„Kompanien Feuerwehr stehen abwartend da“

Sa, 9. Nov. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokales / Seite 21

„Kompanien Feuerwehr stehen abwartend da“

Im Jahre 1933 lebten in Aachen 1345 jüdische Bürger, nach dem Pogrom waren es nur noch 782. Menschenmenge verfolgte weitgehend schweigend den Brand der Synagoge. Lokale Parteiprominenz übernahm Durchführung.

Von Heiner Hautermans

Aachen. 75 Jahre ist es jetzt her, dass judenfeindliche Exzesse, die planmäßig von höchster Stelle in Gang gesetzt worden waren, auch in Aachen ausbrachen. Wohnungen wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November verwüstet, Geschäfte geplündert und die Synagoge in Brand gesetzt. Wer im „Aachener Anzeiger – Politisches Tageblatt“, der Vorläuferzeitung der „Nachrichten“ aus diesen Tagen, blättert, wird nur wenig von dem jetzt Reichspogromnacht genannten angeblichen Volkszorn finden, die Presse war längst gleichgeschaltet. „Der Führer dankt der Presse“, lautet stattdessen eine Überschrift über einen Zweispalter, die für sich spricht.

Anders die „Libre Belgique“, die die Volkshochschule der Ostkantone in Eupen auf ihrer Homepage zitiert. Die angesehene katholische Tageszeitung, die – aufgeschreckt durch die Propaganda­tiraden der Eupener pro-nazistischen Blätter – entsandte noch im Verlauf des 10. November einen Sonderberichterstatter nach Aachen, der Folgendes meldete: „Wir gehen […] durch die Stadt und sehen vom Kaiserplatz aus schon den Rauch und die Flammen, die aus dem noch stehenden einzigen Türmchen der Synagoge am Promenade(n)platz aufsteigen. Zwei Kompanien Feuerwehr stehen abwartend auf dem Platze; ihre Aufgabe erschöpft sich darin, zuzusehen und den Ordnungsdienst aufrecht zu erhalten. Die „Judenkirche“ muss brennen und brennt auch schon 7 Stunden lang […]. Jenseits der Sperrkette sahen viele Menschen mit undurchdringlichen Mienen dem Brande zu. Nur eine Bemerkung wurde laut von einer Nazifrau, deren Hass erfülltes Gesicht eine Ausnahme machte: ‚Wenn der zweite Turm einstürzt, müssen wir Hurrah rufen’. Sie fand damit aber kein Echo in der Menge […]. Ein alter biederer Geschäftsmann, ein Freund aus früheren Tagen raunte uns unter der Hand zu: ‚Jetzt sind die Juden dran, hinterher geht es an uns Katholiken‘.“

Auch das „Limburgs Dagblad“ aus Maastricht hatte noch am 10. November einen Redakteur nach Aachen in Marsch gesetzt, der über die Menschen vor der Ruine ähnlich berichtete: „Von dem jüdischen Bethaus stehen im Übrigen nur noch die Außenmauern. Innen ist es völlig ausgebrannt […]. Der Platz steht voll mit Menschen, die starr auf die Ruine schauen. Niemand sagt etwas.“

1933 lebten in der Stadt Aachen 1345 jüdische Bürger. Bei einer Gesamtzahl von 162 774 Einwohnern machte das 0,83 Prozent der Bevölkerung aus. Ein nicht zu unterschätzender Anteil der jüdischen Aachener gehörte der Oberschicht an. Neben Fabrikanten und Geschäftsleuten gab es viele jüdische Akademiker, Juristen, Ärzte, Apotheker, Lehrer und Professoren. Infolge der anti-jüdischen Politik seit 1933 emigrierten viele jüdische Aachener. 1939, nach dem Pogrom, lebten nur noch 782 in der Stadt.

Feuerwehrleute in Zivil

Wie in vielen anderen deutschen Städten, übernahm auch in Aachen die lokale Parteiprominenz die Durchführung des Pogroms. Am frühen Morgen des 10. November, gegen vier Uhr, steckten zunächst Aachener Feuerwehrleute sowie Angehörige der Parteiformationen – alle auf ausdrücklichen Befehl in Zivil – die Synagoge in Brand. Noch während diese Aktion andauerte, zogen „unter Führung der Beamten der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), welche die Listen der jüdischen Betriebe, Geschäfts- und Wohnhäuser erstellt hatten, Trupps von SS und SA durch die Straßen der Stadt, verwüsteten und plünderten jüdische Betriebe und Geschäfte, demolierten ihre Wohnungen und nahmen wohlhabende Juden in Schutzhaft“. In Aachen wurden insgesamt 70 Juden festgenommen.

Erinnerungen

1988 veröffentlichte Arieh Eytan – 1938 noch Edgar Friesen – im Mitteilungs­blatt des Kibbuz Gesher seine Erinnerungen an das Geschehen, das er am Morgen des 10. November in seiner Heimatstadt Aachen erlebte: „Ich verließ unsere Wohnung auf dem Weg zu meinem Arbeitsplatz, ca. 20 Minuten zu Fuß, und als ich an einem großen Schuhgeschäft vorbeikam, sah ich eine größere Menge von Menschen neben den zerstörten Fenstern dieses Geschäftes und einen Polizi­sten, welcher für Ordnung sorgte. Ich dachte, dass hier sicherlich ein Unfall war, und selbst als sich dasselbe Bild mehrere Male kurz danach wiederholte, dachte ich noch nicht an irgendetwas Besonderes. Als ich jedoch in die Stadtmitte kam, traf ich einen Freund auf einem Fahrrad, welcher mir zurief, dass die Synagoge brennt. Sofort wurde mir bewusst, dass dies mit den „Unfällen“ an den jüdischen Geschäften zusammenhängt. Ich wen­dete mich um und lief schnell der Gegend zu, wo sich unser Gotteshaus befand und je näher ich kam umso mehr roch ich den Rauch des Feuers. Aber was ich empfand, als ich vor diesem Gebäude stand – ein prächtiger Tempel mit zwei Kuppeln – kann ich nicht beschreiben. Unsere Familie war zwar nicht allzu religiös, aber die Synagoge und die dane­ben liegenden offiziellen jüdischen Anstalten, darunter unser Jugendheim, waren stets das Zentrum des jüdischen Lebens und bedeutete uns Allen weitaus mehr als lediglich ein Haus.“

Zwei Veranstaltungen

zum Gedenken

Die Gedenkveranstaltung an die Pogrome gegen Jüdinnen und Juden findet wieder auf dem Synagogenplatz statt. Wegen des Sabbat beginnt das Gedenken am Sonntag, 10. November, um 11 Uhr.

Aufgerufen haben zahlreiche antifaschistische und gewerkschaftliche Gruppen aus Aachen. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Ralf Woelk wird die Ansprache halten, der Politologe Richard Gebhardt wird über den heutigen Antisemitismus sprechen.

Die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit lädt zu einer Gedenkstunde am Samstag, 9. November, 19 Uhr, in den Krönungssaal des Rathauses ein. Den musikalischen Rahmen gestalten Studenten der Musikhochschule Aachen.

15 Neonazis gezielt zur Randale angereist

Di, 5. Nov. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 15

15 Neonazis gezielt zur Randale angereist

Polizei weist Vorwürfe nach Übergriffen auf die Linksjugend zurück. Beamter an der Hand verletzt. Randale auch von Hooligans.

Von Heiner Hautermans

Aachen. Die aus Süddeutschland angereisten 15 jungen Männer, die nach Informationen der „Nachrichten“ zu einer Feier eingeladen waren, sind offenbar am Samstag gezielt angereist, um Angst und Schrecken in Aachen zu verbreiten. Sie provozierten eine Kundgebung der Linksjugend im Bereich Adalbertstraße/Peterstraße, wurden handgreiflich, so dass ein Polizeibeamter schwere Handverletzungen davontrug, und zogen, so die Linken, später noch vor das Autonome Zentrum, wo sie ebenfalls auf Krawall aus waren.

Es handelt sich um Mitglieder des Freien Netzes Süd (FNS), wie die Polizei gestern bestätigte. Es handelt sich um den größten neonazistischen Dachverband in Bayern mit Schwerpunkt in Franken, dem etwa 20 „Freie Kameradschaften“ angehören. Im Juli dieses Jahres wurden Wohnungen und Geschäftsräume der Mitglieder von 700 Polizisten durchsucht und Computer, Propagandamaterial und einige Waffen beschlagnahmt.

2012 hatten sich alle Parteien des Bayerischen Landtags für ein Verbot der Organisation ausgesprochen. Das FNS unterhält auch Kontakte zu anderen rechtsextremen Organisationen und Parteien im Ausland, zum Beispiel der neonationalsozialistischen griechischen Partei Chrysi Avgi. Von dieser „Goldenen Morgenröte“ wurde von den 15 Neonazis in Aachen auch ein Banner gezeigt, wie die Linksjugend, die eigentlich eine Demonstration gegen die gegenwärtige Flüchtlings- und Asylpolitik in Europa veranstaltete, berichtet. Sie erhebt in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Wörtlich heißt es in einer Mail der Linksjugend: „Es gab viele unnötige Angriffe der Polizisten auf unsere Seite.“ Die Linken zeigen sich entsetzt darüber, dass die Polizei die Attacken auf sie zugelassen habe.

Nach dem ersten Überfall in der Adalbertstraße wurden die linken Demonstranten auch noch vor der Synagoge von betrunkenen und gewaltbereiten Fußballfans attackiert, nach Darstellung der Aachener DKP wurden sie von den Hooligans mit Knüppeln und Flaschen angegriffen. Die Polizei beschreibt die Situation in ihrem Bericht so: „Mit dem Einsatz von Pfefferspray konnt die Polizei eine gewalttätige Konfrontation der beiden Gruppierungen verhindern.“ Auch die Auseinandersetzungen im Verlauf des späteren Abends vor dem Autonomen Zentrum, die von „weiteren Personen“ verübt worden seien, habe nur durch „schnelle Polizeipräsenz“ verhindert werden können, so Polizeisprecherin Iris Wüster.

Die DKP zieht aus den Vorfällen weitreichende Schlüsse. Vorsitzender Jens Wegener: „Dieser Tag zeigte einmal mehr, dass Aachen ein großes Naziproblem hat und dass weder Polizei noch Justiz daran interessiert sind, daran etwas zu ändern.“ Während Faschisten Menschen überfallen könnten, ohne große Folgen fürchten zu müssen, stünden gleichzeitig mehrere Menschen vor Gericht, weil sie 2012 den Aufmarsch der inzwischen verbotenen Kameradschaft Aachener Land verhindern wollten. Antifaschisten würden systematisch kriminalisiert.

Diese Darstellung wird von der Polizei scharf zurückgewiesen. Schließlich sei man gegen die Rechtsextremen aus Süddeutschland massiv vorgegangen und habe Verfahren wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung und Widerstands gegen sie eingeleitet. Außerdem habe die Ermittlungsgruppe Remok (Rechtsmotivierte Kriminalität) umfangreiche Ermittlungen aufgenommen. Sprecherin Wüster: „Die polizeilichen Maßnahmen dauern an. Daran sieht man, dass wir sehr wohl einschreiten und auch nachher tätig werden.“

Körperlich zurückdrängen

Dass auch Linke Ziel polizeilicher Maßnahmen wurden, erklärt Wüster so: Die Rechten hätten irgendwann eine Spontandemonstration veranstaltet, die naturgemäß, weil spontan, nicht bei den Ordnungshütern hätte angemeldet werden können. In diesem Moment hätten die Linken diese Veranstaltung stören wollen. Man habe beide Seiten trennen müssen: „Man musste sie körperlich zurückdrängen, damit es nicht zu weiteren Auseinandersetzungen kam.“

„Daran sieht man, dass wir sehr wohl einschreiten und auch nachher tätig werden.“

Iris Wüster,

Polizeisprecherin

Gerade fertig – Wagen erneut aufgebrochen

Di, 16. Jul. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 13

Gerade fertig – Wagen erneut aufgebrochen

Kinder und Jugendliche sind betrübt über brachiales Vorgehen am Wochenende. Rechtsradikale Parole geschmiert. Angebot des Heimatvereins begehrt.

Von Mira Otto und Heiner Hautermans

Aachen. „Ich bin noch mit den Kindern durch den Wald gegangen. Die haben Stöcke und Tannenzapfen aufgehoben und wollten die jetzt bemalen“, berichtet Heiko Herms, ein Schüler des Käthe-Kollwitz-Berufskollegs. Doch daraus wurde nichts. Mit 13 Mitschülern hat Herms zwei Bauwagen des Heimatvereins Eilendorf repariert, die bei einem Einbruch vor einiger Zeit demoliert worden waren, ein Projekt der Klasse FP112. Liebevoll wurden die Wagen mit Figuren aus einem Märchen bemalt und innen wieder auf Vordermann gebracht. Dann der Rückschlag: Am Samstag wurden die auf einem Grundstück am Prunkweg stehenden Bauwagen erneut aufgebrochen und mit einer rechten Parole und weiteren Schriftzügen beschmiert – die Bauwagen sind vorläufig nicht benutzbar. Unverrichteter Dinge und mit hängenden Köpfen mussten die mit dem Bus angereisten Jungen und Mädchen der Kita Barbara­straße gestern wieder abziehen.

Lehrerin Heide Höhl ist über den Vandalismus genauso geschockt wie Daniel Bauer, Sprecher der Schüler: „Wir haben viel Zeit mit den Kindern investiert, das waren drei Wochen Arbeit. Dass die in einem Tag zunichte gemacht wurde, ist niederschmetternd.“

Heide Höhl, die mit ihrem Mann die Klasse leitet: „Mein Mann und ich waren geschockt. Das ist so traurig.“ Am Donnerstag wollten die angehenden Erzieher das Ergebnis ihres Projektes präsentieren, das wird sich jetzt auf die Dokumentation ihrer Arbeit beschränken – zu präsentieren ist nicht mehr viel.

Auch Helmut Kind, der Vorsitzende des Heimatvereins, ist der ständigen Einbrüche überdrüssig. „Das ist die reine Zerstörungswut“, weist er auf die brachiale Gewalt hin, mit der die Fenster und Türen geöffnet worden sind. Sie müssen mit stabilem Hebelwerkzeug aufgebrochen worden sein, auf der Wiese liegt ein wahrscheinlich dabei abgebrochener Besenstiel. Das Schloss einer Türe müsse mit einem Trennschleifer aufgeschnitten worden sein, von Tätern, die so etwas nicht zum ersten Mal machten: „Die knacken auch Fahrräder und Mopeds auf diese Weise.“ Nun sollen die Öffnungen der Bauwagen noch besser gesichert werden, durch Riegel, die ein Schlosser jetzt kostenlos anfertigt.

Tausende Euro und Hunderte Stunden ehrenamtlicher Arbeit haben die Eilendorfer in das Projekt investiert. Die beiden ausrangierten Wagen waren dem Heimatverein von einer Bauunternehmung im letzten Jahr geschenkt worden, eine Gruppe von Senioren machte sich daran, sie sandzustrahlen, anzustreichen und mit Motiven aus einem Märchen zu versehen. Erika Roussaint hatte im Juni 2012 das Malbuch „Oma Finchen – Das Galmeiveilchen, das einen Traum hatte“ herausgebracht, in dem die Bauwagen eine tragende Rolle spielen. In schönster landschaftlicher Umgebung wurden sie auf dem Ort Gottessegen aufgestellt – mit herrlichem Blick über den Aachener Talkessel, damit „die Kinder etwas über die Natur und ihre Heimat lernen“ könnten.

Hinweise an die Polizei

Im September waren die Wagen fertig. Einer, von den Kindern selbst gestaltet, dient zum Wohlfühlen, Kuscheln und Ausruhen, der zweite ist als Werkwagen ausgestattet. Die Wagen sind inzwischen heiß begehrt. Kindergärten stehen Schlange, um dort mit Picknick und Spaziergang einen ganzen Tag zu verbringen. Vor kurzem habe es dort eine Fortbildung des Umweltamtes zum Thema Naturerziehung gegeben, berichtet Vorsitzender Helmut Kind.

Im Winter sei noch nicht viel passiert, im Frühjahr sei es aber schon zu einzelnen Aufbrüchen der Wagen gekommen. Zunächst habe man die Fenster nicht geschützt, damit man sehen konnte, dass es im Innern nichts zu holen gab – es nutzte nichts. Dann wurden die Sicherungen verstärkt, stabile Flügel auf die Fenster von innen verschraubt, sie wurden jetzt mit Gewalt aufgebrochen. Figuren sind mit blauer Farbe überschmiert, Parolen aufgesprüht.

Nun sollen die Sicherheitsmaßnahmen noch einmal verstärkt werden. Die Polizei hat ihre Ermittlungsgruppe eingeschaltet, die sich mit rechtsmotivierter Kriminalität (Remok) beschäftigt. Sie fragt, wer am Samstag zwischen 9 und 22.15 Uhr verdächtige Personen oder Fahrzeuge in der Nähe des Prunkwegs, der kurz vor Verlautenheide von der Heckstraße abgeht, gesehen hat. Hinweise können unter ☏ 0241/9577-36001 abgegeben werden (außerhalb der Geschäftszeiten 9577-34210).

Rechtsextreme tarnen sich

Mi, 10. Jul. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Titel Aachen / Seite 1

Rechtsextreme tarnen sich

Die Szene nutzt intensiv das Internet. Studie gibt Aufschluss über Strategien.

Von Werner Kolhoff

Berlin. Inhaltlich sind sie zwar von vorvorgestern, aber in ihren Kommunikationsstrategien ganz modern. Rechtsextreme Gruppen haben einen Großteil ihrer Werbung und auch internen Verständigung ins Internet verlagert und versuchen dort gezielt, Jugendliche anzusprechen. „Jugendschutz.net“, eine von den Ländern gegründete Stelle, untersucht alljährlich die neuesten Entwicklungen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten über die Erkenntnisse für 2012.

Wie haben sich rechtsextreme Webangebote zahlenmäßig entwickelt?

Gegenüber 2011 wurde eine Zunahme um ein Drittel verzeichnet, von 5400 auf 7000. Bemerkenswert ist dabei eine Verlagerung in die interaktiven Plattformen wie Facebook, Youtube oder Twitter. Hier gab es 5500 Beiträge, ein Zuwachs von fast 50 Prozent.

Welche neuen Trends gibt es?

Stark weiterentwickelt wurde die Masche, sich als unverdächtig zu tarnen. So werben die sogenannten „Identitären“ auf Facebook teilweise sogar mit scheinbaren Anti-Naziparolen, etwa dem Satz: „100 Prozent Identitär, null Prozent Rassismus“. Oder sie kopieren das Aussehen der antifaschistischen Aktion „Gesicht zeigen“ grafisch und nennen sie „Gewissen zeigen“. Die Hauptaussage der Gruppe richtet sich gegen die angebliche Islamisierung Europas. Neu sind auch Blogs mit unverfänglichen Namen wie „Mauerblümchen“, die sehr modern gestaltet sind. Es gibt auch rechtsex-treme „Apps“ mit denen man zum Beispiel schnell per Handy auf rechte Online-Radios zugreifen kann.

Gibt es auch klare strafbare Inhalte?

Ja, die Zahl ist hoch. 1673 Angebote waren 2012 direkt jugendgefährdend, nazistisch oder gewaltverherrlichend.

Was können normale Nutzer tun?

Es gibt eine Online-Beratungsstelle für Menschen, die mit Rechtsextremismus konfrontiert werden: http://www.online-beratung-gegen-rechtsextremismus.de.

Die ganze Studie im Internet:

http://hass-im-netz.info/s/bericht2012

Mutmaßliche Nazis wegen Volksverhetzung vor Gericht

Di, 9. Jul. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokales / Seite 15

Mutmaßliche Nazis wegen Volksverhetzung vor Gericht

Jugendschöffengericht tagte: Ein 20- und ein 22-Jähriger aus dem KAL-Umfeld sollen an rechtsradikalen Übergriffen beteiligt sein

Von Wolfgang Schumacher

Aachen. Vor der Jugendschöffenkammer am Aachener Amtsgericht müssen sich jetzt der 20-jährige Andre P. und der 22-jährige Peter S. aus Aachen wegen mutmaßlicher Nazi-Umtriebe verantworten.

In dem Verfahren vor der Vorsitzenden Richterin Edith Kessel-Crvelin ging es gestern um einen bereits länger zurückliegenden Vorfall in der Kölner Altstadt.

Dort hatten sich am 10. Oktober 2010 mutmaßliche Rechtsextreme in der dortigen Judengasse zusammengerottet und sich gewalttätig an dem Straßenschild zu schaffen gemacht. Wie ein Polizist gestern als Zeuge berichtete, hatten aufmerksame Nachtschwärmer – es war gegen 1.15 Uhr in der Frühe – die Polizei benachrichtigt.

Mit Reizgas verletzt

Ja, er glaube einen der beiden Angeklagten wiederzuerkennen, sagte der Beamte gestern vor dem Schöffengericht. Die Gruppe der mutmaßlichen Nazis war beim Eintreffen der Polizei auseinandergelaufen. Doch einige seien auch wiedergekommen und hätten beispielsweise ihn selbst niedergerissen, und sein Kollege habe eine ordentliche Ladung Reizgas abbekommen. Man konnte damals nur wenige aus der Gruppe festnehmen, erinnerte sich der Beamte.

Angeklagt sind weiter auch Vorfälle, die in der hiesigen Region stattfanden. P. und der zweite Angeklagte, Peter S. (22), werden dem Umfeld der inzwischen verbotenen und damals in Stolberg angesiedelten Kameradschaft Aachener Land (KAL) zugerechnet. Bekanntlich finden in Stolberg des Öfteren sogenannte Trauermärsche der Nazis statt. So auch am 9. November 2011.

Dort soll S. laut Anklage Transparente getragen und Lieder mit volksverhetzendem Charakter gesungen haben. So standen damals auf den Transparenten Parolen wie „Multikulti tötet“ sowie „Deutschland den Deutschen“ oder schlicht „Ausländer raus“.

Um die Teilnahme der Angeklagten an dieser Demo nachzuweisen und die dort gesungenen Nazi-Lieder im Prozess behandeln zu können, wollte die Vorsitzende Richterin ein Polizeivideo des Nazi-Aufmarsches vorspielen.

Dem widersprach Anwalt Christian Franz förmlich und stellte den Antrag, die Videos nicht zuzulassen. Die Kammer wird später darüber entscheiden, ob das Video vorgeführt wird oder nicht.

P., der inzwischen sein Fachabitur nachmacht, soll außerdem im August 2011 aus RWTH-Laboren Computer gestohlen haben. Außerdem sollen die Angeklagten an Übergriffen auf sogenannte linke Aktivisten im Juni 2011 in der Theaterstraße und an den Drohungen gegen eine als „links“ bekannte Wohngemeinschaft im Dezember 2011 im Seilgraben teilgenommen haben.

Die Angeklagten schweigen zu den Vorwürfen. Der Prozess geht am morgigen Mittwoch, 10. Juli, ab 9 Uhr weiter.

Diesmal trafen die Schüsse ein Wohnhaus

Fr, 21. Jun. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 13

Diesmal trafen die Schüsse ein Wohnhaus

Gezielte Attacke auf die elterliche Wohnung eines ausgestiegenen Neonazis? Behörden sehen zurzeit keinen politischen Hintergrund. Zwei Leichtverletzte.

Von Heiner Hautermans

Aachen. Schon wieder eine Schießerei in Aachen. Nachdem am Montagabend Schüsse auf eine Gruppe junger Männer im Bereich Jülicher Straße/Metzgerstraße abgegeben wurden und durch glückliche Umstände nur zwei von ihnen leicht verletzt wurden, fielen in der Nacht zum Donnerstag kurz vor 4 Uhr mehrere Schüsse in einem Wohngebiet in Richterich. Sie wurden abgefeuert auf ein Mehrfamilienhaus an der Paul-Gerhardt-Straße, in dem vor einiger Zeit ein 19-jähriger Neonazi in der Wohnung seiner Eltern lebte. Zwei Kugeln durchschlugen den Rolladen und die Fensterscheibe, durch Splitter trugen innen nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwei Personen leichte Verletzungen davon.

Die Wohnung im Erdgeschoss wurde im September 2010 durchsucht, weil die Berliner Staatsanwaltschaft dem jungen Mann und einem 25-jährigen Mittäter die Vorbereitung eines Sprengstoff-Verbrechens zur Last legte. Beide hatten sechs Silvesterknaller mit Glasscherben präpariert und zu einer Demonstration von Rechten am 1. Mai nach Berlin mitgenommen, um Polizisten und Gegendemonstranten zu verletzen. Zu dem Aufmarsch waren Neonazis aus dem Dreiländereck gemeinsam von einem Parkplatz am Tivoli aus losgefahren. Angesichts starker Vorkontrollen am Prenzlauer Berg in Berlin waren die scharf gemachten Böller aber weggeworfen worden, an ihnen wurden dann die DNA der beiden jungen Aachener entdeckt. Sie gaben später auch zu, die Bomben, die bei Menschen schwere Verletzungen hervorgerufen hätten, gebastelt zu haben.

Beide jungen Männer wurden im Februar 2012 zu zwei Jahren Bewährungsstrafe verurteilt. Der Prozess fand seinerzeit schon unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen statt, um die geständigen Täter vor Übergriffen aus dem Nazi-Umfeld zu schützen, unter anderem war vor dem Aachener Landgericht eine Polizeihundertschaft eingesetzt. Verurteilt wurden beide auch wegen rechtsextremistischer Schmierereien am jüdischen Friedhof und den Parteibüros linker Parteien sowie wegen des Versuchs, das „Autonome Zentrum“ in Brand zu stecken.

Der 19-Jährige, der sich seit seinem 15. Lebensjahr in der rechtsradikalen Szene bewegt hatte und mehrfach verurteilt wurde, erhielt zur Auflage, ein Aussteigerprogramm zu absolvieren. Fühlten sich jetzt seine ehemaligen Kameraden verraten und feuerten deshalb auf das Kinderzimmer des 19-Jährigen? Der junge Mann sitzt zurzeit allerdings eine Haftstrafe von drei Jahren ab und war nicht in der Wohnung.

Die Behörden wollen diesen Zusammenhang nicht bestätigen. Staatsanwalt Jost Schützeberg: „Wir ermitteln in alle Richtungen. Derzeit liegen uns keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein politisch motivierter Hintergrund existiert. Das Motiv ist noch unbekannt.“ Die Ermittlungen werden geführt wegen eines versuchten Tötungsdelikts, zwei Kugeln durchschlugen kurz vor 4 Uhr einen Rollladen und eine Fensterscheibe, eine blieb im Mauerwerk stecken.

Auf dem gepflasterten Weg vor dem Haus sind fünf Stellen markiert, möglicherweise lagen dort Hülsen, in der Hauswand sind jedoch nur drei Stellen markiert. Polizisten rückten am Vormittag noch einmal in zwei Mannschaftswagen an, zehn Männer und Frauen suchten, teilweise mit schusssicheren Westen gewappnet, die direkte und weitere Umgebung des Hauses nach Beweismitteln ab. Sie wurden aber offenbar nicht fündig.

Ein Nachbar im Gebiet Schönauer Friede, der seinen Hund ausführt, zeigt sich von der Entwicklung nicht überrascht: „Das war ja lange zu erwarten.“ Schon häufiger habe es in der Straße Polizeieinsätze gegeben. Die Täter hätten sich offenbar genau ausgekannt: „Die wussten, dass die Kinderzimmer nach vorne heraus liegen. Die wussten genau Bescheid.“

Zur Tatwaffe wollten die Fahnder keine Angaben machen, es habe sich aber um eine scharfe Waffe gehandelt.

Versuchter Mord

Auch die Schüsse am Montagabend waren aus einer scharfen Waffe abgegeben worden. Zwei 24 und 36 Jahre alte Männer, die eine Stunde nach der Schießerei von einem SEK-Kommando festgenommen worden waren, sitzen jetzt wegen des Verdachts des versuchten Mordes in Untersuchungshaft, ein dritter ist flüchtig. Beide Gruppierungen werden der Türsteherszene zugerechnet und sympathisieren mit dem Rockermilieu.

„Wir ermitteln in alle Richtungen. Das Motiv der
Tat ist noch unbekannt.“

Dr. Jost schützeberg

Staatsanwalt

Rechte Gewalt und antisemitische Straftaten nehmen zu

 

Di, 30. Apr. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Blickpunkt / Seite 2

Rechte Gewalt und antisemitische Straftaten nehmen zu

Innenminister Friedrich zieht Bilanz: mehr fremdenfeindliche Taten, weniger links motivierte Kriminalität

Berlin. In Deutschland hat die Gewalt von Rechtsextremen erheblich zugenommen, während die Zahl der politisch motivierten Straftaten insgesamt zurückging. Wie das Bundesinnenministerium gestern in Berlin mitteilte, wurden 2012 insgesamt 27 440 politisch motivierte Straftaten registriert, davon 2464 Gewalttaten. Verglichen mit 2011 sind damit die Straftaten um 9,2 Prozent und die Gewalttaten sogar um 20,7 Prozent zurückgegangen.

Angestiegen seien allerdings die Straf- und Gewalttaten im rechten Spektrum – um 4,4 Prozent beziehungsweise 1,7 Prozent. Hier wiederum ging die Zahl fremdenfeindlicher Straf- und Gewalttaten besonders stark nach oben, nämlich um 16,5 und 10,8 Prozent. Auch die Zahl antisemitischer Straftaten habe 2012 wieder deutlich zugenommen, und zwar um 10,6 Prozent.

„Wir müssen die rechte Szene im Auge behalten und den Fahndungsdruck weiter intensivieren“, sagt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Dies hätten gerade auch die lange in ihrer Fremdenfeindlichkeit nicht erkannten Aktivitäten der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) gezeigt. Die politisch links motivierte Kriminalität und Gewalt ist – nach deutlichem Anstieg im Vorjahr – nun dem Gesamttrend folgend deutlich rückläufig, teilte das Ministerium mit. Das sei auf weniger Demonstrationen und Proteste – etwa gegen Castor-Transporte – zurückzuführen. Allerdings bereite hier die „Qualität“ der Straftaten Sorge. Die Zahl versuchter Tötungen sei von drei auf acht gestiegen.

Auch im Bereich politisch motivierte Ausländerkriminalität sei ein „Aufschaukeln“ zu beobachten. Obwohl auch hier die Zahl der Delikte insgesamt rückläufig sei, falle der Anstieg der Taten auf, die aus der Konfrontation mit der rechten Szene herrühre. (dpa)

Polizei erteilt Rechten Platzverweise

 

Mo, 8. Apr. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Lokaltitel Aachen / Seite 23

Polizei erteilt Rechten Platzverweise

Unerlaubt in Aachen Flugblätter verteilt

Aachen. Mit massiver Präsenz hat die Polizei am Samstag in Aachen Aktivitäten von Rechten verhindert. Gegen acht polizeibekannte Personen aus dem rechten Spektrum sprach die Polizei am Nachmittag Platzverweise für das gesamte Aachener Stadtgebiet aus. „Wir haben diese Personen bis zum Westbahnhof begleitet und dort in den Zug gesetzt“, erklärte Polizeisprecher Paul Kemen. „Wir haben überwacht, dass die Rote Karte tatsächlich eingehalten wurde.“ Auch Ermittlungsverfahren seien eingeleitet worden.

Die Polizei begründete die ausgesprochenen Platzverweise mit dem Versuch, in Aachen Flugblätter der Partei „Die Rechte“ zu verteilen. „Wir haben das als Ersatzveranstaltung für die gerichtlich verbotenen Aufmärsche in Stolberg gewertet“, so Kemen. „Die Polizei hat ihre Ankündigung, keine Ersatzveranstaltungen zuzulassen, entschlossen umgesetzt.“

Eine spontane Gegendemonstration aus dem linken Spektrum endete nach Polizeiangaben nach wenigen Minuten ohne besondere Vorkommnisse. Vereinzelt kam es laut Polizei in den Nachmittagsstunden aber immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen der rechten und linken Szene. Polizisten verhinderten eine Eskalation und sprachen weitere Platzverweise aus. An allen „neuralgischen Punkten im Stadtgebiet“, so der Polizeisprecher, waren am Samstag Beamte postiert. Die Bahnhöfe wurden den ganzen Tag über überwacht. (mg)

Gericht: Rechte Demos in Stolberg bleiben verboten

 

Mi, 3. Apr. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Region AN Titel / Seite 9

Gericht: Rechte Demos in Stolberg bleiben verboten

Stolberg/Aachen. Die für Freitag und Samstag angekündigten Aufmärsche der rechtsextremen Szene in Stolberg bleiben verboten. Das Aachener Verwaltungsgericht hat einen Eilantrag des Veranstalters gegen die Verbotsverfügung des Aachener Polizeipräsidenten Klaus Oelze abgelehnt. In seiner Begründung folgte die 6. Kammer der Argumentation von Oelze. Dieser hatte argumentiert: „Eine der zentralen Begründungen in der Verfügung ist, dass die angemeldeten Versammlungen nichts anderes als die Fortführungen von Versammlungen der inzwischen verbotenen Kameradschaft Aachener Land (KAL) sind.“ Die angemeldeten Aufmärsche seien der verbotenen KAL zuzurechnen, so das Verwaltungsgericht. Den Rechten bleiben weitere Rechtsmittel offen. (-jül-)

Verboten, verunsichert. Aber nicht verschwunden.

 

Mi, 6. Feb. 2013
Aachener Nachrichten – Stadt / Die Seite Drei / Seite 3

Verboten, verunsichert. Aber nicht verschwunden.

Fünf Monate nach dem Verbot der „Kameradschaft Aachener Land“ mehren sich die Hinweise, dass der Kern der Gruppierung immer noch aktiv ist

von Michael Klarmann

Aachen. Es war ein provokativer Auftritt am 25. August 2012. Mit einer Kundgebung in der Dürener Fußgängerzone warben rund 35 Neonazis für einen rechten Aufmarsch in Dortmund. Als Moderator und Anmelder fungierte der ehemalige „Kameradschaftsführer“ der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL), René L. Zwei Tage zuvor war die KAL verboten worden, die Polizei hatte 48 Wohnungen oder Haftzellen der Mitglieder durchsucht und dabei auch 77 Waffen oder gefährliche, waffenähnliche Gegenstände beschlagnahmt. Obschon das Thema der Versammlung nicht das KAL-Verbot war, konnte der grobschlächtige Neonazi-Glatzkopf sich einen rhetorischen Seitenhieb auf Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) nicht verkneifen. An diesen gerichtet sagte Laube: „Trotz Verbot sind wir nicht tot!“

Erheblich geschwächt

Das Verbot der „Kameradschaft Aachener Land“ durch Jäger ist nun rund fünf Monate her. Personen aus dem Umfeld der Gruppe oder ideologisch weniger gefestigte Mitglieder wurden durch die Aktion verunsichert. Sie zogen sich zurück ins Privatleben oder werden sogar durch das Aussteiger-Programm des Landesinnenministeriums betreut.

Doch schon damals wies die Polizei darauf hin, dass ein Verbot zwar die Lage beruhigt, die Razzia Neonazis verunsichert und deren Organisationsstrukturen erhebliche schwächt. Jedoch werde der harte Kern aktiv bleiben, sich vielleicht umstrukturieren. Unterdessen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass dies längst geschehen ist.

So soll seit dem Wochenende die neonazistisch geprägte Splitterpartei „Die Rechte“ mit eigenen Kreisverbänden in Aachen und Heinsberg aktiv geworden sein. Obschon die Partei mit ihrem Namen andeuten will, keinen neonazistischen Hintergrund zu haben und sie sich angeblich politisch zwischen der rechtsradikalen Splitterpartei „Pro NRW“ und der rechtsextremen NPD positionieren will, gehören ihr in Nordrhein-Westfalen maßgeblich Mitglieder verbotener Neonazi-Gruppen an. Auch im Raum Aachen prägen ehemalige Mitglieder der verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) oder Personen aus deren engstem Umfeld die neuen Verbände.

Die Partei „Die Rechte“ wurde an Pfingstsonntag 2012 in Hamburg durch ehemalige Mitglieder der rechtsextremen, fremdenfeindlichen Partei DVU und Neonazis rund um Christian Worch gegründet. Worch, ein bundesweit bekannter Neonazi, der wiederholt auch bei den fremdenfeindlichen Aufmärschen in Stolberg als (Mit-)Organisator und Redner fungierte, ist zugleich Parteichef. In NRW gründeten sich seit Ende vergangenen Jahres sowohl ein Landesverband als auch verschiedene Kreisverbände von „Die Rechte“.

Geprägt sind jene Kreisverbände und auch der Landesverband durch Neonazis und „Autonome Nationalisten“ (AN) aus dem militanten Spektrum. Führungskader der am 23. August 2012 neben der KAL zudem verbotenen Gruppen „Nationaler Widerstand Dortmund“ und „Kameradschaft Hamm“ bilden teilweise auch die Führungsgremien in den verschiedenen Gliederungen der „Rechten“ in NRW. So stellte Ende Januar 2013 der Landesverfassungsschutz denn auch fest, im NRW-Landesverband der Partei würden sich die Neonazis verbotener Gruppierungen neu sammeln.

Vermutlich handele es sich bei der Organisation auch nicht um eine echte Partei, sagte Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier Ende Januar im Innenausschuss des Landtags. Es bestehe daher der Verdacht, dass das Parteienprivileg bewusst missbraucht werde. Das NRW-Innenministerium prüft nun rechtliche Maßnahmen. So wird etwa auch geprüft, ob die Partei eine verbotene Ersatzorganisation der früheren Neonazi-Banden ist. Der Landesverfassungsschutz schätzt, dass die Splitterpartei derzeit 130 Mitglieder in NRW hat.

Schon im November 2012 gab es deutliche Hinweise darauf, dass der harte Kern der KAL weiter aktiv ist. So kursierte seinerzeit ein Flyer im Internet, mit dem für Anfang Dezember 2012 zu einer Geburtstagsfeier einer Seniorin, die der KAL zugerechnet wurde, eingeladen wurde. Die Rentnerin wurde auf dem unserer Zeitung vorliegenden Szene-Flyer, der in seiner Optik und in Textpassagen früheren KAL-Flyern ähnelte, als „Mutter der Kompanie“ bezeichnet. Als Ort für die konspirativ vorbereitete Feier wurde das „Aachener Land“ angegeben, fast so, als wollten die Produzenten, nämlich ehemalige KAL-Kader, provokativ darauf hinweisen, weiter aktiv zu sein.

Auch die Gründung der Kreisverbände von „Die Rechte“ arbeitet mit solchen, wenn auch eher versteckten Provokationen und Botschaften. Laut Parteiveröffentlichungen wollen sich die beiden Kreisverbände, die eng kooperieren und gemeinsame Internet-Auftritte nutzen, am 2. Februar bei einer Versammlung gegründet haben. Während der Kreisverband in Heinsberg für das dortige Kreisgebiet zuständig sein soll, soll der Kreisverband Aachen ein Zusammenschluss von Mitgliedern aus dem Raum Aachen und Düren sein. Die KAL war seinerzeit in drei „Sektionen“ unterteilt: Aachen, Düren und Heinsberg.

Eine Reihe ehemaliger Mitglieder

Auf Anfrage bestätigte das Kommissariat „Rechts motivierte Kriminalität“ (Remok) des Polizeipräsidiums Aachen, dass bei der Versammlung unter den rund 30 Besuchern eine Reihe ehemaliger Mitglieder der verbotenen KAL anwesend war. Die Polizei hat das Treffen in einem von den Neonazis angemieteten Versammlungsraum im Raum Nörvenich beobachtet und einige der Besucher kontrolliert. Kaum zufällig dürfte dabei auch der Termin für den „Gründungsparteitag“ (Zitat „Die Rechte“) gewesen sein: Die im August 2012 verbotene KAL hatte sich nach eigenen Angaben am 1. Februar 2002 gegründet – elf Jahre später formieren sich ausgerechnet jene beiden regional aktiven Kreisverbände von „Die Rechte“, in der auch ehemalige KAL-Leute aktiv sind, an einem 2. Februar. Presserechtlich verantwortlich für die Homepages der beiden neuen Verbände ist zudem ein ehemaliges KAL-Mitglied aus Aachen.

Höhnisch und drohend hatte die Neonazi-Bande sich wenige Stunden nach ihrem Verbot am 23. August 2012 schon auf ihrer Internetseite geäußert: „Wir sind verboten. Na und?“

Man bleibe auch ohne Gruppenstatus weiter aktiv und werde „viele Aktionsformen“ nutzen. Die Mitglieder würden nun „alle schön verstreut“ und „versprengt“ aktiv sein, „und niemand hat mehr die Kontrolle über die einzelnen Akteure. […] Willkommen im Chaos. Viel Spaß damit!“