polizeilich in Erscheinung getreten: Körperverletzung, Diebstahl und Raub seien die vorherrschenden Delikte.

Ungeschminkt beschreibt die zivile Eingreiftruppe die Lage im Duisburger Stadtteil Laar, wo offenkundig zwei libanesische Großfamilien das Sagen haben. „Die Straße wird faktisch als eigenes Hoheitsgebiet angesehen. Außenstehende werden zusammengeschlagen, ausgeraubt und drangsaliert. Straftaten gehören zur Freizeitbeschäftigung“, heißt es im polizeilichen Lagebericht. Auch in Duisburg-Marxloh agierten zwei Clans, offenbar mit Kontakten zu der gewalttätigen Rockerszene der Hells Angels. Die Erfahrung zeige, dass insbesondere die libanesischen Großfamilien „durch einen Telefonanruf kurzfristig mehrere hundert Personen mobilisieren“ könnten.

„Wenn das keine ‚No-go-Area‘ ist, dann weiß ich nicht, was eine ist“, sagt der Innenexperte und stellvertretende Fraktionschef der CDU-Landtagsopposition, Peter Biesenbach. Die „No-go-Areas“ müssten endlich „ausgetrocknet“ werden. Die Polizei müsse den libanesischen Familienclans „auf den Füßen stehen“. Zudem verlangt die CDU-Opposition, ein landesweites Lagebild über kriminelle Familienclans zu führen.

Verwandtschaftliche Beziehungen würden nur erhoben, wenn dies für die Arbeit der Ermittler notwendig sei, sagt Jäger. „Darüber hinausgehende Datenerhebungen sind rechtlich nicht zulässig.“ Intern wie extern müsse jede Einstufung vermieden werden, die zur Abwertung von Menschen missbraucht werden könne. „Insofern verbietet sich aus polizeilicher Sicht auch die Verwendung des Begriffs Familienclan“, sagt Jäger.

In den Duisburger Brennpunkten ist es der Polizei immerhin gelungen, die relevanten Daten von 167 Personen zu registrieren und damit große Teile der Familienverbünde aus der Anonymität zu holen. Polizeiinspekteur Bernd Heinen kündigt an, dass der Polizeieinsatz in Duisburg-Marxloh und anderen kriminellen Brennpunkten in Nordrhein-Westfalen weiter intensiviert werde. Wirkliche „No-go-Areas“ seien im Ruhrgebiet bisher nicht festzustellen.

Perspektivlosigkeit und Tristesse

In Gelsenkirchen hat die Polizei beobachtet, dass Clanmitglieder mit kurdisch-libanesischer Abstammung im Alter von 15 bis 30 Jahren, aber neuerdings auch Rumänen in den Stadteilen Bismarck, Ückendorf, Rotthausen und rund um den Hauptbahnhof „einzelne Straßenabschnitte für sich reklamieren“. Dabei handele es sich um Stadtteile mit einem sehr hohen Ausländer- und Migrantenanteil. Aufgrund der exorbitanten Jugendarbeitslosigkeit herrschten dort Perspektivlosigkeit und Tristesse. Die deutsche Bevölkerung hat offenkundig längst die Flucht ergriffen. Es gibt viele leerstehende Wohnungen und Mehrfamilienhäuser in diesen Problemvierteln. Dennoch glaubt die Polizei, die Lage im Griff zu haben. „Es gibt keine ‚No-go-Areas‘ oder rechtsfreien Räume im Stadtgebiet“, heißt es in dem achtseitigen Lagebericht der Gelsenkirchener Polizei. Hier herrsche immer noch „eine Kultur des Handelns und nicht des Wegschauens“.

„Die Straße wird faktisch als eigenes Hoheitsgebiet angesehen. Außenstehende werden zusammengeschlagen, ausgeraubt und drangsaliert. Straftaten gehören zur Freizeitbeschäftigung.“

Aus einem vertraulichen bericht der Polizei Gelsenkirchen

Einbrüche: Aufklärungsquote wieder rückläufig

Do, 5. Nov. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Region AN Titel / Seite 9

 

Düsseldorf. Die Zahl der Wohnungseinbrüche geht in diesem Jahr wieder deutlich nach oben. Ende 2015 sei eine Zahl von 65 000 Einbrüchen oder sogar mehr möglich, sagte NRW-Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann gestern bei einem Forum der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Düsseldorf. 2014 waren in der NRW-Kriminalstatistik 52 800 Einbrüche oder Einbruchsversuche in Wohnhäuser notiert worden. Inzwischen sei die Aufklärungsquote wieder rückläufig. Schürmann sagte, auch bei Taschen- und Metalldiebstählen gebe es steigende Fallzahlen. Allein in Köln würden monatlich etwa 1000 Smartphones gestohlen.

Gingen früher Einbrüche oft auf das Konto einer örtlichen Szene, so gebe es nun mehr reisende internationale Täter, erklärte Schürmann. „Wir haben es mit Tätern zu tun, von denen wir kein Vergleichsmaterial haben.“ In diesen Fällen sind die Menschen, von denen Fingerabdrucke oder andere Spuren am Tatort gefunden werden, nicht bekannt. Für das rasche Analysieren von Einbruchspuren fordert die GdP mehr Personal. Nach Sicherung etwa von DNA-Spuren vergehe oft ein Jahr bis zur Auswertung, kritisierte der NRW-Vorsitzende Arnold Plickert. (dpa)

„Einbrüche völlig risikolos“

Di, 13. Okt. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Titel Aachen / Seite 1

Täter schlagen in NRW 150 Mal am Tag zu. Nur 1,76 Prozent werden verurteilt.

Von Marlon Gego

Aachen/Düsseldorf. Das NRW-Innenministerium gab gestern bekannt, dass Tag für Tag 150 Mal in NRW eingebrochen wird, doch das ist eigentlich nicht die schlimmste Nachricht. Aus einem internen Bericht des Landeskriminalamtes (LKA) in Düsseldorf, der unserer Zeitung vorliegt, geht hervor, dass nicht einmal zwei von 100 Einbrechern verurteilt werden. Der Bericht verfestigt den Eindruck, dass die Bürger vor organisierten Einbrecherbanden weitestgehend ungeschützt sind.

Seit 2007 ist die Zahl der Wohnungseinbrüche in NRW um 47 Prozent gestiegen, eine Entspannung der Situation ist nicht in Sicht. Gregor Golland (CDU), Landtagsabgeordneter aus Brühl und Innenexperte seiner Fraktion, sagte gegenüber unserer Zeitung, dass die Einbruchszahlen weiter steigen werden, „weil die Täter wissen, dass Einbrüche in NRW völlig risikolos sind“.

In der Tat werden nur 1,76 Prozent aller Einbrecher von einem Gericht verurteilt, ein Prozent der Einbrecher muss ins Gefängnis. Die restlichen 0,76 Prozent erhalten Bewährungsstrafen. Diese bestürzenden Zahlen gehen aus dem LKA-Bericht hervor und haben zwei Ursachen. Erstens: Die Aufklärungsquote von Einbruchsdiebstählen liegt in manchen Landkreisen bei weniger als zehn Prozent. Zweitens: Die Staatsanwaltschaften stellen fast 80 Prozent der ohnehin wenigen Verfahren wieder ein, die sie von den Polizeibehörden übernehmen. Ein Sprecher der Aachener Staatsanwaltschaft sagte, „dass die Beweislage oft nicht ausreicht, um eine Anklage erheben zu können“.

Das Ministerium erklärte, dass das Problem nicht allein NRW, sondern ganz Deutschland und Europa betreffe. Trotzdem „bereitet uns die Situation Sorge, und wir versuchen gegenzusteuern“, sagte ein Sprecher von Innenminister Ralf Jäger (SPD).  ▶ Region & NRW

Ein Bericht, ein Politiker und fünf Ideen

Di, 13. Okt. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Region AN Titel / Seite 9

 

Ein CDU-Landtagsabgeordneter aus Brühl beschäftigt sich immer wieder mit dem Problem der ausufernden Einbruchskriminalität

Von Marlon Gego

Aachen. Anfang August verhaftete die Polizei in Düren und Stolberg fünf Mitglieder einer albanischen Einbrecherbande, in der Mittagshitze des 6. August griffen die Ermittler in der Nähe des Bahnhofs aufsehenerregend zu. Bremsen quietschten, Autotüren flogen auf, Polizisten, die Handschellen anlegten. Die Bande soll für mehr als 130, wahrscheinlich aber für weit über 200 Taten im ganzen Bundesgebiet verantwortlich sein, vor allem aber für Taten in der Region. Ein schöner Ermittlungserfolg, dem eine Kooperation der Polizeibehörden Aachen, Düren und Heinsberg vorausgegangen war.

Nur leider sind Erfolgsmeldungen wie diese vom Sommer eine absolute Ausnahme. Nicht nur in Nordrhein-Westfalen, aber vor allem dort. Wolfgang Beus, Sprecher des für die Polizei verantwortlichen nordrhein-westfälischen Innenministeriums, erklärte gestern, die Polizei verwende „viel Energie auf die Bekämpfung von Einbruchsdiebstählen, wir versuchen gegenzusteuern“. Allerdings ohne großen Erfolg, wie ein interner Bericht des Landeskriminalamtes (LKA) zeigt, der unserer Zeitung vorliegt. Landesweit betrug die Aufklärungsquote von Einbrüchen 2014 weniger als 14 Prozent, nur 1,76 Prozent der Einbrecher wurden von einem Gericht verurteilt.

Gregor Golland sitzt für die CDU im Landtag und ist Mitglied des Innenausschusses. Immer wieder hat er in den vergangenen Jahren Anfragen zum Thema Einbruchskriminalität gestellt, im Landtag gibt es kaum jemanden, der sich so intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat wie er. Golland glaubt, dass fünf Punkte entscheidend sind, um die Einbruchsdiebstähle wirksam zu bekämpfen:

1.) Spezialisierung in der Polizeiausbildung. Golland glaubt nicht, dass alle Polizisten alles können müssen. Sie sollen nicht zu Generalisten ausgebildet, sondern schon während der Ausbildung spezialisiert werden.

Ministeriumssprecher Beus hält dem entgegen, dass diejenigen Polizisten, die zur Kriminalpolizei gehen, dann hinreichend spezialisiert würden.

2.) Mehr Polizisten. NRW hat 18 Millionen Einwohner und 40 000 Polizisten, so dass auf 450 Bewohner Nordrhein-Westfalens ein Polizist kommt. Golland hält das für zu wenig. Zudem weist er darauf hin, dass NRW dieses Jahr „mindestens 200 000 Flüchtlinge aufnehmen wird“, allein das rechtfertige schon die Einstellung von knapp 450 zusätzlichen Polizisten.

Wolfgang Beus entgegnet, dass die Zahl der Ausbildungsplätze in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen sei, zuletzt von 1600 auf 1900 pro Jahr. Golland möchte sich auf keine Zahl festlegen, die notwendig wäre, aber einer Zahl von 2500 Polizeianwärtern pro Jahr widerspricht er zumindest nicht.

3.) Bessere Vernetzung der Polizei. Dass mehrere Kreispolizeibehörden an der Zerschlagung einer Einbrecherbande beteiligt sind wie im August in Düren, kommt zwar vor, ist aber die Ausnahme. Golland sagt, dass es viel zu lange dauert, bis Serien als solche erkannt und bekämpft werden.

Ministeriumssprecher Beus, selbst ein Polizist, verweist auf verschiedene Programme, die Minister Jäger auf den Weg gebracht habe und in denen auch das LKA verstärkt einbezogen wurde. „Warten wir den Erfolg dieser Programme doch einmal ab“, sagte Beus gestern. Golland hingegen sagt, insbesondere bezogen auf das LKA: „In NRW wird Kriminalität verwaltet, aber nicht wirkungsvoll bekämpft.“

4.) Auf Prognosen basierende Ermittlungen (predictive policing). In der Schweiz ist es offiziellen Angaben zufolge mit Hilfe von Computerprogrammen tatsächlich gelungen, Einbruchsdiebstähle zu reduzieren. Die Programme berechnen, an welchen Orten die nächste Einbruchsserie beginnen wird, offenbar mit beträchtlichem Erfolg. In NRW läuft testweise ein entsprechendes Pilotprojekt, doch Golland sagt, dass „wir testen, testen und nicht weiterkommen“. Datenschutzbedenken müssten hinter der Eindämmung der Einbruchszahlen zurückstehen.

5.) Grenzkontrollen. „Es gehört zur Souveränität eines Staates, seine Grenzen zu schützen“, sagt Golland. Die Einbruchszahlen gerade in der Region Aachen, Düren, Heinsberg seien auch deswegen so hoch, weil die Täter schnell in den Niederlanden und Belgien wären und dort zunächst vor einer Strafverfolgung geschützt seien.

Auf die entscheidende Frage, wie seine Forderungen finanziert werden könnten, hat Golland zunächst auch keine Antwort. Dann sagt er, dass die „Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit“ von so zentraler Bedeutung sei, dass „die Frage der Finanzierung nachrangig“ sei. „Es fragt ja auch niemand, woher das Geld für die Versorgung der Flüchtlinge kommen soll, es muss einfach da sein.“

Ministerium warnt vor neuer Betrügermasche am Telefon

Das NRW-Innenministerium warnt vor einer neuen Betrügermasche am Telefon. Mit manipulierten Telefonnummern auf dem Display erwecken Kriminelle den Anschein, von einer Behörde anzurufen und in deren Auftrag Kontodaten oder Geldzahlungen einzufordern. In einer gestern vom Landtag veröffentlichten Antwort auf eine FDP-Anfrage stellte das Innenministerium klar: „Gerichte, Behörden, Banken und die Polizei erwarten keine Geldzahlungen aufgrund eigener telefonischer Anfrage.“ Daher sollte Geld nur auf schriftliche Aufforderung überwiesen oder bezahlt werden.

Die neue Telefonmasche nennt sich „Call ID Spoofing“ (etwa „Schwindel mit der Anrufernummer“) und meint zu Deutsch die Verschleierung oder Manipulation von Identitätsdaten. Dahinter steckten Straftäter aus dem In- und Ausland, berichtete das Ministerium. Häufig meldeten sich falsche Polizisten oder der Betrug werde über eine vermeintliche Gewinnbenachrichtigung eingestielt. Die Anrufe ließen sich insbesondere auf Callcenter zurückverfolgen.

In Niedersachsen hatte gerade der Fall einer 85-Jährigen Schlagzeilen gemacht, die Betrügern 30 000 Euro in die Türkei überwiesen hatte – vermeintlich auf Anordnung eines Gerichts. Die Telefonnummer des Gerichts war bei den Anrufen des Täters mit Hilfe eines Manipulationsprogramms im Display des angerufenen Apparats angezeigt worden. (dpa)

„Die Polizei verwendet viel Energie auf die Bekämpfung von Einbruchsdiebstählen, wir versuchen gegenzusteuern.“

Wolfgang Beus,
Sprecher des
NRW-Innenministeriums

Der Rockerkrieg ist eskaliert

Mi, 7. Okt. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Region AN Titel / Seite 9

Der Rockerkrieg ist eskaliert

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es Tote gibt“: Die Zahl der Vorfälle häufen sich, die Auseinandersetzungen werden brutaler. Gekämpft wird um das Revier der Aachener Bandidos, die 2012 verboten wurden.

Von Laura Beemelmanns und Claudia Schweda

Stolberg/Aachen. Heute vor genau einem Monat ist der Aachener Polizeipräsident vor die Presse getreten: „Wir stehen den Rockern auf den Füßen“, kündigte Dirk Weins­pach damals an, „ und wir werden alles tun, um eine weitere Eskalation zu verhindern.“ Offenbar ist das der Polizei im Rockerkrieg im Raum Aachen nicht gelungen. Ganz im Gegenteil: Nachdem in Stolberg 30 gewaltsam auftretende Menschen in der Nacht zu Dienstag ein Internetcafé in der Altstadt auseinandergenommen haben, sprach die Polizei von einem möglichen „Warnschuss“. „Das brodelt“, sagte der Sprecher der Aachener Polizei, Paul Kemen, gestern. „Es ist davon auszugehen, dass da noch weitere Aktionen folgen werden.“ Aktionen, wie sie im niederländischen Südlimburg in der Auseinandersetzung zwischen Hells Angels und Bandidos inzwischen an der Tagesordnung sind.

Auch im Raum Aachen geht es um diese beiden Clubs. Und der Abstand zwischen einzelnen Ereignissen in Zusammenhang mit ihnen wird immer kürzer. Die Akteure kommen dabei auch aus weit entfernten Gegenden: Aus dem Ruhrgebiet bis hin zum hessischen Gießen würde Verstärkung geholt, sagte Kemen. Vor Ort gibt es nach Erkenntnissen der Polizei nur etwa 20 bis 40 Anhänger der beiden Rockerclubs. „Die Besetzung wechselt ständig.“ Aachen ist Schauplatz der Machtdemons­tration, weil dort nach dem Verbot des örtlichen Bandidos-Chapters im April 2012 ein Vakuum entstand, in das nun andere stoßen wollen.

Nach einer verhältnismäßig ruhigen Phase eskaliert die Lage seit Anfang August mehr und mehr. Am 2. August tauchten 50 Bandidos wie aus dem Nichts im Aachener Ostviertel auf – dem Revier der Hells Angels Turkey Nomads. Eine Machtdemonstration auf fremdem Hoheitsgebiet, die die Hells-Angels-Anhänger sofort auf den Plan rief. Weil Anwohner, die eine Massenschlägerei fürchteten, die Polizei alarmierten, war der Spuk schnell beendet. Am 6. September dann kam es an einer Tankstelle nicht weit entfernt vom ersten Tatort zur Schlägerei, Messer wurden gezückt, zwei Bandidos verletzt, einer der Hells Angels wurde kurz darauf mit einer Stichverletzung in ein Krankenhaus eingeliefert. Ein Zusammenhang ist naheliegend. Seitdem kommt es immer wieder zum offenen Schaulaufen der beiden Rockerclubs an gleicher Stelle.

Handgreiflich wurde es wieder am Montagnachmittag, als auf der Aachener Automeile – unweit des Ostviertels – zwei Anhänger der Hells Angels Turkey Nomads von sieben Bandidos attackiert wurden. Die zwei Attackierten trugen Gesichtsverletzungen davon. Einer musste ins Krankenhaus gebracht werden. Die acht Stunden später folgende Tat um Mitternacht in Stolberg wirkt wie ein Racheakt der Turkey Nomads, die auf der Automeile unterlegen waren: Das Internetcafé gilt als Treffpunkt der Bandidos. Ob das tatsächlich so ist, werden wohl auch die Ermittlungen kaum ergeben: „Wir stoßen auf eine Mauer des Schweigens“, sagte Kemen.

Offensichtlich ist, dass die Schaufensterscheiben des Cafés eingeschlagen und Teile der Einrichtung demoliert wurden. Außerdem wurden laut Polizei Gaskartuschen bei der Verwüstung eingesetzt – vermutlich Tränengas. Die Angst unter Anwohnern und Gewerbetreibenden in diesem Viertel wächst.

„Wir bewegen uns inzwischen auf der nächst höheren Eskalationsstufe“, sagte der Polizeisprecher. Es werde massiv Gewalt angewendet, Menschen würden niedergeknüppelt und ein ganzes Lokal auseinandergenommen. Ehrliche Besorgnis klingt mit, wenn er sagt: „Es ist nur eine Frage der Zeit, wann es Schwerverletzte oder sogar Tote gibt.“

Heinsberg: Andere Rocker, noch mehr Brutalität

Völlig unabhängig von den Vorgängen im Aachener Raum ist eine zweite Rockerfront zu betrachten, die derzeit der Polizei in Heinsberg und Mönchengladbach Sorgen bereitet: Dort wird eine Auseinandersetzung zwischen Hells Angels auf der einen und MC Gremium und Outlaws auf der anderen Seite mit äußerster Brutalität geführt.

Der Streit begann Mitte Juli, als ein Gremium-Mitglied aus Heinsberg zusammengeschlagen und ihm seine Kutte geraubt wurde. Ende Juli gab es eine Explosion am Outlaw-Vereinsheim in Mönchengladbach und Schüsse auf ein Geschäft in Rheydt, das einem Hells-Angels-Mitglied gehören soll. Zwei Wochen später wurde das Vereinsheim der Outlaws in Hückelhoven-Baal mit einer Panzerfaust beschossen und ein Friseursalon in Erkelenz, dessen Besitzer den Outlaws zugerechnet wird. Ende August wurde ein Outlaw aus Baal von sieben Männern verfolgt, die ihn mit mehreren Messerstichen in die Arme und Beine schwer verletzten. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach hält eine Verbindung zu den Hells Angels für wahrscheinlich. Aber wie jetzt auch in Stolberg schweigen Opfer und Täter eisern.

60 Straftaten: Polizei fasst Einbrecherbande

Di, 29. Sep. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Titel Aachen / Seite 1

60 Straftaten: Polizei fasst Einbrecherbande

Aachen. Nach dem spektakulären Blitzeinbruch in eine Postfiliale in Aachen vor knapp einem Jahr vermeldet die Polizei jetzt einen Fahndungserfolg: Ermittler aus Belgien und Deutschland konnten bislang sieben Tatverdächtige festnehmen. Im November 2014 waren nachts fünf Täter mit einem Transporter rückwärts durch die Glastür der Filiale am Pontdriesch gefahren und hatten einen Geldautomaten entwendet. In den folgenden Monaten kam es vermehrt zu ähnlichen Einbrüchen, auch Tankstellen und Werkstätten waren betroffen. Die Tatorte lagen in Deutschland, Belgien und den Niederlanden.

Bei den Tätern im Alter von 25 bis 40 Jahren handelt es sich um rumänische Staatsangehörige mit Wohnsitzen in Aachen und Rumänien. Die Ermittler konnten der Bande 60 Taten im gesamten Bundesgebiet, in Belgien, Frankreich und den Niederlanden zuordnen. Bis jetzt fehlt laut Polizei von der Beute jede Spur. (an)

Polizei beendet Streit in der Notunterkunft

Di, 22. Sep. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 15

Das Thema: Flüchtlinge in Aachen

Polizei beendet Streit in der Notunterkunft

Mehrere Dutzend Menschen gehen aufeinander los

Von Gerald Eimer

Aachen. Wie spannungsgeladen das Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum sein kann, hat sich Ende vergangener Woche in den beiden Flüchtlingsunterkünften Michaelsberg­straße und Körner-Kaserne gezeigt. Polizei und Stadt mussten massiv eingreifen, um einen Streit zu schlichten, der offenbar von einer größeren Gruppe junger Männer angezettelt worden war. Die Ermittlungen zu den Hintergründen der Auseinandersetzung dauern noch an.

Bereits in der Nacht zum Donnerstag waren die jungen Männer in der Turnhalle Michaelsberg­straße mit anderen Flüchtlingen in Streit geraten. Es sei dabei zu Prügeleien gekommen, die vor allem auch für die dort ebenfalls untergebrachten Kinder sehr bedrohlich gewesen seien. Die Stadt hat nach Angaben von Evelin Wölk vom Presseamt sehr schnell eingegriffen und die Rädelsführer, die als sehr aggressiv und provokant beschrieben werden, später in die Körner-Kaserne an der Lintert­straße verlegt, die ebenfalls als Notunterkunft des Landes hergerichtet wurde und in der ein Haus ausschließlich für männliche Flüchtlinge reserviert ist.

Friedlich blieb die Gruppe auch dort nicht. Am Freitag mussten gegen 17.30 Uhr etliche Streifenwagen zum Kasernengelände beordert werden, um dort einen Streit zwischen „mehreren Dutzend Beteiligten“ zu unterbinden. Genauere Zahlen kann die Polizei nicht mitteilen, ebensowenig kennt sie bislang den Grund für die Eskalation. „Die Befragungen laufen noch“, sagt Polizeisprecherin Petra Wienen. Ein politischer Hintergrund könne aber ausgeschlossen werden.

Allem Anschein nach sind dort arabische Gruppen unterschiedlicher Nationalitäten aneinandergeraten. Dabei sei es lautstark zugegangen, immer wieder hätten einige Beteiligte rumgepöbelt und anderen Menschen mit Gewalt gedroht. Nach Angaben der Polizei sind am Freitag fünf Männer vorübergehend festgenommen worden, zudem wurden mehrere Platzverweise ausgesprochen. Inzwischen sind alle wieder auf freiem Fuß. Ein Teil der Störenfriede soll die Stadt in Richtung Dortmund verlassen haben.

Eine Auseinandersetzung mit einer solchen Vielzahl von Beteiligten habe es in den Aachener Flüchtlingsunterkünften bislang noch nicht gegeben, sagt Wölk. Kleinere Streitereien gebe es jedoch immer wieder mal. Die Polizei spricht von „kleinen Gesellschaften“, in denen es wie überall im Leben auch zu Konflikten zwischen den Bewohnern komme.

Vor allem in den dicht belegten Turnhallen sei die Situation zuweilen durchaus angespannt. Die Enge, das Nichtstun, die fehlende Privatsphäre und auch die nächtliche Unruhe belaste die Menschen. Problematisch sei es zudem, dass man oftmals nicht wisse, welche Menschen anreisen und ob möglicherweise Angehörige von Konfliktparteien zusammengelegt werden.

„Wir versuchen, immer die Augen offenzuhalten und frühzeitig zu erkennen, ob es brodelt“, sagt Evelin Wölk. Vor Ort eingesetzte Sozialarbeiter und Sicherheitskräfte würden stets frühzeitig versuchen, deeskalierend einzugreifen. Diesmal war man allerdings auf die Unterstützung der Polizei angewiesen.

Zwei 14-Jährige versuchen, Kiosk auszurauben

Do, 27. Aug. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Region AN Titel / Seite 9

Zwei 14-Jährige versuchen, Kiosk auszurauben

Aachen. Zwei Jugendliche haben am Dienstagnachmittag versucht, in Aachen einen Kiosk zu überfallen. Wie die Polizei gestern mitteilte, hätten die beiden 14-Jährigen die Verkäuferin mit einer Pistole bedroht und Geld verlangt. Bekommen hätten sie aber nichts. Ohne Beute seien die beiden dann geflüchtet. Die Polizei leitete sofort eine Fahndung und fand die beiden Täter wenig später. Sie wurden vorläufig festgenommen. Bei der Durchsuchung der Jungen fand die Polizei eine Schreckschusspistole. Das Aachener Amtsgericht erließ gestern Nachmittag gegen einen der beiden Täter einen Haftbefehl, wie die Aachener Staatsanwaltschaft auf Anfrage unserer Zeitung erklärte. Der Grund sei, dass er keinen festen Wohnsitz in Deutschland habe und daher Fluchtgefahr bestehe. (red)

Aachen: Jugendliche sollen Obdachlosen stundenlang gequält haben

SPIEGEL ONLINE, 25.08.2015

 

Drei Teenager sollen einen jungen Obdachlosen auf dem Gelände einer Aachener Schule schwer misshandelt haben. Laut Staatsanwaltschaft hatte es zuvor Streit gegeben.

Den vollständigen Artikel erreichen Sie im Internet unter der URL http://www.spiegel.de/panorama/justiz/aachen-jugendliche-sollen-obdachlosen-stundenlang-gequaelt-haben-a-1049814.html

Tätern drohen bis zu 15 Jahre Haft

Fr, 14. Aug. 2015
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 13

Tätern drohen bis zu 15 Jahre Haft

Schläger vom Elsassplatz wegen versuchten Totschlags in Untersuchungshaft genommen. Auf den am Boden liegenden 16-Jährigen noch eingetreten. Multiple Prellungen im Gesicht, aber keine Lebensgefahr.

Von Heiner Hautermans

Aachen. Die beiden jungen Männer, die am Mittwochabend nach einer exzessiven Schlägerei auf dem Elsassplatz festgenommen wurden, sitzen in Untersuchungshaft. Der Richter erließ gestern Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchten Totschlags gegen die 21 und 22 Jahre alten Täter. Damit droht ihnen eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren. Ein dritter Mann hatte nach der hässlichen Attacke noch das Weite suchen können. Ob seine Identität bekannt ist, dazu wollte Staatsanwalt Jost Schützeberg gestern keine Auskunft geben: „Die Fahndungsmaßnahmen laufen.“

Am Tag nach der brutalen Auseinandersetzung gegen 18 Uhr auf dem Elsassplatz ist wenig darüber bekannt, wie es zu der hässlichen Schlägerei gekommen ist. Es habe zunächst eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem 16-jährigen Opfer und den drei Männern gegeben. Daraufhin habe das Trio auf ihn eingeschlagen und getreten, auch dann noch, als er schwer verletzt am Boden gelegen habe. „Der 16-Jährige erlitt erhebliche Kopfverletzungen, unter anderem multiple Prellungen im Gesicht.“ Er sei zur stationären Behandlung ins Krankenhaus gebracht worden, befinde sich aber nicht in Lebensgefahr. Weshalb der Streit ausgebrochen sei, darüber gebe es noch keine Erkenntnisse. Schützeberg: „Was genau dahintersteckt, können wir noch nicht sagen.“ Die beiden Inhaftierten hätten beim Richter keine Aussagen gemacht.

Nach weiteren Informationen der „Nachrichten“ handelt es sich bei den beiden Schlägern um Türken, die ganz in der Nähe wohnen, der 16-Jährige stammt aus dem Irak. Ob Bandenbildung oder die Zugehörigkeit zu Streetgangs, wie sie im Ostviertel in den letzten Jahren aufgetreten waren, bei der schweren Straftat eine Rolle spielten, könne er nicht sagen, so Schützeberg weiter: „Dazu haben wir bislang keine Erkenntnisse.“ An den letzten Wochenenden war es zu Schaulaufen von Rockerclubs vor dem Kennedypark gekommen, zunächst von rund 50 Hells Angels, danach von etwa der gleichen Zahl Bandidos, die demonstrativ ihre Kutten anzogen, schnell aber wieder verschwanden.

Nichts gesehen

In den angrenzenden Cafés, Imbissstuben, Geschäften oder Wettbüros an der Elsasstrasse und dem Elsassplatz konnte gestern niemand etwas zur Entstehung des aktuellen Konfliktes sagen. Ein Kenner der Szene: „Wir haben keine Ahnung, was da abgegangen ist.“